Wird mit Hilfe eines 21-Gen-Expressionstests bei Frauen mit frühem hormonrezeptorpositivem, HER2-negativem Mammakarzinom ohne axillären Lymphknoten ein mittlerer Recurrence-Score von 11-25 gefunden, kann auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden. Dies ergab die Phase-III-Studie TAILORx, die Joseph A. Sparano, Albert Einstein Cancer Center und Montefiore Health System, New York, bei der Plenarsitzung während des 2018 ASCO Annual Meeting am 3. Juni 2018 in Chicago vorstellte und parallel im New England Journal of Medicine publizierte.
Mit dem 21-Gen-Expressionstest (Oncotype DX) steht seit mehr als 10 Jahren ein Tool zur Verfügung, mit dem bei Frauen mit einem Mammakarzinom, das hormonrezeptorpositiv, HER2-negativ und Lymphknoten-negativ ist, der wahrscheinliche Nutzen einer Chemotherapie und das Risiko eines Fernrezidivs in den ersten zehn Jahren nach Diagnose erfasst werden kann. Der 21-Gen-Expressionstest liefert einen Recurrence-Score (RS) der zwischen 0 und 100 liegt. Als die TAILORx-Studie geplant wurde, gab es zwei prospektive Studien zum Test, sein prognostischer Wert wurde in der B14-Studie mit Tamoxifen nachgewiesen. Frauen mit niedrigem RS unter 18, die adjuvant Tamoxifen über 5 Jahre erhielten, hatten ein sehr niedriges Rezidivrisiko, nach 10 Jahren waren bei 93,2 % keine Fernmetastasen aufgetreten. In der B20-Studie konnte gezeigt werden, dass der Test prädiktiv ist. Bei hohem RS ≥ 31 war der Nutzen der Chemotherapie hoch.
Für die Mehrzahl der Frauen mit einem RS im mittleren Bereich war jedoch bislang der Nutzen der Chemotherapie unklar. Dies wurde nun in der prospektiven TAILORx-Studie untersucht, in die zwischen April 2006 und Oktober 2010 über 10.253 Frauen mit HR+, HER2- und LK-Mammakarzinom im Alter zwischen 18 und 75 Jahren aufgenommen wurden. Von den 9.719 auswertbaren Patientinnen wiesen 6.711 (69 %) einen mittleren RS von 11 bis 25 auf, 1.619 Frauen (17 %) hatten einen RS ≤ 10 und 1.389 (14 %) einen RS ≥ 26.
Patienten mit RS 11-25 erhielten randomisiert adjuvant eine endokrine Therapie allein (n = 3.399, Arm B) oder eine endokrine Therapie plus Chemotherapie (n = 3.312, Arm C). Geprüft wurde auf Nichtunterlegenheit der beiden Therapieregime in der Wirkung auf das invasive krankheitsfreie Überleben (IDFS). Frauen mit RS 0-10 (n = 1.629) erhielten eine endokrine Therapie (Arm A), Patientinnen mit RS 26-100 (n = 1.389) eine endokrine Therapie plus Chemotherapie (Arm D).
Die Patientinnen im randomisierten Teil der Studie (RS 11-25) waren im Median 55 Jahre alt, 33 % waren nicht älter als 50 Jahre. 74 % waren nach klinischen Kriterien der Niedrigrisiko- und 26 % der Hochrisiko-Gruppe zuzuordnen. Häufigste Chemotherapie waren Docetaxel/Cyclophosphamid (56 %) und Anthracyclin-haltige Regime (36 %). Postmenopausale Frauen erhielten meist einen Aromatasehemmer (91 %), prämenopausale Frauen wurden mit Tamoxifen oder Tamoxifen gefolgt von Aromatasehemmer behandelt, 13 % wurden ovariell supprimiert.
Der primäre Endpunkt wurde nach 836 IDFS-Ereignissen nach 7,5 Jahren im Median in der ITT-Population analysiert. Die endokrine Therapie war in der Wirkung auf das IDFS der Kombinationsbehandlung nicht unterlegen (Hazard-Ratio 1,08, p = 0,26), damit war der primäre Endpunkt erreicht. Beide Therapien waren auch in der Wirkung auf ein Fernrezidiv (HR 1,10, p = 0,48), auf das rezidivfreie Intervall (HR 1,11, p = 0,33) und auf das Gesamtüberleben (HR 0,99, p = 0,89) ähnlich wirksam. Die 9-Jahres-Ereignisraten in den randomisierten Armen B vs. C waren ähnlich für das krankheitsfreies Überleben (83,3 % vs. 84,3 %), die Freiheit von Fernmetastasen (94,5 % vs. 95,0 %) und das Gesamtüberleben (93,9 % vs. 93,8%). In Arm A (RS bis 10) waren 97 % nach 9 Jahren ohne Fernmetastasen, in Arm D (RS ab 26) war es bei 13 % zu einem Rezidiv gekommen.
Nicht vorgeplante exploratische Analysen in den randomisierten Gruppen ergaben eine Interaktion zwischen Alter und RS. Jüngere Frauen bis zu einem Alter von 50 Jahren und einem RS von 16-25 hatten einen gewissen Nutzen von der Chemotherapie.
Aufgrund der Studienergebnisse empfahl Sparano einen Verzicht auf Chemotherapie bei Frauen
"Das hormonrezeptorpositive, HER2-negative und LK-negative Mammakarzinom ist reif für Deeskalationsstrategien, um den Einsatz der Chemotherapie rational zu reduzieren", betonte Lisa A. Carey, University of North Carolina Lineberger Comprehensive Cancer Center, Chapel Hill, als Diskutantin der Studie in der Plenarsitzung. "TAILORx bestätigt das exzellente Ergebnis ohne Chemotherapie bei sehr niedrigem RS und unterstützt nun das Weglassen der Chemotherapie bei Erkrankungen ohne Lymphknotenbefall mit einem RS bis zu 25." TAILORx habe Patienten mit klinisch niedrigem Risiko eingeschlossen. Unklar sei, was mit Patienten im Stadium II und III sei. Carey bedauerte auch, dass es für Frauen mit HER2-positiven oder mit dreifach negativen Tumoren bislang keine entsprechenden Tests gibt.
Quellen:
1. Sparano JA et al. TAILORx: Phase III trial of chemoendocrine therapy versus endocrine therapy alone in hormone receptor-positive, HER2-negative, node-negative breast cancer and an intermediate prognosis 21-gene recurrence score. 2018 ASCO Annual Meeting, Chicago, 1. bis 5. Juni 2018, Abstract LBA1. https://meetinglibrary.asco.org/record/161490/abstract.
2. Sparano JA et al. Adjuvant Chemotherapy Guided by a 21-Gene Expression Assay in Breast Cancer. N Engl J Med online publiziert am 3. Juni 2018, https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1804710.