Bei Patienten mit Morbus Waldenström kann durch die zusätzliche Gabe von Ibrutinib zu Rituximab das Risiko für eine Progression oder Tod um relativ 80 % im Vergleich zu alleiniger Rituximab-Behandlung vermindert werden. Dieses Ergebnis einer vorgeplante Zwischenanalyse der Phase-3-Studie iNNOVATE stellte Meletios A. Dimopoulos, Medizinische Fakultät der Universität Athen, bei der Jahrestagung 2018 der ASCO (American Society of Clinical Oncology) vor1 und publizierte es parallel im New England Journal of Medicine2.
Morbus Waldenström (Waldenström-Makroglobulinämie) ist eine seltene Erkrankung, die zu den indolenten Lymphomen gehört. Sie befällt vor allem ältere Menschen und ist bei Männern etwas häufiger als bei Frauen. Die klinische Symptomatik beruht vor allem auf den Folgen der Infiltration des Knochenmarks durch das lymphoplasmozytische Lymphom mit Verdrängung der normalen Hämatopoese und der Hypersekretion von monoklonalem Immunglobulin M (IgM). Eine Therapie wird normalerweise bei Patienten eingeleitet, die unter Anämie, Hyperviskosität, Fatigue oder anderen Symptomen leiden.
In jüngerer Zeit konnte bei bis zu 90 % der Patienten eine MYD88-L265P-Mutation nachgewiesen werden, die konstitutiv den NF-kB-Stoffwechselweg über die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) aktiviert. Mit Ibrutinib (Imbruvica®) steht seit 2014 erstmals ein oral applizierbarer Inhibitor der BTK zur Verfügung, der in Europa u.a. für die Behandlung des Morbus Waldenström nach Vorbehandlung oder in der Erstlinientherapie zugelassen ist, wenn die Patienten für eine Chemoimmuntherapie ungeeignet sind. Der CD20-Inhibitor Rituximab gehört seit längerer Zeit zur Standardtherapie der Erkrankung.
In der Phase-3-Studie iNNOVATE wurden nun randomisiert Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ibrutinib plus Rituximab und Placebo plus Rituximab bei 150 Patienten mit Morbus Waldenström in der Erstlinientherapie oder bei rezidivierter Erkrankung verglichen. Alle Patienten erhielten über 4 Wochen einmal wöchentlich 375 mg/m² Rituximab i. v, diese 4 Gaben wurden nach einer Pause von 3 Monaten wiederholt. Randomisiert nahmen alle Patienten kontinuierlich Ibrutinib 420 mg/Tag (n = 75) oder Placebo (n = 75) ein. Primärer Endpunkt was das progressionsfreie Überleben (PFS), zu den sekundären Endpunkten gehörten u.a. die Ansprechraten und die anhaltende hämatologische Besserung, die mediane Zeit bis zur nächsten Behandlung und das Gesamtüberleben.
Vorgestellt und publiziert wurden nun die Ergebnisse einer vordefinierten Zwischenanalyse, die nach 50 Progressionsereignissen oder Todesfällen vorgesehen war.
Die beiden Gruppen waren in den demographischen Parametern vergleichbar. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 26,5 Monaten verbesserte die zusätzliche Gabe von Ibrutinib das PFS signifikant von 20,3 Monaten unter Rituximab allein auf einen derzeit noch nicht bekannten Wert (Hazard-Ratio 0,20, p < 0,0001). Dies bedeutet eine Senkung des relativen Risikos für Progression oder Tod um 80 %. Die PFS-Raten nach 30 Monaten lagen mit Ibrutinib bei 82 %, ohne Ibrutinib bei 28 %. Das PFS wurde durch Ibrutinib im Vergleich zur Rituximab-Monotherapie in allen Subgruppen deutlich verbessert, und zwar bei therapienaiven Patienten (HR 0,34), bei rezidivierter Erkrankung (HR 0,17) und bei Patienten mit MYD88-L265P- und CXCR4-WHIM-Mutationen (HR 0,24).
Die Gesamtansprechraten waren unter der Kombination mit 92 % signifikant höher als mit 47 % unter Rituximab-Monotherapie (p < 0,0001). Es kam mit Ibrutinib zu einem rascheren Abfall der IgM-Spiegel im Serum. Außerdem besserte sich der Hämoglobin-Wert bei 73 % der Patienten unter Ibrutinib/Rituximab anhaltend, unter Rituximab allein nur bei 41 % (p < 0,001), "ein sehr wichtiger Faktor für das Wohlbefinden der Patienten", so Dimopoulos. Nach 30 Monaten lebten noch 94 % der Patienten in der Ibrutinib-Gruppe und 92 % in der Rituximab-Gruppe. Zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse führten 75 % der Patienten die Ibrutinib-Rituximab-Behandlung fort.
Schwere unerwünschte Wirkungen vom Grad 3 oder höher traten bei vergleichbar vielen Patienten auf, und zwar bei 60 % unter Ibrutinib/Rituximab und bei 61 % unter Rituximab, wobei die Patienten im Median 25,8 Monate mit Ibrutinib und 15,5 Monate mit Placebo behandelt worden waren. Im Ibrutinib-Arm kam es zu keiner tödlichen Nebenwirkungen, im Rituximab-Arm verstarben 3 Patienten als Folge von unerwünschten Wirkungen. Bei 15 % der Ibrutinib-Patienten trat Vorhofflimmern auf, in der Vergleichsgruppe waren 3 % von dieser Nebenwirkung betroffen. Allerdings waren von dieser unerwünschten Wirkung vor allem Patienten im Alter über 75 Jahren betroffen. Nur 5 bzw. 4 % der Patienten brachen im Ibrutinib- bzw. Rituximab-Arm die Studie wegen Nebenwirkungen ab.
"Diese Kombination hat eine bemerkenswerte Aktivität und sollte ein neuer Therapiestandard bei Morbus Waldenström werden", so das Fazit des griechischen Onkologen. Diskutant Craig C. Hofmeister, Emory University School of Medicine, Atlanta, meinte: "Die Ansprechraten waren großartig und es gab keine eine unerwarteten Toxizitäten". Hofmeister wies darauf hin, dass das Ansprechen auf Ibrutinib bei Patienten mit nachgewiesenen MYD88-Mutationen besonders gut war und folgerte: "Ibrutinib + Rituximab sind ein Gewinn bei MYD88-mutierten Patienten". Unerwünschte Wirkungen wie Vorhofflimmern und Infektionen erforderten jedoch eine enge Überwachung.
Quellen:
1. Dimopoulos MA, et al. Randomized phase 3 trial of ibrutinib/rituximab vs placebo/rituximab in Waldenström's macroglobulinemia. 2018 ASCO Annual Meeting, Chicago, 1. bis 5. Juni 2018, Abstract LBA8003. https://meetinglibrary.asco.org/record/165951/abstract
2. Dimopoulos MA, et al. Phase 3 Trial of Ibrutinib plus Rituximab in Waldenström’s Macroglobulinemia. N Engl J Med. online publiziert a 1. Juni 2018. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1802917