Tumoren mit hoher Mikrosatelliteninstabilität sind häufig mit einem Lynch-Syndrom assoziiert. Das Lynch-Syndrom ist zudem an einem sehr viel breiteren Spektrum von Tumoren beteiligt als bisher gedacht. Daher sollten Patienten mit Tumoren mit hoher Mikrosatelliteninstabilität und Mutationen in den DNA-Mismatch-Reparaturgenen auf ein Lynch-Syndrom untersucht werden, so das Fazit von Alicia Latham Schwark, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, das sie aus den Ergebnissen einer großen Genanalyse zog, die sie beim 2018 ASCO Annual Meeting am 4. Juni 2018 in Chicago vorstellte
Das Lynch-Syndrom (hereditary non-polyposis colorectal cancer – HNPCC) ist eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die mit einem deutlich erhöhten Risiko für Krebserkrankungen einhergeht - rund 3 % aller Kolorektal- und Endometriumkarzinome sind auf das Lynch-Syndrom zurückzuführen. Es kommt mit einer Häufigkeit von etwa 0,3 % in der Bevölkerung vor. Das Lynch-Syndrom wird durch Keimbahnmutationen in den DNA-Mismatch-Reparatur(MMR)-Genen MLH1, MSH2, MSH6, PMS2 und EPCAM verursacht. Aufgrund des autosomal-dominanten Erbgangs besteht für erstgradig Verwandte eines HNPCC-Anlageträgers ein Risiko von 50 %, ebenfalls Anlageträger zu sein. Kennzeichen der mit einem Lynch-Syndrom assoziierten Tumoren ist eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H).
Die Mikrosatelliteninstabilität (MSI) ist ein Marker für defekte DNA-Reparaturmechanismen. Man versteht hierunter das Auftreten neuer Allele innerhalb kurzer repetitiver DNA-Sequenzen (Mikrosatelliten). Als Folge der defekten DNA-Reparaturmechanismen häufen sich mehr und mehr Mutationen an.
Auf MSI wurde bisher vor allem bei Kolorektal- und Endometriumkarzinom getestet, um herauszufinden, ob die Patienten auch an einem Lynch-Syndrom leiden. Seit der Zulassung des PD1-Inhibitors Pembrolizumab für die Behandlung von allen Tumoren mit MSI-H wird die MSI-Testung jedoch sehr viel breiter eingesetzt um die Patienten zu identifizieren, die von einer Pembrolizumab-Behandlung profitieren könnten.
Ziel der Analyse war es, die Prävalenz von Keimbahnmutationen in den MMR-Genen bei MSI-H-Tumoren zu bestimmen. Dazu analysierte die Arbeitsgruppe prospektiv 15.045 Proben von über 50 verschiedenen Tumoren und klassifizierte die Ergebnisse in 3 Gruppen:
In allen Proben wurde zudem nach Mutationen in den MMR-Genen gesucht.
MSS waren 93,2 % der Tumoren, MSI-I 4,6 % und 2,2 % waren MSI-H. Mutationen in den Lynch-Syndrom-assoziierten MMR-Genen wurden bei 16,3 % (53/326) der Personen mit MSI-H-Tumoren nachgewiesen, bei 1,9 % (13/699) mit MSI-I- und 0,3 % (37/14020) mit MSS-Tumoren.
Wie erwartet, machten Kolorektal- und Endometriumkarzinom etwa 25 % bzw. 16 % der 1.025 MSI-H- und MSI-I-Tumoren aus. Allerdings hatten 50 % (33/66) der Patienten mit MSI-H- und MSI-I-Tumoren und Lynch-Syndrom andere Krebserkrankungen, die bisher nicht oder nur sehr selten mit einem Lynch-Syndrom in Verbindung gebracht wurden. Hierzu gehörten z. B. Mesotheliom, Sarkom, Nebennierenrindenkarzinom, Melanom, Prostata- und Ovarialkarzinom. Von diesen erfüllten 45 % (18/33) die Kriterien für eine genetische Testung auf ein Lynch-Syndrom nicht, wären also normalerweise nicht weiter auf diese Erbkrankheit untersucht worden.
"Unsere Studie deutet darauf hin, dass das Spektrum der mit dem Lynch-Syndrom assoziierten Krebserkrankungen sehr viel breiter ist, als wir bisher dachten", so Studienleiterin Zsofia Kinga Stadler bei einer ASCO-Pressekonferenz. Das Fazit lautete, dass die Ergebnisse dieser Analyse belegen, dass das Lynch-Syndrom mit einem breiteren Spektrum an Krebserkrankungen assoziiert ist, als man bisher gedacht hat, und dass eine hohe Mikrosatelliteninstabilität und eine MMR-Defizienz unabhängig vom Krebstyp prädiktiv für ein Lynch-Syndrom sind. "Die Diagnose eines Lynch-Syndroms gibt uns die einzigartige Möglichkeit, nicht nur unseren Krebspatienten zu helfen, sondern auch Familienmitgliedern mit erhöhtem Krebsrisiko, weil dieses durch verstärkte Überwachung und – in einigen Fällen – prophylaktische Operationen gesenkt werden kann" erläuterte Stadler.
ASCO-Expertin Shannon Westin, University of Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, bezeichnete die Studie bei der ASCO-Pressekonferenz als "absolut praxisverändernd." Die MSI habe nicht nur eine Bedeutung für die Therapie von Tumoren, sondern wirke sich auch auf die Krebsprävention aus. Westin weiter: "Dies ist eine unkomplizierte Teststrategie, die sofort umgesetzt werden kann und die nicht nur die Patienten, sondern auch ihre Verwandten betrifft. Das kann nicht hoch genug bewertet werden."
Quelle:
Schwark AL et al. Pan-cancer microsatellite instability to predict for presence of Lynch syndrome. 2018 ASCO Annual Meeting, Chicago, 1. bis 5. Juni 2018, Abstract LBA1509. https://meetinglibrary.asco.org/record/160759/abstract