Olaparib verlängert progressionsfreies Überleben bei BRCA-Keimbahn-mutiertem Pankreaskarzinom

Erstmals konnte mit einem Biomarker-basierten Therapieansatz beim Pankreaskarzinom eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) erreicht werden.

Neue Studie wird beim ASCO kritisch diskutiert

Erstmals konnte mit einem Biomarker-basierten Therapieansatz beim Pankreaskarzinom eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) erreicht werden. In der Phase-III-Studie POLO verlängerte die Therapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib (Lynparza) das PFS bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom und BRCA-Genmutationen in der Keimbahn von 3,8 Monaten unter Placebo auf 7,4 Monate. Hedy L. Kindler, Leiterin der gastroenterologischen Onkologie, Universität von Chicago, stellte die Ergebnisse der POLO-Studie in der Plenarsitzung am 2. Juni bei der Jahrestagung 2019 der ASCO (American Society of Clinical Oncology) vor [1] und publizierte sie parallel im New England Journal of Medicine [2].

Das metastasierte Pankreaskarzinom spricht auf eine Behandlung besonders schlecht an. Therapiestandard ist derzeit die Behandlung mit FOLFIRINOX oder Gemcitabin plus nab-Paclitaxel, womit ein PFS von etwa 6 Monaten und ein Gesamtüberleben (OS) von 8 bis 12 Monaten erreicht werden kann. Weniger als 10% der Patienten leben noch 5 Jahre nach der Diagnose. Bei etwa 4 bis 7% der Pankreaskarzinome ist eine Keimbahn-Mutation von BRCA1 und/oder BRCA2 nachzuweisen. In diesen Fällen konnte ein verbessertes Ansprechen auf eine platinhaltige Chemotherapie gesehen werden.

Die BRCA-Gene kodieren für Proteine, die an der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen beteiligt sind. Zellen mit mutierten BRCA-Genen und mangelhafter DNA-Reparaturmechanismen sind auf Hemmer der Poly(adenosindiphosphat–Ribose)Polymerase (PARP) empfindlich, wodurch sie die Reparatur der DNA-Schäden in den Zellen, die z. B. durch eine Chemotherapie hervorgerufen worden sind, verhindern. PARP-Inhibitoren werden primär zur Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie eingesetzt, um die Krankheitsprogression ohne weitere Beeinträchtigung der Lebensqualität zu verlangsamen.

Positive Effekte mit Olaparib

Der PARP-Inhibitor Olaparib hatte in einer Phase-II-Studie bei 23 Patienten mit BRCA-Keimbahnmutationen und stark vorbehandeltem Pankreaskarzinom ein medianes PFS von 4,6 Monaten und eine Ansprechrate von 21,7% erreicht [3]. Daher untersuchten Kindler und ihre Kollegen nun in der multizentrischen randomisierten doppelblinden Phase-III-Studie POLO (Pancreas Cancer Olaparib Ongoing) die Wirksamkeit einer Erhaltungstherapie mit Olaparib bei Patienten mit BRCA-Keimbahnmutationen und metastasiertem Pankreaskarzinom, das bei mindestens 16wöchiger platinhaltiger Erstlinientherapie noch nicht fortgeschritten war. Von 3.315 gescreenten Patienten wiesen 247 (7,5%) eine BRCA-Keimbahnmutation auf, von diesen wurden 154 in die Studie eingeschlossen.

In 119 Zentren in 12 Ländern erhielten die Patienten 3:2 randomisiert eine Erhaltungstherapie mit oralem Olaparib (300 mg zweimal täglich) (n = 92) oder Placebo (n = 62). Die Behandlung wurde 4 bis 8 Wochen nach der letzten Dosis der Erstlinienchemotherapie begonnen und bis zum Auftreten einer radiologischen Progression oder inakzeptablen Nebenwirkungen durchgeführt. Primärer Endpunkt der Studie war das PFS, zu den sekundären Endpunkten gehörten die Zeit bis zur zweiten Progression (PFS2), die Ansprechrate (ORR), die Lebensqualität, Sicherheit und Verträglichkeit sowie das Gesamtüberleben (OS).

Olaparib verlängert PFS

Der primäre Endpunkt PFS wurde nach Krankheitsprogression oder Tod von 104 der 154 Patienten analysiert. Keine Progression war bei 30 Olaparib- und bei 12 Placebo-Patienten aufgetreten. Das mediane PFS war in der Olaparib-Gruppe mit 7,4 Monaten signifikant länger als in der Placebo-Gruppe mit 6,2 Monaten (Hazard-Ratio 0,53, p = 0,0038). Sechs Monate nach Randomisierung verdoppelte die Olaparib-Behandlung der Anteil der Patienten ohne Krankheitsprogression zum Zeitpunkt 6, 12, 18 und 24 Monate. Die Effekte waren in allen vordefinierten Subgruppen nachweisbar.

Eine Zwischenanalyse des OS (46% Datenreife) ergab unter Olaparib ein medianes OS von 18,9 Monaten, unter Placebo von 18,1 Monaten. Die endgültige OS-Analyse ist nach 106 Todesfällen mit einer Datenreife von 69% geplant.

Die Zwischenanalyse des PFS2 (Datenreife 46 %) ergab einen medianen Wert von 13,2 Monaten in der Olaparib- und von 9,2 Monaten in der Placebo-Gruppe mit einer HR von 0,76 (p = 0,26).

Die Ansprechrate (ORR) in der Olaparib-Gruppe lag bei 23,1%, wobei zwei Patienten ein komplettes Ansprechen erreichten, das bis zum Zeitpunkt der Datenanalyse angehalten hatte. Die ORR unter Placebo lag bei 11,5%. Im Median dauerte es in der Olaparib-Gruppe 5,4 Monate bis zum Ansprechen, das Ansprechen hielt im Median 24,9 Monate an. In der Placebo-Gruppe dauerte es bis zum Ansprechen 3,6 Monate, das Ansprechen hielt 3,7 Monate an. Die Lebensqualität hatte sich in beiden Studienarmen nicht verändert.

Die Therapie dauerte in der Olaparib-Gruppe 6,0 Monate, in der Placebo-Gruppe 3,7 Monate. Schwere unerwünschte Wirkungen wurden bei 24% der Olaparib- und bei 15% der Placebo-Patienten beobachtet.

Gezielte Therapie verursacht  hohe Kosten

Wells Messersmith, University of Colorado Cancer Center, Diskutant der POLO-Studie in der Plenarsitzung bei der ASCO-Jahrestagung, wies darauf hin, dass bislang keine gezielt wirkende Therapie beim Pankreaskarzinom erfolgreich war. Präklinische und frühe klinische Daten hatten jedoch darauf hingewiesen, dass der Einsatz eines PARP-Inhibitors bei Patienten mit BRCA-Keimbahnmutationen sinnvoll sein kann. POLO sei nun die erste erfolgreiche Biomarker-gestützte Studie und die erste erfolgreiche Studie zur Erhaltungstherapie bei dieser Erkrankung. Die Verdoppelung der PFS-Rate durch Olaparib nach 6 und 12 Monaten bezeichnete er als "beträchtlich" für das Pankreaskarzinom. Aufgrund des Kurvenverlaufs befürchtet er jedoch eine Resistenzentwicklung, wie bei vielen gezielt wirkenden Therapien. Die Nebenwirkungen seien im Vergleich zu zytotoxischer Chemotherapie "manageable".

Kritisch sah er die noch fehlenden Daten zum OS, er glaubt nicht, dass die finale OS-Analyse einen Überlebensvorteil für Olaparib ergeben wird. Er hinterfragte auch den Einsatz von Placebo nach nur 16 Wochen Erstlinientherapie bei dieser aggressiven Erkrankung. Die meisten Onkologen würden die Erstlinientherapie unbegrenzt weiterführen. Offen sei auch, wie Patienten mit somatischen BRCA-Mutationen behandelt werden könnten.

Seiner Meinung nach sollten jedoch aufgrund der POLO-Ergebnisse nun standardmäßig alle Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom entsprechend molekulargenetisch getestet werden, dies sollte auch in Leitlinien entsprechend geändert werden. Zudem sollte nun die Erhaltungstherapie mit Olaparib eine Option für Patienten mit Keimbahnmutationen des BRCA-Gens sein.

Nicht zu vergessen sei jedoch die finanzielle Toxizität der Therapie. Messersmith errechnete, dass ein Monat Behandlung mit Olaparib (300 mg zweimal täglich) in den USA 16.830 US-Dollar koste. Für die POLO-Studie bedeute dies, dass 7,4 Monate medianes progressionsfreies Überleben damit Arzneimittelkosten in Höhe von 124.540 US-Dollar erforderten.

Quellen:

  1. Kindler, HL, et al. Olaparib as maintenance treatment following first-line platinum-based chemotherapy (PBC) in patients (pts) with a germline BRCA mutation and metastatic pancreatic cancer (mPC): Phase III POLO trial. 2019 ASCO Annual Meeting, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni  201, Abstract LBA4. https://abstracts.asco.org/239/AbstView_239_249933.html
  2. Golan T, et al. Maintenance olaparib for germline BRCA-mutated metastatic pancreatic cancer. N Engl J Med. online publiziert am 2. Juni 2019. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1903387
  3. Kaufman B, et al. Olaparib monotherapy in patients with advanced cancer and a germline BRCA1/2 mutation. J Clin Oncol. 2015,33:244-50. https://ascopubs.org/doi/full/10.1200/JCO.2014.56.2728