PARP und weitere Targets der DNA-Schadensantwort

Krebsspezifische DNA-Reparatur-Defekte sind in malignem Gewebe häufig, sie bieten jedoch eine Gelegenheit therapeutisch anzugreifen.

Aktuelle klinische Entwicklungen und Aussichten

Krebsspezifische DNA-Reparatur-Defekte sind in malignem Gewebe häufig, sie bieten jedoch eine Gelegenheit therapeutisch anzugreifen. Das Konzept der synthetischen Letalität zwischen genetischen Defekten der BRCA-Gene und der pharmakologischen Hemmung des Enzyms Poly(adenosindiphosphat–Ribose)Polymerase (PARP) führte zur Entwicklung der PARP-Inhibitoren. Die aktuellen klinischen Entwicklungen dieser Substanzklasse, sinnvolle Kombinationen und weitere Substanzen, die in die DNA-Schadensantwort (DNA Damage Response – DDR) eingreifen können, wurden in einem Symposium unter Vorsitz von Timothy A. Yap, MD Anderson Cancer Center, Houston, Texas, USA, am 31. Mai bei der Jahrestagung 2019 der ASCO (American Society of Clinical Oncology) präsentiert und diskutiert [1].

Derzeitige Einsatzmöglichkeiten für PARP-Hemmer

PARP-Inhibitoren wurden ab dem Jahr 2003 zunächst in Kombination mit zytotoxischen Substanzen untersucht. Alle diese Studien ergaben jedoch, dass die Hemmung der DNA-Reparatur auch die Toxizität der Chemotherapeutika im normalen Gewebe potenzierte, insbesondere kam es zu starker Myelosuppression. Bis heute konnte keine erfolgreiche klinische Strategie zur Kombination von PARP-Inhibitoren mit zytotoxischer Chemotherapie entwickelt werden.

Erste präklinische Daten, publiziert im Jahr 2005, belegten das Konzept der synthetischen Letalität zwischen BRCA-1/2-Genmutationen und pharmakologischer PARP-Hemmung und wiesen darauf hin, dass PARP-Inhibitoren auch in Monotherapie wirken. Weitere Untersuchungen unterstrichen die Bedeutung der richtigen Dosierung. Die Ergebnisse verschiedener klinischer Studien führten im Dezember 2014 in den USA und in Europa zur Zulassung von Olaparib als Erhaltungstherapie bei Frauen mit BRCA-assoziiertem Ovarialkarzinom. Mittlerweile sind mit Niraparib (USA  und Europa 2017), Rucaparib (USA 2016, Europa 2018) und Talazoparib (USA 2018) weitere PARP-Inhibitoren verfügbar.

Wichtiges Einsatzgebiet ist, so Elizabeth Ruth Plummer, Newcastle upon Tyne Hospitals, die Erhaltungstherapie beim hochgradigen serösen Ovarialkarzinom bei Patienten mit BRCA-Mutationen. Der Nutzen einer Erhaltungstherapie ist nach Ansprechen auf platinhaltige Zweitlinien-Chemotherapie für Olaparib, Rucaparib und Niraparib in den Phase-III-Studien SOLO2, ARIEL3 und NOVA belegt. In der SOLO1-Studie wurde gezeigt, dass Olaparib nach Ansprechen auf die platinhaltige First-Line-Therapie das Risiko für Krankheitsprogression oder Tod im Vergleich zu Placebo um 70 % verringert. Rucaparib war der erste PARP-Inhibitor, der von der FDA zur Drittlinien-Therapie zugelassen wurde, was auf den Ergebnissen der ARIEL2-Studie basierte.

Eine weitere wichtige Indikation ist das Mammakarzinom bei Patienten mit BRCA-Mutationen. In der OlympiAD-Studie verlängerte Olaparib nach zwei Vortherapien bei Patienten mit HER2-negativem metastasiertem  Mammakarzinom das PFS von 4,2 Monaten unter Standardtherapie auf 7,0 Monate (HR 0,58). Die FDA hat Olaparib für diese Indikation zugelassen. Talazoparib verlängerte in der EMBRACA-Studie bei mit maximal drei Therapien vorbehandelten Patienten mit BRCA-1/2-Mutationen in der Keimbahn das PFS um 3 Monate im Vergleich zu Standardtherapie (von 5,6 auf 8,6 Monate, HR 0,54).

Als nächste Indikation sieht Plummer das Prostatakarzinom, hierzu liegen z. B. Ergebnisse aus der TRITON-2-Studie mit Rucaparib und aus den TOPARP-A- und TOPARP-B-Studien mit Olaparib vor. Eine weiterte interessante Indikation könnte das Pankreaskarzinom werden, hierzu wurden auf dem ASCO in der Plenarsitzung die Ergebnisse der POLO-Studie vorgestellt (Esanum berichtete).

Kombinationspartner für PARP-Inhibitoren

Nicht alle Patienten mit BRCA-1/2-Mutationen sprechen auf PARP-Inhibitoren an, erläuterte Timothy A. Yap, MD Anderson Cancer Center, Houston, USA. Und die Entwicklung einer Resistenz ist fast unausweichlich. Rationale Kombinationen bieten das Potenzial für ein tieferes und längeres Ansprechen sowie für eine breitere Anwendung der PARP-Hemmer. Denkbar sind z. B. Kombinationen mit gezielt wirkenden Therapeutika, anderen DDR-Hemmern und Immuntherapeutika.

Eine Strategie besteht darin, eine chemische BRCAness zu induzieren und dadurch die Empfindlichkeit der Zellen auf PARP-Hemmer zu verstärken. Als BRCAness wird das Phänomen bezeichnet, dass die Tumoren ohne BRCA-Mutation eine homologe Rekombinationsreparaturdefizienz (HRD) aufweisen. Als Beispiele für Induktoren einer chemischen BRCAness nannte Yap Angiogenesehemmer wie Cediranib, MEK-Inhibitoren wie Selumetinib, PI3K-Hemmer wie Buparlisib oder Alpelisib. Hierzu liegen bislang jedoch nur sehr wenige klinische Daten vor. Ebenfalls nur präklinische Daten liegen von der Kombination mit anderen DDR-Inhibitoren vor, wie ATR- und WEE1-Inhibitoren.

Eine intensiv untersuchte Substanzgruppe in der Onkologie sind die PD-1-/PD-L1-Inhibitoren: "Sie sind das Chili der Onkologie, Chili macht alles schärfer" so Yap. Derzeit gibt es mit dieser Substanzgruppe mehr als 1100 Kombinationsstudien. "Die Kombination von DDR-Hemmung und PD-1-/PD-L1-Inhibitoren ist eine rationale Antitumorstrategie." So wird in der Phase-I/II-Basket-Studie MEDIOLA die Kombination von Olaparib und Durvalumab bei platinsensitivem BRCA-1/2-mutiertem Ovarialkarzinom untersucht. In der Phase-III-Studie DUO-O werden randomisiert, doppelblind, placebokontrolliert und multizentrisch Durvalumab in Kombination mit Chemotherapie und Bevacizumab, gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Durvalumab, Bevacizumab und Olaparib bei Patientinnen mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenem Ovarialkarzinom geprüft. Weitere derzeit in klinischen Studien untersuchte Kombinationen sind Pembrolizumab und Olaparib beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom sowie Niraparib und Pembrolizumab beim Ovarialkarzinom.

Neue DDR-Modulatoren

Nilofer Azad, Sidney Kimmel Comprehensive Cancer Center, Baltimore, Maryland (USA), berichtete, dass sich derzeit zahlreiche Hemmer der DDR in der klinischen Entwicklung befinden. Hierzu zählen z. B. Inhibitoren von Kinasen wie ATR (wie Berzosertib), ATM, CHK1-/CHK2 oder CHK1 (wie Rabusertib, Prexasertib) oder Proteinen wie WEE1 (wie Adavosertib). ATR- und CHK1-Inhibitoren sind in der klinischen Entwicklung am weitesten fortgeschritten. Die prinzipielle Strategie bei Anwendung von ATR-, CHK1- und auch WEE1-Hemmern basiert darauf, dass sie das Überleben der Krebszellen unter erhöhtem Replikationsstress verhindern. ATR- und CHK1-Inhibitoren wirken besonders gut in Kombination mit DNA-schädigenden Agenzien wie Gemcitabin und Cisplatin.

Quelle: DDR: The DNA Damaging Revolution, Educational Symposium, 2019 ASCO Annual Meeting, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni  2019