Interaktionspotentiale von Pharmaka: Klinische Relevanz bei Verordnung von Neuro-/Psychopharmaka

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Gibt es Psychopharmaka, die man wegen ihres Wechselwirkungspotentials bei Kombinationsbehandlungen unbedingt vermeiden sollte?

Es gibt kein Psychopharmakon ohne Wechselwirkungsrisiko. Daher muss bei Kombinationsbehandlungen mit Psychopharmaka, insbesondere bei Polypharmazie (Verordnung von 5 Arzneistoffen und mehr) immer individuell geprüft werden, ob mit pharmakokinetischen oder pharmakodynamischen Wechselwirkungen gerechnet werden muss. Eine pharmakokinetisch besonders interaktionsträchtige Gruppe sind Antidepressiva. Die selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer Fluoxetin, Paroxetin hemmen die Cytochrom P450-Enzyme (CYP) 2D6, ebenso Bupropion. Fluvoxamin hemmt CYP1A2 und CYP2C19. Hinsichtlich pharmakodynamischer Wechselwirkungen sind insbesondere Psychopharmaka mit anticholinergen und sedierenden Eigenschaften zu beachten. Da Wechselwirkungsmechanismen bekannt und Wechselwirkungen vorhersehbar sind, gehören wechselwirkungsbedingte unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zu den vermeidbaren Medikationsfehlern. Durch geeignete Maßnahmen, z.B. Messung der Medikamentenspiegel im Blut und Anpassung der Dosis, lässt sich eine Überdosierung vermeiden. Ein Psychopharmakon, welches man wegen seines Wechselwirkungspotentials nicht einsetzen sollte, gibt es daher nicht.

Welche Art von Wechselwirkungen sind beim Einsatz von Antiepileptika besonders zu beachten?

Lange bekannt und nach wie vor immer noch relevant sind bei vielen Antiepileptika die CYP-induzierenden Eigenschaften. Pregnan X Rezeptor-vermittelt wird die Bildung von mRNA-Spcies aktiviert, die für CYP-Enzyme codieren, vor das quantitativ wichtigste Phase 1-Enzym des Arzneistoffabbaus CYP3A4. Innerhalb von drei bis vier Tagen kommt es zu einer Neubildung von Enzym und damit zu einer beschleunigten Clearance von Arzneistoffen, die über das induzierte Enzym bevorzugt abgebaut werden. Klinisch bedeutsam ist auch, dass der induzierende Effekt abhängig von der Halbwertszeit des Enzyms anhält und dann abfällt, die so genannte Deinduktion. Im Einzelfall kann es durch Deinduktion zu einer Intoxikation kommen, wenn die Dosis nicht angepasst wurde.

Für die Behandlung von COVID-19 sind neue Therapeutika zugelassen worden. Ist mit bedeutsamen Wechselwirkungen mit Neuro/Psychopharmaka zu rechnen?

Bei den antiviral wirksamen Arzneistoffen wie Remdesivir oder Molnupiravir, die Nukleotidanaloga sind, ist mit keinen bedeutsamen Wechselwirkungen zu rechnen. Pharmakokinetisch bedeutsame Wechselwirkungen sind jedoch beim Einsatz von Lopinavir oder Nirmatrelvir zu erwarten, wenn Patienten mit Neuro/Psychopharmaka behandelt werden, die über die Enzyme CYP2C9, CYP2C19 oder CYP3A4 abgebaut werden. Lopinavir oder Nirmatrelvir werden zur Boosterung in Fixkombination mit Ritonavir verabreicht. Ritonavir induziert CYP2C9 und CYP2C19 und hemmt CYP3A4. Weiter ist zu beachten, dass es durch die Infektion mit SARS-CoV-2 zu einem Anstieg von Entzündungsmediatoren kommen kann (Zytokin-Sturm) mit der Folge einer verlangsamten Elimination von Arzneistoffen. Für Clozapin, Risperidon, Haloperidol, Duloxetin und Valproat gibt es Fallberichte die zeigen, dass die Blutspiegel während der COVID-19-Infektion anstiegen und Intoxikationssymptome auftraten.