Adipositas Grad I und II erhöhen Lebenszeitrisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen

Adipositas schadet der Gesundheit: So steigt die Wahrscheinlichkeit für "early vascular aging" mit dem BMI, auch das Lebenszeitrisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ist erhöht. Eine Adipositastherapie kann daher als Organprotektion dienen.

Die globale Adipositas-Pandemie

Die Adipositas zählt zu den "Wohlstandserkrankungen" und verbreitet sich um den Globus herum wie eine Pandemie. Die Prävalenzen der viszeralen Adipositas und der ektopen Fettverteilung nehmen stetig zu. Die Adipositas bildet gemeinsam mit dem Prä-Diabetes das Fundament für die Entstehung weiterer Erkrankungen sowie kardiovaskulärer Komplikationen. Diese können bereits vor der Diagnosestellung des Diabetes mellitus Typ 2 in Erscheinung treten. Der Statistik zu Todesursachen aus dem Jahr 2021 zufolge, befinden sich kardiovaskuläre Erkrankungen weiterhin an der Spitze der Liste.1

Adipositas Grad I und II verjüngt das Sterbealter

Epidemiologischen Studien zufolge ist eine Adipositas Grad I und II mit einem statistisch signifikant höheren kumulativen Morbiditätswert und höheren Gesundheitskosten im höheren Erwachsenenalter verbunden (verglichen mit Personen mit einem normalen BMI). In einer Kohortenstudie mit 29.621 Erwachsenen war eine Adipositas Grad I und II im Vergleich zu einer Gruppe mit normalem BMI mit einem früheren Sterbealter assoziiert. Die Datenanalyse dieser Kohortenstudie machte es möglich, Zeiträume von bis zu 55 Jahren zu betrachten und hieraus Schlüsse zu ziehen. Folgende Beobachtung kristallisierte sich ganz klar heraus: Die Höhe des BMI korrelierte positiv mit dem früheren zeitlichen Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen. Diese Beobachtung wird als „early vascular aging“ bezeichnet. Das Lebenszeitrisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wird dementsprechend durch einen höheren BMI angehoben.1,2

Adipositas bleibt nicht lange allein

Jacob betonte in seinem Vortrag, dass neben der Erhöhung des Lebenszeitrisikos für kardiovaskuläre Erkrankungen weitere Pathologien mit einer Adipositas Grad I und II verbunden sein können. Hierzu zählen u.a. Asthma, Gallensteine, Infertilität, GERD, NAFLD, onkologische Erkrankungen, Schlafapnoe, chronische Rückenschmerzen, Thrombosen, Prä-Diabetes sowie Diabetes mellitus Typ 2 (GERD = gastroösophageale Refluxkrankheit; NAFLD = nichtalkoholische Fettlebererkrankung). Mentale und mechanische Veränderungen des Körpers gehören ebenso dazu.1

Reduktion der kardiovaskulären Risikofaktoren durch Gewichtsabnahme bei Adipositas Grad I und II effektiv

Eine Gewichtsreduktion um 5 % geht bereits mit einer Senkung der Blutfettwerte, des Blutdrucks sowie der Blutglukose einher. Auch Entzündungsprozesse und die Insulinresistenz werden hierdurch reduziert. Die Subgruppen-Analyse der Look-Ahead-Studie konnte zeigen, dass bereits eine Reduktion um 10 % des Körpergewichts viele Vorteile mit sich bringt: Die Menge an notwendigen Medikamenten zur Senkung des Bluthochdrucks und des Blutzuckers konnte minimiert werden. In der SOS-Studie und in Real-World-Studien konnten bariatrische Interventionen bei zuvor super-adipösen Patienten zu einer Reduktion des Risikos für das Auftreten einer Herzinsuffizienz und eines Herzinfarkts führen sowie die Mortalität senken.1

SELECT-Studie: Semaglutid reduziert das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei Adipositas ohne Diabetes

In der SELECT (Semaglutide Effects on Heart Disease and Stroke in Patients with Overweight or Obesity)-Studie wurde Semaglutid mit einem Placebo als Ergänzung zur Standardbehandlung zur Vorbeugung schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (MACE) bei Patienten mit etablierter CVD und Übergewicht oder Adipositas verglichen. An der SELECT-Studie nahmen Personen (17605 Teilnehmer) mit Übergewicht oder Adipositas ohne Diabetes teil, die zuvor bereits einen Myokardinfarkt, einen Schlaganfall und/oder eine periphere Arterienerkrankung erlitten hatten. Das männliche Geschlecht überwog mit 72,5 %. Das Durchschnittsalter lag bei 61,6 Jahren und der BMI betrug im Durchschnitt 33,34 kg/m2. 76,3 % der Teilnehmer besaßen bereits einen Myokardinfarkt in ihrer Vorgeschichte. 24,3 % litten an einer Herzinsuffizienz, 8,6 % an einer peripheren Arterienerkrankung und bei 23,3 % lag anamnestisch ein Apoplex-Ereignis vor. 66 % der Personen befanden sich mit 5,7 %-6,4 % im Prädiabetesbereich: Mit steigendem HbA1c-Wert nahm auch die Prävalenz aller kardiovaskulärer Risikofaktoren zu. Die Semaglutid-Therapie ging in dieser komorbiden Patientengruppe mit einer Reduktion der MACE-Ereignisse um 20 % einher (verglichen mit dem Placebo).1,4

Adipositas: Fazit für die Praxis 

Referenzen:
  1. Jacob, Stefan, Prof. Dr. med., Adipositastherapie als Organprotektion, Kardiovaskuläre Prävention – Bevor es zu spät ist, Diabetes Herbsttagung 2023 in Berlin, 16:30 Uhr, 17. November 2023. 
  2. Khan SS. et al. (2022). Association of Body Mass Index in Midlife With Morbidity Burden in Older Adulthood and Longevity. JAMA Netw Open. 2022 Mar 1;5(3):e222318. 
  3. Lingvay I. et al. (2023). Semaglutide for cardiovascular event reduction in people with overweight or obesity: SELECT study baseline characteristics. Obesity (Silver Spring). 2023 Jan;31(1):111-122. 
  4. Ryan DH. et al. (2020). Semaglutide Effects on Cardiovascular Outcomes in People With Overweight or Obesity (SELECT) rationale and design. Am Heart J. 2020 Nov;229:61-69.

Diabetes Herbsttagung 2023: Appetit auf Gesundheit

Die Diabetes Herbsttagung findet vom 17. bis zum 18. November in Leipzig statt und legt den Fokus auf die Verbindung zwischen Diabetes und Ernährung. Die Veranstalter Deutsche Diabetes Gesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin stellen mit ihrem Programm die Bedeutung einer ganzheitlichen Herangehensweise in den Mittelpunkt. esanum berichtet von der DDG Herbsttagung. Hier finden Sie die aktuelle Berichterstattung.