Kopfschmerz und Sucht: Ein problematisches Paar. Dr. Karsten Henkel, Universitätsklinikum Aachen, erklärte auf dem Schmerzkongress die Grundlagen der Therapiekonzepte.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Aus psychiatrischer Sicht geht es um die gegenseitige Beeinflussung von Schmerz und Sucht. Verstärkt die Suchterkrankung das Schmerzerleben? Und umgekehrt: Sind Schmerzpatienten häufiger suchtgefährdet? Gibt es gemeinsame Ursprünge? Und damit schließlich: Gibt es die Möglichkeit einer gemeinsamen therapeutischen Nutzung ähnlicher Therapiemechanismen - sowohl medikamentös als auch psychotherapeutisch? Bei Patienten mit einem suizidalen Syndrom gibt es Hinweise dafür, dass ähnliche Mechanismen wie nach längerem Opioid-Gebrauch bei fortgeschrittenen Schmerzerkrankungen aktiviert sind. Diese Menschen haben auch eine stärker automatisierte Antwort auf Schmerzwahrnehmungen. Das Stress- und Angstsystem ist sehr aktiviert - weswegen chronische Schmerzen, aber auch Abhängigkeitserkrankungen zu einer erhöhten Gefahr für suizidale Handlungen führen. Und die Medikamente, die für diese Zustände notwendig wären, die könnten eine gemeinsame Wirkung nutzen.
Die Überträgerstoffe im Gehirn, die mit der Suchterkrankung zu tun haben, und jene, die mit Veränderungen im Schmerzsystem einhergehen, sind teilweise gleich. Zum Beispiel spielen dopaminerge Substanzen als Überträgerstoff eine Rolle, sie können zu bestimmten Empfindlichkeiten führen, zur Schmerzwahrnehmung beitragen. Das gilt auch für das Serotoninsystem. Diese interagieren untereinander. Das hat Auswirkungen auf die Behandlung. Ein Problem haben wir, wenn ein Patient beides hat: eine Sucht- und eine Schmerzerkrankung. Man würde zum Beispiel versuchen, den Opiatgebrauch zu reduzieren oder diese Substanzgruppe ganz abzusetzen, weil bekannt ist, dass Opioide über einen längeren Zeitraum zur verstärkten Scherzempfindlichkeit führen, was gerade bei Suchtpatienten zur Tendenz einer Erhöhung der Substanzmenge führt. Wenn sie aber reduziert werden sollen, auch um die Suchterkrankung zu behandeln, kann das zu vermehrten Schmerzen führen. Der Patient braucht ein gutes alternatives Konzept, um diese beiden Störungsbilder zu behandeln.
Es gibt ein Risiko, dass Patienten eine Abhängigkeit entwickeln. Von Daten aus den USA wissen wir, dass viele Patienten, die ohne Tumorschmerz Opioide erhalten, die Medikamente missbräuchlich verwenden - insbesondere solche, bei denen parallel Suchterkrankungen bestehen.
Schmerzbehandlungen sind multimodal. Medikation ist das eine, es gibt auch psychotherapeutische Behandlungen, das soziale Umfeld wird einbezogen, das ist eine große Herausforderung. Um langfristige Abstinenz von Suchtstoffen und gleichzeitig eine Schmerzkontrolle zu erreichen, ist es notwendig, dass beide Schienen genutzt werden - medikamentöse und nichtmedikamentöse. Das Verfahren ist aufwendig und interdisziplinär.
Sehr interessant sind die biologischen Zusammenhänge. Wir wissen bei manchen Erkrankungen, zum Beispiel bei Cluster-Kopfschmerz, noch nicht, warum manche Patienten vermehrt zu Suchtstoffen neigen, obwohl diese in manchen Fällen den Schmerz sogar verstärken können. Dafür muss es eine biologische Erklärung geben: Im Gehirn, in den Genen, in der Interaktion zwischen Überträgerstoffen wie dem Opioidsystem. Wenn wir mehr wissen über diese Ursprünge, dann können wir anhand dieser Mechanismen eine bessere pharmakologische Therapie entwickeln.
Es ist ungewöhnlich, dass eine rasche Verordnung von Cannabis ermöglicht wurde, ohne dass eine ausreichende Evidenz in der Schmerztherapie besteht. Einige Studien zeigen, dass es bei gleichzeitiger Opiatmedikation einen leicht additiven Effekt gibt. Für Cannabinoide allein gibt es keine große Evidenz, es sei denn für Subgruppen von Patienten mit einer Spastik oder einer multiplen Sklerose. Aber von einem allgemeinen, unkritischen Einsatz von Cannabis in der Schmerztherapie ist abzuraten – auch wegen der psychotropen Nebenwirkungen. Es ist in jedem Fall abzuwägen, ob der positive Effekt das Risiko der Nebenwirkungen rechtfertigt.
Dabei geht es um die Erforschung einer neuen Behandlungsoption beim Clusterkopfschmerz. Diese schwere Erkrankung führt zu erheblichen Beeinträchtigungen, es gibt eine erhöhte Suizidrate. Auf die derzeitigen Therapien sprechen zwar die meisten, aber nicht alle Patienten, gut an. Es scheint nun eine LSD-artige Substanz zu geben, die allerdings auch psychotrope Effekte zu haben scheint. Die Schwere des Krankheitsbildes rechtfertigt es, die Suche nach weiteren Behandlungsoptionen voranzutreiben.