Antikörper gegen Migräne: Welche Rolle spielt CGRP?

Das Calcitonin gene-related peptide (CGRP) wurde erstmals in den 1980er Jahren beschrieben. Seit seiner Entdeckung hat es eine wechselvolle Geschichte hinter sich und könnte nun sogar dank Erenumab eine neue Epoche in der Migränetherapie einleiten.

Deutlich weniger Akutmedikamente notwendig

Das Calcitonin gene-related peptide (CGRP) wurde erstmals in den 1980er Jahren beschrieben. Seit seiner Entdeckung hat es eine wechselvolle Geschichte hinter sich und könnte nun sogar dank Erenumab eine neue Epoche in der Migränetherapie einleiten, so lassen erste Ergebnisse aus Phase-II- und Phase-III-Studien zu diesem monoklonalen CGRP-Rezeptor-Antikörper erkennen.

Der mögliche Zusammenhang zwischen CGRP, als ein Bestandteil des trigeminovaskulären Systems, und Kopfschmerzen wird bereits seit 1988 diskutiert. Auf dieser Annahme basierten schließlich auch die ersten CGRP-Antagonisten, die für die akute Schmerztherapie entwickelt worden waren. Allerdings kam es bei der Anwendung dieser kleinen Peptide vermehrt zu Leberproblemen, sodass der Ansatz der CGRP-Antagonisten nicht weiter verfolgt wurde.

Beim CGRP handelt es sich um eine Splicevariante des Calcitoningens, welche ein kleines Neuropeptid hervorbringt, das elementar auch in Prozesse der Nozizeption involviert ist. CGRP wird vor allem bei Schmerzreizen ausgeschüttet, führt an Gefäßen zur Vasodilatation, und ist dadurch z. B. für das charakteristische Schmerzerythem mitverantwortlich. Die ursprüngliche Aufgabe dieser CGRP-vermittelten Prozesse ist allerdings, eine Reparatur der Schäden einzuleiten, die den Schmerzreiz ursächlich ausgelöst hatten.

In Untersuchungen entdeckte man später, dass CGRP ebenfalls im Jugularvenenplasma bei Migränepatienten erhöht war, sodass es sehr wahrscheinlich auch hierbei eine Rolle in der Schmerzsymptomatik spielte. Die Quelle des Peptids innerhalb des Gehirns blieb jedoch weiterhin unklar.

Der CGRP-Rezeptor und seine Verbreitung im Gehirn

Das Peptid CGRP wird immunhistochemischen Studien zufolge in Gehirnstrukturen, wie beispielsweise in der Dura mater, dem Ganglion trigeminale sowie der Medulla oblongata gebildet. Der zweite interessante Spieler ist der CGRP-Rezeptor, der nachweislich ebenfalls in diesen Gehirnabschnitten zu finden ist. Jedoch wird der Rezeptor stets nur in solchen Nervenzellen exprimiert, welche nicht selbst den Liganden, also das CGRP, herstellen und ausschütten. Daneben ist der CGRP-Rezeptor aber auch in arteriellen Gefäßen der Dura mater sowie in mononukleären Zellen des Immunsystems anzutreffen.

Die Aktivierung des Rezeptors bewirkt in erster Linie einen Anstieg der intrazellulären cAMP-Konzentration. Dieser Prozess ist experimentell sowohl durch die Hemmung des Liganden CGRP als auch durch Inhibition des CGRP-Rezeptors zu verhindern.

Der Hintergrund, dass CGRP und sein Rezeptor in Gehirnarealen zu finden sind, die für die Entstehung von Kopfschmerzen und Migräne mitverantwortlich gemacht werden und aufgrund des Umstands, dass man beide gezielt hemmen und damit Folgereaktionen aufhalten kann, machte das CGRP zu einem sehr interessanten Kandidaten für die Entwicklung einer möglichen Antikörpertherapie zur Migräneprophylaxe.

Aktuelle Daten zum Einsatz von Antikörpern bei Migräne

Die bisherige Datenlage zur Antikörpertherapie aus Phase-II- und Phase-III-Studien ist durchaus als vielversprechend einzuschätzen. So lag etwa die Responderrate der untersuchten Patienten bei mehr als 50 Prozent. Nach Auswertung der ersten sechs Studienmonate in einer Phase-III-Studie bei Patienten mit episodischer Migräne wurden in der CGRP-Antikörpergruppe insgesamt 3,7 Migränetage eingespart und die Episodenhäufigkeit um etwa die Hälfte reduziert.

Auch bei chronischer Migräne scheint die Antikörpertherapie innerhalb einer ersten Phase-II-Studie wirksam zu sein. Hier profitierten die Patienten von einer deutlichen Reduktion der Migränetage bei guter Verträglichkeit, denn weniger als 5 Prozent der Probanden mussten die Therapie abbrechen. Darüber hinaus benötigten die Patienten unter Antikörpertherapie weniger Akutmedikamente gegen die Migräne.

Besonders interessant ist aber auch das Ergebnis in Bezug auf Patienten mit übermäßiger Medikamentennutzung gegen Migräne. Diese profitierten von einer prophylaktischen Antikörpertherapie – und das ohne vorhergehende Detoxifikation.

Herz-Kreislauf-Sicherheit der CGRP-Rezeptor-Antikörper

Fragen zur Sicherheit der Antikörper kamen insbesondere deshalb auf, weil CGRP-Rezeptoren in sehr vielen Geweben und Organen des Körpers zu finden sind, z. B. im Herzen. Die Befürchtung, eine Hemmung des CGRP-Signals im Herzen könnte bei KHK-Patienten ebenso die Kardioprotektion blockieren, hatte sich in einer entsprechenden Studie nicht bestätigt. Daher scheint die Antikörpertherapie i. v. zum jetzigen Kenntnisstand keinen Einfluss auf eine bestehende KHK zu haben.

Stärken der CGRP-Rezeptor-Antikörper gegenüber etablierten Migräne-Therapien

Der neue Therapieansatz mithilfe von gegen den CGRP-Rezeptor gerichteten monoklonalen Antikörpern könnte die folgenden Vorteile gegenüber der konventionellen Migränetherapie bieten:

Quelle:

  1. IS07 "Monoklonale Antikörper gegen CGRP – für eine migränespezifische Prophylaxe", Deutscher Schmerzkongress 2017; 13.10.2017, Mannheim.