Seit der Veröffentlichung der beiden FDE Recommendations hat sich in der Deszensuschirurgie sehr viel verändert. Berücksichtigt man die heute in den OECD-Ländern zum Einsatz kommenden transvaginalen Meshes ist eines klar: Von Land zu Land werden sie unterschiedlich eingesetzt. Dabei schreiben die international akzeptierten Leitlinien eine klare Sprache: Netze für die Deszensuschirurgie sollten, wenn, dann in der Sekundärchirurgie eingesetzt werden.
In einigen Ländern, insbesondere in Großbritannien, ist die politische Diskussion mittlerweile soweit geführt, dass selbst die evidenzbasierte, als goldener Standard festgelegte, transvaginale Schlingenoperation nicht mehr durchgeführt werden darf. Diese Entwicklungen zeigen, dass uns selbst in einer Zeit der evidenzbasierten Medizin durch unkritische Äußerungen und Initiativen von Patientinnen und Patienten und politischem Druck, Indikationen vorgeschrieben werden und daraus letztlich resultierend den Ärztinnen/Ärzten auch Therapieempfehlungen aus der Hand genommen werden können, die aus evidenzbasierten Daten entstanden sind.
Fakt ist, dass die vaginale Deszensuschirurgie mit Eigengewebe eine durchaus sinnvolle Maßnahme darstellt. Dies wird auch durch die Leitlinie "Diagnostik und Therapie des weiblichen Descensus genitalis" der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG), die ebenfalls durch die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) und die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) unterstützt wird, bestätigt. Die Rezidivraten, die mit bis zu 30 Prozent in der Literatur angegeben werden, sind in die Aufklärung mit der Patientin einzubinden. Die konservative Therapie, allen voran die Deszensustherapie, stellt sicher die Primärtherapie dar.
Eine klare Entwicklung in den letzten zehn Jahren ist der dramatische Rückgang vaginal operativer Eingriffe. Dieser sollte bereits in der Ausbildung und in der Nachwuchsentwicklung entgegengehalten werden. Die vaginale Deszensuschirurgie stellt eine der Säulen unseres Faches dar. Sieht man sich die internationalen Publikationen an, die zwischen endoskopischen und vaginalen Verfahren vergleichen, so haben all diese Metaanalysen kritische Mängel aufzuweisen. Ein direkter Vergleich ist somit nur schwer zulässig, da es sich insbesondere bei den laparoskopierten Patientinnen um durchaus unterschiedlich behandelte Patientinnen mit verschiedenen Materialien, Techniken und Indikationen handelt. Der überwiegende Anteil der Patientinnen dieser Studien war bereits hysterektomiert. Aus den sechs randomisierten Studien, die 583 Patientinnen beinhalten, zeigen sich dahingehend Unterschiede, dass die Inzidenz erneuter Prolapsoperationen bei der Laparoskopie häufiger auftritt als bei der vaginalen. Dies verhält sich ebenso bei der Rezidiventstehung. Blasenverletzungen halten sich etwa die Waage und nach laparoskopischen Operationen treten gehäuft Belastungsinkontinenzen auf. Somit ist auch die endoskopische Technik nicht die Therapie der Wahl und es bedarf sicherlich noch besserer Materialien, mit denen auch transvaginal verträgliche Netze wieder weiterentwickelt werden können.
Zukünftige Studien müssen sich also auf eine einheitliche Kriteriendarstellung zur Rekrutierung von Patientinnen für Studien einigen, standardisierte Definitionen von Erfolg und Misserfolg festlegen und die Multizentrizität sollte sich dahin gehend äußern, dass die besten Operateure diese Eingriffe auch durchführen. Den derzeitigen Leitlinien entsprechend können sowohl die laparoskopische Sakrokolpopexie als auch die sakrospinale vaginale Fixation als gute Optionen in der Deszensuschirurgie eingesetzt werden. Transvaginale Meshes bleiben der Sekundärintervention vorbehalten. Mit Spannung warten wir auf die Ergebnisse der derzeit in Belgien laufenden Studien der Sakrohyteropexie im Vergleich zur sakrospinalen Hysterektomie, dem Lava Trial, der den direkten Vergleich beider Methoden herstellen wird.
Quelle: DGGG-Kongress 2018, Univ. Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Kölbl, Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemeine Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie, Universitätsklinik für Frauenheilkunde Wien