Im Stoffwechsel pathogener Bakterien entstehen bei Infektion der Harnwege sogenannte volatile organische Verbindungen (VOC). Diese verflüchtigen sich bei Erwärmung des Urins auf 37 °C und sind dann im Raum direkt über der Urinprobe messbar. Da das Urinkosten glücklicherweise bereits etwas aus der Mode gekommen ist, muss nun auch kein Arzt selbst an den Patientenproben schnuppern. Dies übernimmt e-Nose, ein experimentelles elektronisches "Riechorgan".
Forscher der Universität Marburg haben ein Panel aus 32 Polymersensoren entwickelt, die auf dem Prinzip der Mustererkennung basierend, bestimmte Stoffwechselprodukte im Urinüberstand messen und so Infektionen detektieren können.
Das Prinzip kennt die Medizin bereits von den Spürhunden, welche mit einer fast 73%-igen Sicherheit Tumorerkrankungen, wie das Blasenkarzinom, erschnüffeln konnten. Das Prinzip fußt dabei auf der Idee des "metabolischen Fingerabdruckes", den Tumoren und auch Entzündungen im Patienten hinterlassen. Die dabei freiwerdenden volatilen organischen Verbindungen (VOC) sind anschließend in der Atemluft, im Urin oder sogar in Faeces messbar.
Die experimentelle Marburger Spürnase ermittelt ebenfalls solche metabolischen Muster von Harnwegsinfektionen im Patientenurin. In einem ersten Versuch untersuchten die Forscher 71 Mittelstrahlurinproben von Patienten mit nachgewiesenem Harnwegsinfekt. Die Kontrollgruppe lieferte 55 Proben von Gesunden.
Das interessante an diesem Experiment war zudem, dass nur solche Urinproben eingeschlossen wurden, die einen Einzelkeimnachweis in der Urinkultur erbracht hatten. Dadurch wussten die Mediziner zu jeder Zeit, welcher Keim beim jeweiligen Patienten in der Hauptmasse auftrat.
Die elektronische Spürnase unterschied zwischen Infektion und gesund mit einer Spezifität von 77,3% und einer Sensitivität von 81,7%. Für die breite Anwendung in der Praxis ist das Verfahren aufgrund dieser Werte sicher noch nicht geeignet, jedoch ist es bereits positiv, dass die e-Nose zwischen infiziert und gesund zu diskriminieren in der Lage war. Darüber hinaus scheint ein direkter Zusammenhang zwischen Keimzahl und Detektionsrate zu bestehen, d. h.: Je höher die Keimzahl in der Probe, desto besser war diese als infiziert zu detektieren.
Besser schnitt das Verfahren aber beim Nachweis des Blasenkarzinoms ab. Hierzu wurden 30 Morgenurinproben von Patienten mit nachgewiesenem Blasenkarzinom vor Durchführung einer TUR-B untersucht. Im Ergebnis detektierte die Spürnase die Proben der Tumorpatienten mit einer Sensitivität und Spezifität von > 90%. Tumorstadium und Grading konnten mithilfe der VOC-Messung selbstverständlich nicht ermittelt werden.
Die Messung volatiler Stoffwechselprodukte in Urinproben von Patienten mit Harnwegsinfektionen könnte in Zukunft dabei helfen, eine mikrobielle Bestimmung direkt am Krankenbett vorzunehmen. Studien zeigten hierzu bereits, dass unterschiedliche Bakterienspezies auch verschiedene metabolische Muster erzeugen. Bis zur Praxisreife sind jedoch noch eine ganze Reihe weiterer Studien nötig – vielversprechend sind die ersten Ergebnisse aus Marburg aber allemal.
Quelle:
V40 "Infektiologie in der Urologie", Diagnostik von Harnwegsinfektionen mittels VOC: Pilotstudie mit einer elektronischen Nase. (H. Heers), DGU-Kongress, 28.09.2018, Dresden