Sexualität und Krebs: Raus aus der Tabuzone, rein ins Leben

KrebspatientInnen ein Gespräch über ihre Sexualität anzubieten, ist nicht unethisch, sondern Grundlage für deren Krankheitsbewältigung und die Stärkung der ihnen Halt gebenden Partnerschaften.

KrebspatientInnen ein Gespräch über ihre Sexualität anzubieten, ist nicht unethisch, sondern Grundlage für deren Krankheitsbewältigung und die Stärkung der ihnen Halt gebenden Partnerschaften. 

Tumorerkrankungen und Sexualität haben etwas ganz Entscheidendes gemeinsam: Leider wird über beides nur ungern gesprochen, denn sie gelten als gesellschaftliche Tabuthemen. Dennoch ist gerade eine gelebte Sexualität bzw. Intimität sehr häufig auch Grundstock für Bindung, Nähe und Halt in schweren Lebenskrisen, wie sie beispielsweise infolge einer Krebserkrankung auftreten. Sex ist wichtig, auch für Patienten. Sexualität ist zu einem gewissen Anteil ebenso Kopfsache. Reden kann also helfen, Ängsten und Sorgen zu begegnen. Mit der Frage, wie es Ihrem Patienten / Ihrer Patientin aktuell in der Partnerschaft geht, öffnen Sie eine Tür, ohne gleich mit dieser ins sprichwörtliche Haus zu fallen.

Sexualität ist ein Teilaspekt der menschlichen Gesundheit. Die sexuelle Gesundheit wiederum hängt ab von vielfältigen biologischen, sozialen, sexuellen, spirituellen, emotionalen und psychischen Aspekten. Und Sexualität selbst hat gesundheitsverbessernde Effekte, z. B.:

Insgesamt, so zeigen Studien, gibt es bis zu 237 Gründe, um Sex zu haben, zum Stressabbau, um Bindung und Liebe Ausdruck zu verleihen, um Halt zu geben, oder auch, um Kontrolle und Macht über andere auszuüben. Schnell wird dabei klar, dass Tumorpatienten in einer intakten Partnerschaft sehr stark von den positiven Wirkungen einer gelebten Sexualität profitieren werden. Sexualität kann Motivator und eine wertvolle positive Kraftreserve sein.

Tumorerkrankungen und deren Therapien wirken der Sexualität entgegen

Wer an malignen Tumoren erkrankt ist, erlebt hingegen, wie die Krankheit massiv auf die körperliche, psychische und soziale Integrität einwirkt. Gleichermaßen hinterlassen die Therapien ihre Spuren. Unter Antihormontherapie verlieren Patienten beispielsweise ihre Lust, das Blutbild und die Durchblutung verändern sich, woraus nicht selten Scheidentrockenheit, Geschmacksverlust und erektile Dysfunktion resultieren. Hinzu treten nicht selten Schmerzen, Angst und Unsicherheit, Narben und andere chirurgische Folgen der Krebstherapie, z. B. Stomabildung.

In der Folge sinkt das Selbstwertgefühl, der erkrankte Körper wird von der eigenen Psyche dissoziiert wahrgenommen und selbst die Partnerschaft kann am Ende unter der schweren Krankheit leiden. So werden aus initial einem Patienten am Ende zwei Betroffene.

Was können behandelnde Ärzte tun im Sinne einer sexuellen Gesundung bei Krebs?

Sexualität und Krebs ist ein alltägliches Thema für Onkologen und andere begleitende Ärzte. Doch Schweigen ist der falsche Weg. Sprechen Sie mit Ihren PatientInnen über dieses Thema. Der Satz "Wie geht es Ihnen mit Ihrer aktuellen Partnerschaft?" ist dafür ein guter Türöffner.

Es gilt in erster Linie, Ängste und Sorgen abzubauen, den Verzicht auf Sex durch einen Sex nach Möglichkeiten zu ersetzen. Die PatientInnen werden dadurch langsam ein eigenes, neues Ich-Bewusstsein aufbauen und dann bereit dafür sein, gemeinsam mit dem jeweiligen Partner ebenso das neue Wir zu entdecken.

Neben dem förderlichen und unterstützenden Gespräch, gilt es ebenso an einem bejahenden Körperbild zu arbeiten. Die PatientInnen müssen sich selbst neu kennenlernen. Bis zu 75% der Menschen mit Krebs wünschen sich, vom behandelnden Arzt auf das Thema Sexualität angesprochen zu werden, so die Studienlage. Nehmen Sie Zeit und Druck heraus, geben Sie, wenn möglich ganzheitlich orientierte onkologische Rehabilitationsoptionen, z. B. PDE-5-Hemmer, Gleitgels und ähnliches, um die Sexualität, vor allem aber auch die sexuelle Selbstbestimmung trotz Erkrankung zu unterstützen.

Wann sollten Ärzte am besten das Gespräch anbieten bzw. suchen? Nun nach der Operation oder der Chemotherapie ist es zu spät, über die Folgen und den Umgang damit zu sprechen. Daher sollte ein entsprechendes Angebot für Gespräche bereits nach der Diagnosestellung gemacht werden. Ganz wichtig dabei: Es gibt auch Lösungen für die Probleme in der Sexualität trotz Krebs und trotz der häufig nebenwirkungsreichen Therapien.

Quelle:
Workshop "Sexualität bei Krebserkrankungen – raus aus der Tabuzone", DGHO-Kongress, 30.09.2018, Wien