Eine unmissverständliche Patientenverfügung ist mit rein situativen Ankreuzmöglichkeiten nicht zu erreichen. Allein die Frage nach dem unumkehrbaren Sterbeprozess stellt Rettungsmediziner regelmäßig vor Probleme. Zwar sagt auch die Bundesärztekammer, dass ein offensichtlicher Sterbevorgang nicht durch lebenserhaltende Maßnahmen künstlich verlängert werden soll. Doch wann beginnt das Sterben?
Fragen zur Behandlung oder Nicht-Weiterbehandlung im Endstadium unheilbarer Erkrankungen sind oft unscharf formuliert und helfen in der Akutsituation, z. B. nach einem Unfall, nicht weiter. Ganz ähnlich verhält es sich bei Gehirnschäden und dem unwiederbringlichen Verlust von Gehirnleistungen. Viele Neurologinnen und Neurologen werden Ihnen auf die Frage, wann eine Gehirnleistung unwiederbringlich erloschen ist, zumeist antworten, dass man da unter einem halben Jahr keine Voraussagen treffen könne. Für die akute Notfallversorgung also ebenfalls ein ungeeigneter Entscheidungsparameter.
Das häufig im Vordruck zur Patientenverfügung benannte Vier-Augen-Prinzip in der Beurteilung eines Patienten greift zumindest in der Notfallmedizin in der Regel nicht. Rettungsärztinnen und –ärzte fahren meist allein und auch im Bereitschaftsdienst gibt es kein zweites Augenpaar zur Beurteilung eines Patienten.
Dies alles begrenzt die Bindungswirkung der Patientenverfügung in den allermeisten Fällen auf die konkrete Einwilligung oder Versagung zu bestimmten bevorstehenden medizinischen Maßnahmen. Erklärt der Patient vorab pauschal, keine Apparatemedizin erhalten zu wollen, ist dies zu unkonkret, um daraus bindende Behandlungsentscheidungen abzuleiten. Stattdessen ist es ratsam, Patientinnen und Patienten dahingehend zu beraten, bestimmte ärztliche Maßnahmen zu konkretisieren oder sich auf eine bestimmte Behandlungssituation zu beziehen.
Patientenverfügungen sollen vor allem eines sein: konkret. Die Realität sieht aber in fast allen Fällen ganz anders aus. Medizin im Grenzbereich des Lebens ist sehr komplex und nicht bis ins Detail vorhersagbar. Wenn-dann-Beziehungen sind in den seltensten Fällen am Lebensende erfüllt.
Die allseits beliebten Ankreuzfragen vermitteln darüber hinaus zwar Standardisierung, aber umreißen viele Zusammenhänge am Lebensende doch nur grob. Die Inhalte der Patientenverfügung müssen vielmehr zwischen Arzt und Patient diskutiert und Fragen geklärt werden.
Patientinnen und Patienten sollten die Möglichkeit nutzen, ihre Sicht auf das Leben ausführlicher zu erläutern. Eine Patientenverfügung und die Sicht auf das Leben und das Sterben können sich im Laufe eines Lebens wiederholt ändern. Stimmt meine Sichtweise noch mit meiner Patientenverfügung überein? Gerade im hohen Alter könnten „lebenssatte“ Menschen zu den Maßnahmen am Lebensende anders entscheiden.
Patientinnen und Patienten sollten daher mehr aus ihrer Gefühls- und Gedankenwelt preisgeben, wenn sie eine Patientenverfügung verfassen. Welche Einschränkungen im Leben sind für Sie noch akzeptabel? Was bedeutet ein „gelungenes Leben“ für Sie? Was ist Ihnen essenziell wichtig?
Eine unmissverständliche Patientenverfügung sollte drei wesentliche Punkte beachten:
Damit berührt auch die Patientenverfügung nicht zuletzt die zwei Säulen ärztlichen Handelns: Patientenwille und Indikationsstellung oder anders gesagt, Autonomie und Fürsorge. Beides wird bestenfalls in Einklang gebracht und in die tägliche Praxisarbeit einbezogen. Beides gemeinsam definiert dann letztlich ebenso die medizinische Maßnahme oder deren Versagung.
Quelle:
Lärmer J. Grenze(n) des Lebens – wie schreibt man eine unmissverständliche Patientenverfügung? DGIM 2022, Wiesbaden