Die Ziele einer präventiven Ernährung dürften uns allen klar sein. Doch wie genau können diese erreicht werden. Welche Ratschläge dürfen wir unseren Patienten im klinischen Alltag mit auf den Weg geben? Dr. med. Stefan Kabisch geht in seinem Vortrag akribisch genau auf den Einfluss von Nahrungsfett und Kohlenhydraten auf die menschliche Gesundheit ein.1
In Beobachtungsstudien wurden verschiedene spezifische Nahrungsmittel hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Entstehung oder Prävention einer Erkrankung untersucht. Wie zu erwarten zählt Zucker und rotes – v. a. verarbeitetes – Fleisch zu den ungünstigen Nahrungsmitteln im Hinblick auf die Entstehung von Krebserkrankungen, Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2, sowie kardiovaskulären Erkrankungen. Erstaunlicherweise scheinen geringe Mengen Alkohol präventiv zu wirken. Auch Kaffee (unabhängig vom Koffeingehalt) und unlösliche Ballaststoffe wurden in den epidemiologischen (Beobachtungs-)Studien als positiv bewertet. Diese spezifischen Nahrungsmittel wurden in Interventionsstudien erneut untersucht mit einem ernüchternden Ergebnis: Sicher ist weiterhin, dass Zucker krankheitsfördernd und Ballaststoffe präventiv wirken. Zu folgenden Nahrungsmitteln ist die Datenlage jedoch unklar: Süßstoffe, rotes – insbesondere verarbeitetes – Fleisch, Kaffee und geringe Mengen an Alkohol.1
Die Seven-Country-Study aus den 60ern hat an 12.000 mittelalten Männern den Effekt von Nahrungsfett auf die Gesundheit untersucht. Die Nahrungsfettaufnahme korrelierte positiv mit der Sterberate der Studienteilnehmer (siehe Abbildung 1 linkes Diagramm). Bereits damals haben sich Kritiker dieser Studienergebnisse zu Wort gemeldet und eine Gegenanalyse mit Datenergänzung aus weiteren Ländern dieser Welt publiziert (siehe Abbildung 1 rechtes Diagramm).
Weitere Kritikpunkte waren, dass ausschließlich das männliche Geschlecht untersucht wurde. Daher wurde die Seven-Country-Study unter verschiedenen kritischen Gesichtspunkten repliziert. Die Seven-Country-Study, die Framingham-Study und die Women´s Health Initiative kamen zu folgenden Ergebnissen:
Da die Zuckerindustrie damals großen Einfluss auf die low-fat-Theorie hatte sind die Ergebnisse zum Einfluss der Nahrungsfettaufnahme auf kardiovakuläre Erkrankungen mit großer Vorsicht zu betrachten. Die Ergebnisse heutiger Studien sehen eine deutlich geringere Verbindung zwischen gesättigtem Fett und der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen und dem Diabetes mellitus Typ 2. Kabisch merkt an, dass wenn man sich die Metaanalysen hierzu anschaut, der Effekt von gesättigten Fettsäuren auf die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2 sogar verschwindet.1
Eine Beobachtungsstudie* zum Einfluss von Kohlenhydraten auf die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2 kam zu einem interessanten Ergebnis: Ein zu hoher und auch ein zu niedriger Kohlenhydratkonsum erhöhen das Mortalitätsrisiko (siehe Abbildung 2).1
Abbildung 1: Korrelation zwischen Nahrungsfettaufnahme und Mortalität.
Abbildung 2: Dargestellt ist die Assoziation zwischen Kohlenhydratzufuhr und Mortalitätsrisiko. Das Optimum liegt bei etwa 50 Energieprozent.1
Eine tierisch geprägte low-carb-Ernährung besitzt das größte Mortalitätsrisiko und eine pflanzlich basierte geprägte low-carb-Ernährung das geringste Mortalitätsrisiko. Kabisch kritisiert die residuellen Confounder dieser Beobachtungsstudien. Er weist das Auditorium auf die großen methodischen Unterschiede zwischen den Studien hin. Auch sei eine pflanzlich basierte geprägte low-carb-Ernährung in Realität kaum durchzuführen. Lediglich Interventionsstudien können hier für Klarheit sorgen.1
(*Die ARIC-Studie wurde durch Metaanalysen weiterer Kohortenstudien ergänzt.)
Kabisch stellt die Daten 7 internationaler großer randomisierter klinischer Studien mit einer Follow-up-Zeit von bis zu 30 Jahren vor, um das Geheimnis hinsichtlich des Einflusses einer low-fat-Ernährung auf die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2 zu lüften. Alle 7 Studien kommen zu dem Ergebnis, dass eine low-fat-Ernährung vor der Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2 schützen kann: Das Diabetesrisiko kann um etwa 40-50% gesenkt werden.1
Die Interventionsstudie LookAHEAD mit einer Dauer von etwa 11,5 Jahren und insgesamt 5.145 bereits an DM II erkrankten Patienten kam zu einem ganz anderen Ergebnis: Die Nahrungsfettaufnahme hat bei Diabetikern vom Typ 2 keinen signifikanten Einfluss auf das Mortalitätsrisiko. Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen hatten sogar – verglichen mit der Kontrollgruppe – ein erhöhtes Mortalitätsrisiko durch die Intervention. Das ist umso erstaunlicher, wenn man sich den Einfluss der Intervention auf die Surrogatparameter anschaut. Hier hat die Interventionsgruppe profitiert: Die Patienten haben abgenommen, das metabolische Syndrom und der Hba1c-Wert sind zurückgegangen und dennoch war kein signifikanter Effekt auf die Mortalität zu erkennen.
Der kardiovaskuläre Benefit war bei einem Gewichtsverlust von ≥ 10 kg am stärksten. Die Intervention führte auch zu einem Benefit im Hinblick auf die chronische Nierenerkrankung, die Neuropathie und die Diabetesremission. Die LookAHEAD-Studie brachte ein weiteres interessantes Ergebnis hervor: Bei den adipösen Patienten führt die intensive Intervention mit Gewichtsreduktion zwar zu einer Reduktion des kardiovaskulären Risikos, doch gleichzeitig steigt auch das Demenzrisiko.1
Das Minnesota Coronary Experiment bahnte sich seinen Weg in den öffentlichen Fokus, nachdem es ein halbes Jahrhundert im Keller eines Forschers vergraben war. Bei dem Minnesota Coronary Experiment handelt es sich um eine große Interventionsstudie mit ca. 9.400 Patienten. Die Studienteilnehmer wurden für ein Jahr entweder in die Interventionsgruppe oder in die Kontrolldiät-Gruppe eingeteilt. Die Intervention sah eine Serumcholesterin-senkende Diät vor, bei der gesättigte Fette durch Linolsäure (aus Maisöl und mehrfach ungesättigte Maisölmargarine) ersetzt wurden. Die Kontrolldiät enthielt einen hohen Anteil an gesättigten Fetten aus tierischen Fetten, herkömmlichen Margarinen, sowie Backfetten. Es zeigte sich eine Zunahme der Sterblichkeit der Interventions-Gruppe in der Gesamtkohorte. Dies galt vor allem für ältere und weibliche Patienten.1
Die PREDIMED-Studie hat den Einfluss einer mediterranen Ernährung auf das kardiovaskuläre Risiko untersucht. Durch eine mediterrane Ernährung kann das kardiovaskuläre Risiko gesenkt werden. Hierbei handelt es sich um eine moderate low-carb-Diät. In der PREDIMED-Studie wurde 1 Liter Olivenöl pro Woche bzw. eine Hand voll Walnüsse pro Tag konsumiert. In den Metaanalysen bestätigt sich der präventive Effekt der Mittelmeerdiät.1
Gemüse, pflanzliches Öl, Fisch, Vollkornprodukte, etwas Obst, Milchprodukte, wenig rotes Fleisch, kaum Zucker, kaum hochverarbeitete Lebensmittel.1
Zur low-carb-Ernährung wurden rund 150 Studien publiziert. Die Auswertung von 70 Metaanalysen ergab folgende Ergebnisse: Die low-carb-Ernährung senkt in den ersten 6 Monaten das Körpergewicht besser als die low-fat-Ernährung. Bei DM II ist hier jedoch kein Unterschied messbar. Bei älteren Patienten kann durch die low-carb-Ernährung der Hba1c und die Nüchternglukose gesenkt werden. Die low-carb-Ernährung geht mit einem Trend zur besseren Blutdruckreduktion und Diabetesremission einher. Sie geht ebenso einher mit einer stärkeren Reduktion der Triglyceride und einer LDL- und HDL-Zunahme. Es gibt jedoch kaum Langzeitdaten (> 1 Jahr) zur low-carb-Ernährung. Auch gibt es kaum Daten zur ketogenen Ernährung. Wir wissen aktuell auch nicht genau, welchen Einfluss eine low-carb-Ernährung auf die Nierenfunktion, Entzündungsprozesse und Entwicklung einer Fettleber hat.1
Quelle:
Stefan Kabisch, Dr. med., Studienarzt/Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Ziele der präventiven Ernährung – und wo sind die Grenzen?, Welche Ernährung zur Prävention – ketogen, mediterran,...?, 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 11:10 Uhr, 03. Mai. 2022.
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