Die Erkenntnis, dass ein erhöhter LDL-Spiegel schlecht für die Herzgesundheit ist, ist nicht neu. Die Hypercholesterinämie trägt wesentlich zur Entstehung von Herzinfarkten und anderen kardiovaskulären Ereignissen bei. Im Durchschnitt liegt der Wert bei Erwachsenen um 130 mg/dl. Der Zielwert sollte allerdings bei um die 55 mg/dl liegen.
Kinder, die an einer familiären Hypercholesterinämie leiden, haben sogar noch höhere LDL-Werte, bei der homozygoten Variante bis zu 1000 mg/dl. Eine frühe Erkennung, zum Beispiel in der U9, ist hier elementar.
Experten gehen davon aus, dass die kumulative Cholesterindosis für das ganze Leben etwa 8 Gramm ist. So wäre davon auszugehen, dass jemand, der einen LDL-Cholesterin-Spiegel von 100 mg/dl hat, in seiner achten Lebensdekade Atherosklerose entwickelt, während dies bei einem Wert von 200 mg/dl bereits auf das vierte Jahrzehnt zutrifft.
Basierend auf randomisierten klinischen Studien ist der Zielwert für LDL-Cholesterin 55 mg/dl. Zur Behandlung der Hypercholesterinämie wird in den meisten Fällen eine Stufentherapie angewendet:
Trotz dieser eskalativen Behandlung erreichen in Deutschland über 80% der Hochrisikopatienten den Zielwert nicht. Ursache hierfür ist unter anderem, dass die Therapie nicht individualisiert genug ist. Nicht jedes Arzneimittel erzielt bei jedem Menschen denselben Erfolg. So senkt zum Beispiel 40 mg Atorvastatin den LDL-Wert im Durchschnitt um 50%, jedoch gibt es sowohl Patienten, bei denen eine 80%ige Reduktion erfolgt als auch Menschen, deren Cholesterinwert unter Statinen steigt. Ähnliches gilt für die anderen Arzneistoffe.
In Anbetracht des unterschiedlichen Ansprechens auf die Cholesterin-Therapie ist es umso wichtiger, den Zielwert im Auge zu behalten. Behandelnde sollen die Fettwerte ihrer Patienten regelmäßig kontrollieren und die Medikation, wenn nötig, anpassen.
In Jena wurde deshalb die Jena-auf-Ziel-Studie durchgeführt, bei der jeder Herzinfarktpatient einen Lipidpass erhielt und direkt auf eine Kombinationstherapie für die Hypercholesterinämie eingestellt wurde. In den Pass wurden jeweils die Lipidwerte eingetragen, was die Einbindung des Betroffenen in die Therapie ermöglichte. Darüber hinaus erfolgte Edukation bezüglich Cholesterinwerten und dem damit verbundenen Risiko.
Das Behandlungsprotokoll der Studie bestand in der Gabe einer Kombination von Atorvastatin 80 mg plus Ezetimib 10 mg, welche nach Entlassung fortgeführt wurde. Ein Lipidprofil wurde bei Aufnahme, Entlassung, nach sechs bis acht Wochen, sechs Monaten sowie 12 Monaten bestimmt und jeweils in den Pass notiert.
Über einen Zeitraum von einem Jahr konnte so bei 100% der Patientinnen und Patienten der LDL-Cholesterin-Zielwert von 55 mg/dl erreicht werden. Bereits nach fünf Tagen hatten etwa 40% der Erkrankten bereits den Zielwert erreicht. Diejenigen, welche nach sechs Wochen noch nicht bei einem Spiegel von 55 mg/dl angelangt waren, erhielten eine Eskalationstherapie mit entweder Bempedoinsäure oder PCSK-9-Hemmern.
Die Arzneitherapie wurde in der Regel gut vertragen, nur in einer geringen Anzahl der Behandelten kam es zu Muskelschmerzen oder anderen Nebenwirkungen. Die Mediziner führen dies auf einen psychischen Effekt zurück, den die Patientenbeteiligung auslöst als auch darauf, dass eine hochdosierte Therapie weniger Gefährlichkeit der Arzneimittel suggeriert als ein langsames höher dosieren.
Eine zielwertorientierte Therapie der LDL-Hypercholesteriämie ist wichtig und unter einer Medikation von 80 mg Atorvastatin/10 mg Ezetimib kann die Marke von 55 mg/dl innerhalb von sechs Wochen in 80% der Patienten erreicht werden. In einer schwedischen Studie konnte durch die Senkung von LDL um 80 mg/dl die Gesamtsterblichkeit von post-Herzinfarktpatienten um über 65% reduziert werden. Daher sollten die Leitlinien zur Behandlung der Hypercholesterinämie angepasst werden.
Quelle:
Session: Das Präventionsdilemma – Herausforderungen im kardiovaskulären Risikomanagement
Weingärtner, Oliver, Prof. Dr. med., Universitätsklinikum Jena, Modernes Lipidmanagement 2022 – Challenge oder Chance dank neuer Behandlungspfade? 128. Kongress der DGIM, 02.05.2022