Cardiolotse – funktioniert das innovative Versorgungskonzept?

Bei kardiologischen Erkrankungen kommt es durch den Verlust von Information oft zu mangelnder Compliance bezüglich der Medikamenteneinnahme sowie zur stationären Wiederaufnahme von Patienten. Kann das Cardiolotsen-Modell einen Unterschied machen?

Das sollten Sie über die Cardiolotsen-Studie wissen:

Problematik der Rehospitalisierung

Es wird geschätzt, dass es bei etwa einem Viertel aller kardiologischen Krankenhauspatientinnen und -patienten innerhalb eines Jahres zu einer erneuten stationären Aufnahme kommt. Dies kann unterschiedlichen Umständen geschuldet sein, jedoch spielt sicherlich der Verlust von Informationen zwischen der Entlassung aus dem Krankenhaus und der Anbindung beim Fach- oder Hausarzt eine Rolle. Von diesem Effekt scheinen vor allem bildungsfernere Schichten betroffen zu sein. 

Um dem Trend Einhalt zu gebieten, wurde in den Vivantes-Kliniken Berlin in Zusammenarbeit mit der TU München sowie der AOK das Berufsbild des Cardiolotsen ins Leben gerufen.

Was sind Cardiolotsen?

Cardiolotsen übernehmen die 1:1-Betreuung eines Patienten und assistieren in der Übergangszeit von Krankenhaus zu ambulanter Versorgung. So nehmen sie zum Beispiel Kontakt zum Haus- oder Facharzt auf, vereinbaren Termine oder sprechen mit Sozialdiensten. Auch können Absprachen bezüglich Medikamenten sowie die Anbindung an Bewegungstherapien und -angebote erfolgen. Auf eine App wurde bewusst verzichtet, um besonders älteren und bildungsferneren Patienten ein niederschwelliges Angebot machen zu können.

Das Ziel des Projektes war die Reduktion der Rehospitalisierungsrate, der Morbidität und der Krankenhausverweildauer sowie die Steigerung der Lebensqualität. Andere Parameter werden derzeit noch ausgewertet. 

Wie wurde die Studie durchgeführt?

In die Untersuchung eingeschlossen wurden volljährige Vollversicherte der AOK mit einer kardiologischen Indexdiagnose nach einem vollstationären Aufenthalt in einer der Berliner Vivantes-Kliniken. Sie wurden eins zu eins mit einer Kontrollgruppe gepaart, denen kein Cardiolotse zur Verfügung stand. 

Betroffene wurden über den Zeitraum von einem Jahr betreut und in regelmäßigen Abständen von den Lotsen kontaktiert. 

Demographisch ergab sich ein kohärentes Bild von älteren, bildungsfernen Patienten mit einem Durchschnittsalter von 72 Jahren.

Ergebnisse

In der Interventionsgruppe konnten die Rehospitalisierungen um 8% gesenkt werden. Berücksichtigt man nur die Wiederaufnahme wegen kardiologischer Indexdiagnosen, reduziert sich die Rate um 11%, wobei die zugrundeliegende Indexerkrankung hier nur eine untergeordnete Rolle spielt:

Darüber hinaus kam es in der Kontrollgruppe zu mehr Todesfällen. Hier verstarben 278 Patienten, während die Anzahl in der Interventionsgruppe bei 237 lag. Der Nachbeobachtungszeitraum von einem Jahr scheint für eine abschließende Beurteilung der Mortalität allerdings zu kurz. 

Jedoch spielt nicht nur die Mortalität eine wichtige Rolle. Die Lebensqualität von Betroffenen wird auch von der Verweildauer im Krankenhaus beeinflusst. Diese konnte bei Wiederaufnahme mit identischer Diagnose bei Patienten in der Interventionsgruppe immerhin um etwa zwei Tage gesenkt werden. 

Sämtliche Ergebnisse zeigten keine statistische Signifikanz, jedoch einen eindeutigen Trend. Bei der Reduktion der Rehospitalisierungsrate um 11% lag der p-Wert bei 0,1.

Schlussfolgerung

Durch die Einführung des Cardiolotsen konnten Krankenhauswiederaufnahmeraten, Verweildauern und Mortalität gesenkt werden und Patienten zeigten sich subjektiv zufriedener. Weitere Auswertungen der Daten müssen noch erfolgen, ebenso die gesundheitsökonomische Analyse.

Quelle:
Darius, Harald, Prof. Dr., Cardiolotse: Ein innovatives sektorenübergreifendes Versorgungskonzept für kardiologische Patienten, 88. Jahrestagung der DGK, Mannheim, 23.04.2022