Dass die Verbreitung der Arteriosklerose auch unter primär als gesund eingestuften Individuen hoch ist, ist keine neue Erkenntnis, wie diverse Forschungsarbeiten zeigen konnten. So wurde etwa nachgewiesen, dass etwa ein Drittel der über 65-Jährigen an einer subklinischen Veränderung der Gefäße leidet.
Wie signifikant sich das auswirken kann, belegte eine amerikanische Studie: Die Mehrheit der analysierten Personen, die an einem plötzlichen Herztod als Erstmanifestation einer KHK verstorben waren, galten anhand des Framingham-Risiko-Scores nicht als hochgefährdet.
Dass etablierte Risiko-Scores möglicherweise nicht genügen, um die Betroffenen früh zu selektieren und rechtzeitig einer Therapie zuzuführen, wurde auch durch Daten der schwedischen SCAPIS-Studie bestärkt. 42% der 25.0000 beschwerdefreien Teilnehmenden im Alter zwischen 50 und 64 Jahren wiesen koronare Plaques in der CT-Angiografie auf. Hierunter fanden sich bei 5% der Kohorte relevante Stenosen und bei 2% ein hohes Risiko für einen Myokardinfarkt (z. B. aufgrund einer Hauptstammstenose).
Diese Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass ein beträchtlicher Teil der behandlungsbedürftigen Individuen bisher durch das diagnostische Raster fällt.
Um derartige Risikopatienten mit subklinischer Arteriosklerose zu detektieren, bietet sich die nicht invasive Bildgebung in Form des Herz-CTs an. Wann und für wen eine derartige Diagnostik infrage kommt, klärt die aktuelle europäische Leitlinie der ESC zur Prävention kardiovaskulärer Krankheiten. Diese besagt, dass im Bereich der Primärprävention die Koronarkalkmessung mittels CT als Ergänzung bei Personen, deren Risikostratifizierung nach konventioneller Beurteilung grenzwertig ist, in Erwägung gezogen werden kann. Durch eine derartige Untersuchung kann der Risiko-Score reklassifiziert werden und somit ein Up- oder Downgrading die Folge sein. Die CT-Koronarangiografie kann folglich in diesen individuellen Fällen bei der Therapieplanung wegweisend sein.
Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Diagnostik ist die neue Definition der Arteriosklerose. Demnach kann die Gefäßveränderung klinisch oder mittels Bildgebung nachgewiesen werden. Als Verfahren kommen neben dem Ultraschall bei V. a. Carotis-Arteriosklerose und der invasiven Koronarangiografie auch die Kardio-CT infrage. Lassen sich mit einer der genannten Untersuchungen Plaques darstellen, gilt die Diagnose als bestätigt.
Die CT-Koronarangiografie kann nicht nur die Folgen der Arteriosklerose wie Ischämien, Narbenbildung oder Wandbewegungsstörungen identifizieren, sondern auch direkt die vaskuläre Erkrankung sichtbar machen. Die Anatomie lässt sich durch dieses Verfahren so detailliert darstellen, dass die radiologische Untersuchung mit dem derzeitigen Goldstandard der Gefäßdarstellung, der invasiven Koronarangiografie, mithalten kann. Allerdings liegt bisher keine ausreichende Evidenz für die Kardio-CT vor, sodass sie als standardisierte Bildgebung zur Beurteilung der subklinischen Arteriosklerose nicht Einzug in die europäische Leitlinie gefunden hat. Als mögliche Ergänzung zur Risikostratifizierung bei grenzwertigem Score kann die CT-Angiografie aber durchaus herangezogen werden.
Quelle:
Marwan, Mohamed, Dr. med., Universitätsklinikum Erlangen, Innovation in der Prävention und beim Management arteriosklerotischer Gefäßerkrankungen, 88. Jahrestagung der DGK, Mannheim, 20.04.2022