DGK-Jahrestagung 2023, Pressekonferenz, 13.4.2023
Auf drei Änderungen im Behandlungsalgorithmus der Herzinsuffizienz ging Prof. Böhm gesondert ein:
Bislang hat man sich strikt an die Evidenz gehalten, eine Substanz nach der anderen über Wochen und Monate auftitriert. Jetzt weiß man, dass man mit einer Retardierung im Folgejahr eine Sterblichkeit von 12 Prozent sieht.
Therapieempfehlungen für Patienten mit Herzschwäche mit mäßig eingeschränkter Pumpfunktion und mit erhaltener Pumpfunktion werden nun neu bewertet. Sie beruhen auf den Ergebnissen der EMPEROR-Preserved-Studie und der DELIVER-Studie, welche die Wirksamkeit der SGLT-2-Inhibitoren Empagliflozin oder Dapagliflozin auf den kombinierten primären Endpunkt kardiovaskulärer Tod und HI-Hospitalisierungen untersuchten.
Meta-Analysen zeigen, dass über das gesamte Spektrum der Ejektionsfraktionen der untersuchten Patienten und Patientinnen der primäre Endpunkt signifikant reduziert wurde.
Die Empfehlungen besagen zusammengefasst: “Alle Therapien geben, so schnell es geht.”
Auch zum Eisenmangel und seiner Therapie gibt es Neues. Obwohl die Behandlung sehr wichtig ist, wird sie immer noch vernachlässigt. Nur bei 25 Prozent der Patienten wird eine Eisenmessung vorgenommen. Aber 30 bis 60 Prozent haben einen Eisenmangel.
Die Empfehlung lautet jetzt, bei jedem Patienten Eisen zu messen. Empfohlen wird eine intravenöse Eisentherapie bei allen Patientinnen und Patienten mit nachgewiesenem Eisenmangel zur Verbesserung der Lebensqualität und der Belastbarkeit.
Die AFFIRM-AHF-Studie zeigte 2020 eine Reduktion der Hospitalisierungsrate wegen einer Herzinsuffizienzverschlechterung nach einer Korrektur des Eisenmangels. Die IRONMAN-Studie zeigte eine signifikante Reduktion von kardiovaskulärem Tod und HI-Hospitalisierung nach Gabe von Eisen-Derisomaltose.
Die neue, aktuelle Empfehlung lautet: Die Therapien sofort im Krankenhaus beginnen und schnell auf die Zieldosis herauftritirieren.
Die Strategie-Studie STOP-HF hat eine nicht modifizierte Standardbehandlung mit einer Therapie der stetigen Intensivierung der Medikation verglichen. Die Interventionsgruppe musste wesentlich häufiger gesehen werden, die Dosen der Medikation wurden, soweit verträglich, immer wieder erhöht und angepasst. Dabei zeigte sich eine Reduktion des kardiovaskulären Todes, der HI-Hospitalisierungen und der Gesamtsterblichkeitsrate.
Alle drei Leitlinien-Anpassungen befinden sich in der Endabstimmung und werden demnächst als neuer verbindlicher Standard publiziert.
Laut Dr. Thomas Schmitz, Herz- und Gefäßzentrum Essen, ist ein Problem, dass viele Patienten mit einer Herzinsuffizienz und reduzierter Herzleistung, also einer Ejektionsfraktion unter 40 %, in Studien zu interventionellen Eingriffen ausgeschlossen werden. Eine Studie (STICH-Studie, 2011) liefert aber Anhaltspunkte dafür, dass die Bypass-OP der medikamentösen Behandlung überlegen ist. Das hat sich zehn Jahre später erhärtet. Die Mortalitätsraten beim chirurgischen Eingriff sind deutlich geringer als bei der rein konservativen Therapie. Dennoch werden derzeit nur ca. 10 % dieser Patientengruppe operiert.
Aktuell liegen keine randomisierten Daten für einen direkten Vergleich von PCI/ACVB/medikamentöse Therapie bei reduzierter EF vor. Metaanalysen zeigen aber:
Weiter zeigte sich in Subgruppenanalysen, dass Patientengruppen mit HFrEF symptomatisch besser von einer Behandlung mit PCI und Medikamenten profitieren als von der rein medikamentösen Therapie. Wenn die Entscheidung zur PCI getroffen wird, ist es wichtig, dass sie nach aktuellen Standards erfolgt. Bei Patienten mit schlechter Herzleistung und koronarer Dreigefäßerkrankung soll das Ziel eine Komplettrevaskularisation sein.
Wichtige Aspekte zu aktuellen Standards:
Im Vortrag über "Tachykardie bei Herzinsuffizienz" beschäftigte sich Prof. Daniel Steven, Köln, mit verschiedenen Aspekten der Herzinsuffizienz und der Rhythmologie und den dazugehörigen Überschneidungen. So spielen zum Beispiel die Behandlung von Vorhofflimmern mittels Katheterablation und die Implantation von Schrittmachern, vor allem die Resynchronisationstherapie, für Patienten mit Herzinsuffizienz eine übergeordnete Rolle.
Größere HI-Studien haben gezeigt, dass bis zu 50 % aller Patienten mit einer Herzschwäche auch Vorhofflimmern oder -flattern haben. Es ist schwer festzustellen, was zuerst da war. Daher bleibt nichts anderes übrig, als beides gleichermaßen zu behandeln. Verschiedene Studien (Castle-AF, East-AFNET) haben gezeigt, dass die Katheterablation als Therapie von VHF auch bei Patienten mit Herzschwäche zu einer niedrigeren Hospitalisierungsrate, einer geringeren Mortalität und einer höheren Lebensqualität führt. Es ist daher enorm wichtig, bei HI-Patienten auch das Vorhofflimmern zu behandeln.
Abschließend ging es im Vortrag von Dr. Carsten Israel, Bielefeld, um implantierbare Defibrillatoren (ICD) bei Herzinsuffizienz. Immer bessere Möglichkeiten in der Behandlung von schwerer Herzinsuffizienz, sowohl bei der interventionellen wie in der medikamentösen Behandlung, werfen die Frage auf, ob implantierbare Defibrillatoren als weitere Option überhaupt noch benötigt werden. In seiner Zusammenfassung aus zahlreichen Studien legte der Referent sich fest: Medikamentöse Behandlung und ICDs sind keine Konkurrenten, sondern im Gegenteil: Sie ergänzen sich und ermöglichen so den Patienten die beste Überlebenswahrscheinlichkeit.
Weitere Highlights des DGK Kongresses 2023 finden Sie in unserer Kongressberichterstattung.
DGK-Jahrestagung 2023, Pressekonferenz, 13.4.2023