Was bringen Stents beim chronischen Koronarsyndrom?

Ein Stent kann Leben retten. Bei akuten Koronarereignissen besteht daran kein Zweifel. Schwieriger wird es beim chronischen Koronarsyndrom. Wann ist hier ein Stent prognostisch relevant?

Geschichte der Stents

Ein Blick in die USA zeigt erhebliche Diskrepanzen zu den europäischen Empfehlungen. In der Revaskularisations-Leitlinie von ACC/AHA/SCAI aus dem Jahr 2021 kamen die Autoren zu dem überraschenden Schluss: Es gibt keine Belege dafür, dass eine PTCA bei chronischer KHK die Überlebensrate verbessert.

Wann also kann ein Stent die Prognose bei stabilen Patienten wirklich verbessern? Dazu muss man sich die Daten in Bezug auf die einzelnen Indikationen etwas genauer ansehen.

1. Hauptstammstenose: ein klares Ja!

In den amerikanischen Guidelines bekommt die PTCA eine Klasse-2a-Empfehlung gegenüber der Bypass-Operation mit einer Klasse-1-Empfehlung. Beide Verfahren sind hier vergleichbar und können das Überleben signifikant verbessern. Die stärkere Empfehlung für den Bypass rührt daher, dass es randomisierte Studien gegenüber einer medikamentösen Therapie gibt, die für die PTCA bislang fehlen.

2. Proximale LAD-Stenose: Indikation fraglich

Noch vor einigen Jahren galt bei der proximalen LAD-Stenose eine invasive Strategie als obligat. Bypass und PTCA wurden dabei als gleichwertig angesehen. Neuere Untersuchungen von 2020 ergaben jedoch keinen signifikanten Vorteil gegenüber einer konservativen Behandlung mit optimaler Medikation. So wurde die Empfehlung für die PTCA auf 2b herabgestuft.

3. Mehrgefäß-KHK mit EF < 35%: Stent bringt keinen Vorteil

Hier hat die Operation eine klare Klasse-1-Empfehlung. Die PTCA ist darüber hinaus auch einer optimalen medikamentösen Therapie hinsichtlich des Überlebens nicht überlegen, wie eine aktuelle Studie aus dem vergangenen Jahr zeigen konnte. Lediglich bei symptomatischen Patienten mit Angina pectoris konnten die Beschwerden durch die PTCA akut gebessert werden. Langfristig waren Medikamente wiederum gleichwertig.

4. LVEF > 35%, 1/2/3-Gefäß-KHK: gemischtes Bild 

Bei normaler Pumpfunktion ist bislang unklar, ob eine PTCA Überlebensvorteile bringt. Sicher ist: Ohne proximale LAD-Stenose ist ein Stent nicht überlegen und wird entsprechend auch nicht empfohlen. Anders sieht es hinsichtlich der Vermeidung kardiovaskulärer Events aus – hier bekommt die PTCA eine Klasse-2b-Empfehlung. Insbesondere bei Diabetikern kann sie das Langzeit-Outcome ischämischer Ereignisse verbessern.

Und wie ist das Krankheits-Management bei Symptomen? Hier besteht weiterhin eine Klasse-1-Empfehlung für die Stent-Implantation bei 1/2/3-Gefäß-KHK. Neueste Daten bestätigen: Bei Patienten mit Angina pectoris verbessert ein Stent die Beschwerden, vor allem bei häufigen AP-Attacken. Allerdings sollte die medikamentöse Therapie zuvor ausgeschöpft sein.

Wenn PTCA, dann bildgebungsgestützt!

Schließlich stellt sich die Frage, wie die Koronarintervention weiter verbessert werden kann. Entscheidend dabei ist die intravaskulärere Bildgebung. Hier gab es in den letzten Jahren enorme Fortschritte. Mehrere aktuelle Studien von 2023 belegen:

Fazit für die Praxis

Fünf Jahre Forschung haben gezeigt: Die ESC-Leitlinie "Myokardiale Revaskularisation" von 2018 ist veraltet. Die Indikation zur Stentimplantation sollte heute bei stabiler KHK zurückhaltender und differenzierter gestellt werden. In einigen Fällen gilt jedoch weiterhin: Stents retten Leben.

 
Quelle:
Abkürzungen:

ACC = American College of Cardiology

AHA = American Heart Association

ESC = European Society of Cardiology

KHK = Koronare Herzkrankheit

LAD =  left anterior descending bzw. Ramus interventricularis anterior (RIVA) 

LVEF = linksventrikuläre Ejektionsfraktion 

MACE = major adverse cardiac event

OCT = optische Kohärenztomographie

PTCA = Perkutane Transluminale Coronar-Angioplastie

SCAI = Society for Cardiovascular Angiography & Interventions

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