Volkskrankheit Alzheimer: Frühdiagnostik und therapeutische Perspektiven

Auf dem Abendsymposium "Update Neurodegenerative Demenzen" am 4. November des diesjährigen DGN gab der Kieler Experte Prof. Dr. med. Thorsten Bartsch einen Überblick zum Status-Quo in der Alzheimer Diagnostik und Therapie. Neues steht vor allem bei den Biomarker-Tests und bei den krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen an.

Neuerungen durch Biomarker-Tests und krankheitsmodifizierende Wirkstoffe

Auf dem Abendsymposium “Update Neurodegenerative Demenzen” am 4. November des diesjährigen DGN gab der Kieler Experte Prof. Dr. med. Thorsten Bartsch einen Überblick zum Status-Quo in der Alzheimer Diagnostik und Therapie. Neues steht vor allem bei den Biomarker-Tests und bei den krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen an.

Die Frühdiagnostik ist bei Morbus Alzheimer ein wichtiges Thema, insbesondere weil sich das Zeitfenster nun immer weiter nach vorne verschiebt. Wenn man sich den lehrbuchhaften Verlauf der Erkrankung vor Augen führt, wie ihn auch von Alois Alzheimer vor über 100 Jahren schon beschrieben hat, dann denkt man zuerst an das klassische Symptom der Gedächtnisstörung. Dies ist zum Teil auch eine altersassoziierte kognitive Verschlechterung und hier ist es der Job der Gedächtnisambulanzen, Frühsymptome zu erfragen und in einen Krankheitsprogress einzuordnen, um idealerweise schon eine Aussage zur Prognose machen zu können.

Doch was bedeutet eigentlich früh? Die Neurodegeneration beginnt oft schon zehn bis 15 Jahre bevor PatientInnen zum ersten Mal vorstellig werden. Der Nachweis dafür können Biomarker im Liquor oder die verschiedenen Bildgebungsverfahren liefern. Diese können auch Aufschluss über mögliche Subtypen der Erkrankung geben. In einer aktuellen Studie von Kim et al. (2020) Alzheimer- Demenz (AD)-PatientInnen im temporoparietalen Bereich eine asymmetrische rechtsfokale Atrophie auf, die im Vergleich zu symptomatischen AD-PatientInnen eine schlechtere visuospatiale Funktion hatten. Die verschiedenen Subtypen sind wahrscheinlich auch dadurch bedingt, dass die Neurodegeneration an unterschiedlichen Arealen ansetzt und an bestimmten vulnerablen Stellen manifest wird.

Biomarker im Liquor: Etablierte Konstellationen

Es ist doch immer erstaunlich, wie variantenreich die Laborkonstellation in den verschieden Krankheitsstadien ist. Die beiden Haupt-Biomarker, die in der Liquordiagnostik untersucht werden, sind erniedrigte Werte für Beta-Amyloid Proteine und erhöhte Werte für Tau Proteine. Es lässt sich aber immer wieder feststellen, dass beide Proteine auch unabhängig voneinander variieren und nicht immer bei Stunde 0 der Diagnose schon auffällige Werte zeigen. Sodass man sagen muss, dass gerade bei Morbus Alzheimer nicht alle PatientInnen in dem Quadranten der Baseline Diagnose zu finden bzw. auffindbar sind. Nichtsdestotrotz bleibt die Liquoranalyse aufgrund ihrer klaren Biomarker einer der Stärken in der Alzheimer-Diagnostik.

Biomarker im Blut: Novum Bluttests

Da der Liquoranalyse jedoch ein recht invasives Verfahren vorangestellt ist, wird schon seit Jahren in Richtung Blutplasma-Analyse geforscht. Forschende der Washington University School of Medicine in St. Louis USA haben nun eine Technik entwickelt, mit der winzige Mengen eines Proteinfragments im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit im Blut nachgewiesen werden können. Die Studie rund um den Plasma Phospo-tau 217 Test wurde in der Juliausgabe Journal of Experimental Medicine (JEM) veröffentlicht und zeigt eine relativ hohe Sensitivität und Spezifität. Palmqvist et al (2020) untersuchten außerdem, ob das Protein Phospo-tau 217 auch das genaue Stadium der Erkrankung widerspiegeln kann. Dies bedeutet, dass möglicherweise in den kommenden Jahren ein neues nicht-invasives Diagnostikum zur Verfügung stehen wird. Was natürlich auch neue Fragen und Problemstellungen rund um die Verwendung aufwerfen könnte. Hier sieht der Referent ganz klar auch die DGN in der Verantwortung, die Einführung neuer Testverfahren zu prüfen und Einsatzbereiche klar zu definieren.

Zukünftige Therapieoptionen

Mit der Frühdiagnostik verschiebt sich das therapeutische Fenster immer mehr auch in den präklinischen Bereich. Hier geht es um die Prävention von Alzheimer für Menschen mit einem erhöhten Risiko und es ändert sich natürlich auch viel für die Klinik und die medizinische Perspektive, denn bisher setzen die meisten Therapien im Post Manifestationsstadium ein.

Darüber hinaus laufen einige Studien zu krankheitsmodifizierenden Wirkstoffen, deren Ausgang mit Spannung erwartet wird (Cummings et al, 2019). Ein konkretes Update gibt es zu einer Antikörper basierten Therapie mit dem Wirkstoff Aducanumab, welches in großen globalen Studien getestet wurde. Nachdem in der ersten Analyse keine signifikanten Effekte demonstriert werden konnten, zeigte die Nachanalyse nach einem längeren Zeitraum und vor allem in einer Hochdosierung dann doch positive Effekte auf, sodass die Zulassung nun von der Firma Biogen bei der FDA beantragt wurde. Das bedeutet, dass hier möglicherweise bald ein neues Medikament zu erwarten ist, welches dann natürlich auch neue Herausforderungen an das Monitoring der in Behandlung stehenden PatientInnen stellt.

Bis also neue Wirkstoffe direkt auf den Krankheitsverlauf eingreifen, steht nach wie vor bis zu einem bestimmten Grad wirksame Behandlung parat, in dem PatientInnen die kognitiven Reserven anhand von Lebensstilfaktoren und der Reduktion von Risikofaktoren schützen. Die WHO hat diesbezüglich in diesem Jahr Leitlinien mit konkreten Verhaltenshinweisen für PatientInnen herausgebracht, die evidenzbasierte Hilfestellung bei Sport, Ernährung und auch bei sozialen Faktoren geben.

Quelle:
Prof. Dr. med. Dr. Thorsten Bartsch, Medical Park Berlin, Alzheimer-Krankheit und Alzheimer-Demenz: Frühdiagnostik und therapeutische Perspektiven, 19:00 - 19:15. IN: Update Neurodegenerative Demenzen, DGN 2020, 04.11.2020