Die Multiple Sklerose ist eine chronische Erkrankung des ZNS und kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen. Anhand der Differentialdiagnosekriterien von MS kann die Diagnose sehr früh, bereits nach dem ersten Schub, gestellt werden. Kernmerkmal für die Diagnose ist die zeitliche und räumliche Dissemination. Die räumliche Dissemination beschreibt Läsionen in verschiedenen Regionen des ZNS. Unter zeitlicher Dissemination werden wiederholte Schübe oder gleichzeitige Läsionen mit und ohne Kontrastmittelaufnahme verstanden. MS-ähnliche Erkrankungen wie Neuromyelitis-optica-pektrum-Erkrankungen(NMOSD) oder die MOG-Antikörper-assoziierte Erkrankung (MOGAD) können dieselben Kriterien erfüllen, sind aber von der MS zu unterscheiden.
NMOSD und MOGAD haben vor allem verschiedene klinische Phänotypen. Bei beiden Erkrankungen können Myelitiden (Entzündungen des Rückenmarks) und Optikusneuritiden (Entzündungen des Sehnervs) auftreten, dies kann aber auch bei der MS vorkommen. Daher ist es wichtig, weitere Merkmale zu berücksichtigen, um die drei Erkrankungen voneinander abzugrenzen.
Im MRT sollten vor allem langstreckige ausgeprägte Veränderungen im Sehnerv oder Rückenmark in Verbindung mit NMOSD oder MOGAD gebracht werden. Bei MOGAD sind die Läsionen im Marklager wolkig-unscharf begrenzt und können regredient sein. Es kann zu kortikalen Läsionen kommen, meist sind diese linear und nicht ovoid. Jedoch ist der Nachweis dieser oftmals schwierig. Zudem sind keine Venen in den Läsionen sichtbar. Bei NMSOD kommen kortikale Läsionen nie vor. Im Gegensatz dazu sind klinisch “stumme” neue Läsionen typisch für MS. Kortikale Läsionen sind möglich und haben eine ovoide Form. Außerdem sind die Venen in Läsionen mittels MRT sichtbar.
Bei der Liquoruntersuchung, Untersuchung von Nervenwasser aus dem Rückenmark, zeigen sich folgende charakteristische Merkmale: Die Zellzahl bei MOGAD und NMOSD ist höher als bei MS. Zudem werden bei MOGAD und NMOSD oft Granulozyten in der Zelldifferenzierung gefunden. Die MRZ-Reaktion, also der Nachweis von Antikörper, ist sehr selten nachweisbar bei beiden Erkrankungen, aber bei MS zu 90% nachweisbar. Die oligoklonalen Banden (OKB) können bei NMSOD oder MOGAD vorhanden sein, verschwinden aber in der Regel wieder und sind generell schwer nachweisbar.
Systemische Autoimmunerkrankungen mit ZNS Beteiligung können die Multiple Sklerose imitieren. Neben der Neurosarkoidose, der Bildung von Granulomen im ZNS, kommen auch Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis in Betracht. Bei der Diagnosestellung sollte berücksichtigt werden, ob neben den neurologischen Symptomen auch Beschwerden wie Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Veränderungen von Auge, Haut oder Muskeln sowie Entzündungszeichen wie CRP/BKS, Serum Amyloid A (SAA) und Blutbildveränderungen vorkommen. Auch das MRT ist von entscheidender Bedeutung, da hier charakteristische Bildmorphologien nachgewiesen werden können. Dadurch kann eine MS ausgeschlossen werden, insbesondere bei einer ZNS-Beteiligung.
Eine Migräne mit Aura kann ein frühes Anzeichen für MS sein. Es kann aber auch eine Migräne mit Marklagerläsion sein, die zu ähnlichen Symptomen führt. Bei diesen Patienten ist es wichtig, regelmäßige Verlaufsbeobachtungen mittels MRT zu machen, um festzustellen, ob sich nicht doch eine MS daraus entwickelt.
Die Diagnose einer MS ist komplex, da die Symptome auch durch andere Erkrankungen verursacht werden können. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind NMOSD, MOGAD, Autoimmunerkrankungen oder auch Migräne mit Aura.
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