Die neuen Biologika sind gemäß dem Stufenschema der neuen Asthma-Leitlinie1 erste Wahl als additive Therapeutika bei schwerem Asthma – vor dem Einsatz oraler Steroide. Seit kurzem steht mit Benralizumab der dritte und neueste Anti-IL-5-Antikörper zur Verfügung. Worauf kommt es bei der Anwendung von Biologika in der Praxis an? Aktuelle Antworten lieferte ein Industriesymposium beim DGP-Kongress in Dresden.
Immer häufiger macht im Kontext der modernen Asthma-Therapie das Schlagwort von der "individualisierten Präzisionsmedizin" die Runde. Was ist damit eigentlich gemeint?
Es geht dabei vor allem um die Verbesserung der Therapieergebnisse für Patienten mit schwerem Asthma durch einen optimalen Biologika-Einsatz. Durch die Identifikation responsiver Patientenpopulationen kann eine Reduktion der Exposition gegenüber systemischen Kortikoiden um 50 % als realistisches Therapieziel aus Patientenperspektive angestrebt werden. Die Lancet Asthma-Commission fasste diesen Ansatz im letzten Jahr mit der folgenden Parole zusammen: "Lieber die richtigen Medikamente für die richtigen Lungen als mehr Medikamente für mehr Lungen."2
"Schweres Asthma" bedeutet, dass die Erkrankung mit hochdosierten inhalativen Korikoiden (ICS) und langwirksamem Beta-2-Sympathomimetika (LABA), ggf. kombiniert mit Tiotropium, nicht kontrolliert werden. Dabei sind immer auch die Inhalationstechnik, die Adhärenz und die Asthma-Diagnose kritisch zu prüfen.
Auf die jahrelange Gabe oraler Steroide (OCS) sollte mittlerweile verzichtet werden, betonte Prof. Roland Buhl (Mainz), Mitautor der neuen deutschen S2k-Leitline und eines internationalen Konsensus-Papers zum schweren eosinophilen Asthma3. "93 % der Patienten mit schwerem Asthma haben mindestens eine Nebenwirkung durch systemische Glukokortikoide", erläuterte Buhl und verwies auf die aktuelle Literatur zur OCS-bedingten Morbidität. Im Vergleich zu Asthma in den Stufen 1-4 des Stufentherapie-Schemas wurden demnach beim schweren Asthma (Stufe 5) folgende Riskoverhältnisse (odds ratio, OR) ermittelt:
Auch für den niedergelassenen Pneumologen PD Dr. Christian Geßner (Leipzig) heißt das neue Therapieziel: OCS vermeiden! "Bei einem nicht kleinen Anteil der Patienten ist das möglich", erklärte Geßner. DGP-Präsident Prof. Klaus Rabe (Großhansdorf) gab zu bedenken, dass ein vollständiges Absetzen meist nur dann gelingt, wenn die OCS-Dosis vorher nicht sehr hoch lag (etwa bis 10 mg). "Es ist kein Therapieversagen, wenn man den Patienten nicht steroidfrei bekommt." Die Behandlung mit Biologika ermöglicht eine bessere Symptomkontrolle und kann nach den bisherigen Erfahrungen als sicher betrachtet werden. "Das ist ausgesprochen beruhigend", sagte der Experte.
Für eine "präzise und individuelle Therapie" ist zwischen den beiden wichtigsten Asthma-Phänotypen zu unterscheiden: Handelt es sich um ein allergisches oder um ein (hyper-) eosinophiles Asthma? Im ersten Fall setzt ein allergischer Trigger die T-Lymphozyten-vermittelte Kaskade des adaptiven Immunsystems in Gang. Im zweiten Fall stimuliert ein nicht-allergischer Auslöser die als "innate lymphoid cells" (ILCs) bezeichnete Lymphozytengruppe, eine wichtige Komponente des angeborenen Immunsystems. Über die Freisetzung von Mediatoren gelangt das Geschehen in beiden Fällen in die entzündliche Endstrecke.
Diagnostische Hinweise für ein "Eosinophiles Asthma" sind:
Die Unterscheidung von allergischem und eosinophilem Asthma ist keinesfalls immer eindeutig, zumal es auch Überschneidungen ("Asthma-Asthma-Overlap") gibt. Für die therapeutische Praxis bedeutet das, ggf. einen Antikörper-Wechsel in Betracht zu ziehen, der nach einer Auswasch-Pause von 2-3 Monaten vorgenommen werden kann.
Ein Differenzialzellbild gehört heute jedenfalls zur Basisdiagnostik beim Asthma. Erhöhte Eosinophilen-Werte sind dann zwar der wegweisende Treiber für die Anti-IL-5-Strategie, aber nur in Zusammenhang mit einer erhöhten Symptomlast. Eine Eosinophilie kann gelegentlich auch bei mildem Asthma auftreten. Andererseits sorgt in vielen Fällen nicht nur die systemische, sondern auch die topische Steroidapplikation für erniedrigte Eosinophilen-Zahlen (Eos). "Es gibt keine echte Mindestschwelle", meinte Rabe. Die publizierten Cut-off-Werte sind vielmehr durch die klinischen Studien bedingt, in denen die Biologika untersucht wurden.
Apropos: WINDWARD steht für das größte Phase-III-Entwicklungsprogramm eines Biologikums für Atemwegserkrankungen. In sechs klinische Studien wurden 3.068 Patienten aus 798 Zentren in 26 Ländern eingeschlossen und mit dem Anti-IL-5-Rezeptor-Antagonisten Benralizumab behandelt. In den Exazerbationsstudien SIROCCO und CALIMA zeigte sich eine Abnahme der akuten Verschlechterungen um über 50 % bei ähnlichen Patienten mit erhöhtem Risiko (Eos ≥ 300/µl; Hochdosis-ICS/LABA; ≥3 Exazerbationen im Vorjahr). Die Lungenfunktion (FEV1) verbesserte sich ebenfalls signifikant. In der ZONDA-Studie konnte ein OCS-Einspareffekt nachgewiesen werden – ein hartes Kriterium, das nach Rabes Auffassung bei allen neuen Therapeutika geprüft werden sollte. Neben der Asthma-Kontrolle fiel erfreulicherweise auch die Nebenwirkungsrate mit dem Biologikum besser aus als unter Plazebo.
Anders als die Anti-IL-5-Antikörper Mepolizumab und Reslizumab richtet sich Benralizumab nicht gegen das Interleukin, sondern bindet an dessen Rezeptor auf der Eonsinophilen-Oberfläche. Dadurch wirkt es nicht mittelbar, sondern direkt und das in zweifacher Hinsicht: Der Rezeptor-Antagonist verhindert die Zytokin-Wirkung und führt über die Interaktion mit NK-Zellen zur zellvermittelten Zytotoxizität. Die Folge ist eine sehr rasche und umfassende Depletion der Eosinophilen.
Die Dosierungsschemata der Anti-IL-5-Biologika sehen folgendermaßen aus:
Es ist jeweils mit einer Non-Responder-Rate von 15-20 % zu rechnen. Eine allgemeingültige Definition des Therapieansprechens gibt es nicht. Vielmehr sind neben der Symptomkontrolle (z. B. über ACT bzw. ACQ) die verschiedenen klinischen Parameter initial und im Verlauf zu monitoren, etwa Bedarfsmedikation, Lungenfunktion, Zahl und Schwere von Exazerbationen, Nebenwirkungen und Patientenzufriedenheit. Eine gute Dokumentation dient zudem der eigenen Verordnungssicherheit.
Um die Patientenzufriedenheit angesichts der teilweise hohen Erwartungen "objektiviert" erfassen zu können, empfiehlt sich folgende Frage an den Patienten zu Therapiebeginn: "Was stört Sie am meisten?" Die aufgelisteten Punkte können dann nach 4-6 Monaten erneut abgefragt werden. Im Falle des Absetzens der Therapie wegen vermeintlicher Unwirksamkeit des verordneten Biologikums hilft mitunter die Wiedereinbestellung nach 6 Wochen: "Die Patienten merken dann, was es ihnen gebracht hat", berichtete Geßner aus seiner Praxiserfahrung.
Quelle:
Eosinophile im Fokus: Die Zukunft in der Therapie des schweren Asthmas – eine Orientierung. Industriesymposium der AstraZeneca GmbH beim 59. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Dresden, 15. März 2018
Referenzen:
1. Buhl R et al. S2k-Leitline zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma. Pneumologie 2017;71:849-919
2. Pavord ID et al. After asthma: redefining airways diseases. Lancet 2018;391(10118):350-400. doi: 10.1016/S0140-6736(17)30879-6
3. Buhl R et al. Severe eosinophilic asthma: a roadmap to consensus. Eur Respir J 2017;49(5). pii: 1700634. doi: 10.1183/13993003.00634-2017