Klinikreform: Planung derzeit auf tönernen Füßen

Die geplanten Vorgaben für Leistungskonzentration durch Mindestmengen und die Kriterien für die Mindestausstattung etwa mit Fachärzten für die Zuweisung von Leistungsgruppen gefährdet die künftige Struktur und Investitionen von Krankenhäusern.

Zentralisierung als Riesen-Herausforderung

Konzentration und Zentralisierung sind wesentliche Instrumente der Krankenhausreform, um Qualität und Effizienz zu steigern. Welche Herausforderungen damit verbunden sind, erläuterte Dr. Bettina Beinhauer von Agaplesion auf einem Symposion des Kongresses für Viszeralmedizin in Leipzig.

So sind Mindestvorhaltezahlen für die Zuweisung von Leistungsgruppen ein wichtiges Kriterium. Was die Krankenhäuser zu erwarten haben, wird allerdings erst in einer Rechtsverordnung auf Basis des derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen KHVVG im Laufe des nächsten Jahres mit Wirkung an dem Beginn 2027 festgelegt – wenn es denn überhaupt zu einer Einigung des Bundes mit den Ländern über die Rechtsverordnung kommt. Denn alle strittigen Punkte und Details hat Karl Lauterbach in die Rechtsverordnung verlagert, zum dem Ziel, das Gesetz zur Klinikreform zustimmungsfrei zu verabschieden.

Das heißt: Wohl erst gegen Ende des Jahres 2025 werden Krankenhäuser präzise Informationen haben, welche Voraussetzungen sie für Leistungsgruppen haben – und damit auch für die Zuweisung der Vorhaltevergütung, die mindestens 40 Prozent der Gesamterlöse ausmachen sollen. 

Dies kann zu erheblichen strukturellen Veränderungen führen, wie sich am Beispiel onkochirurgischer Leistungen erkennen lässt: Bei der Anwendung des 15-Prozent-Percentils würden für die Erbringung der OPS 5-604 (radikale Prostatavisikulektomie) 224 von insgesamt 381 Krankenhäusern, die diese Leistung erbringen, ausgeschlossen werden, weil sie die Mindestfallzahlen nicht erreichen. 

Herausforderungen für die Personalplanung

Eine weitere qualitative Voraussetzung für die Zuweisung von Leistungsgruppen ist die Erfüllung einer Mindestanzahl an Fachärzten je Leistungsgruppe. Nach bisherigen Plänen sind dazu Vollzeitäquivalente anzusetzen.  Dabei ist es möglich, Fachärzte in bis zu drei Leistungsgruppen zu berücksichtigen. Dies gilt jedoch nicht für die Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie. Diese Vorgaben, so die Ärztin Bettina Beinhauer, werden die Krankenhäuser bei der Planung ihres ärztlichen Personals vor erhebliche Herausforderungen stellen, welche Fachärzte sie welcher Leistungsgruppe sie zuordnen. 

Zu bedenken sei, dass als unerwünschter Nebeneffekt durch Leistungskonzentrationen auch Überlastungsprobleme beim ärztlichen Personal entstehen. Eine zunehmende Zentralisierung und Konzentration habe gravierende Auswirkungen auf die Planung von Op-Kapazitäten, der Kapazität von Intensivstationen und den dazu erforderlichen Personalressourcen (auch in der Pflege) sowie die Zahl der notwendigen Operateure und deren Belastbarkeit. Dabei stelle sich für Kliniken als Arbeitgeber auch die Frage, wie flexibel Mitarbeiter reagieren, deren Standort geschlossen werde und denen als Alternative nur ein längerer Anfahrtsweg zum Arbeitsplatz übrigbleibe. 

Angesichts der erheblichen Planungs- und Erlösunsicherheiten und eines noch höheren Risikos für kalte Insolvenzen und einen ungesteuerten Strukturwandel sieht Beinhauer eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Unikliniken und großen kommunalen Krankenhäuser mit den Möglichkeiten des Schuldenerlasses. Freigemeinnützige Häuser erhielten dagegen keine Steuersubventionen. Das werde von Lauterbach bewusst in Kauf genommen.