Neue Therapieansätze beim Nierenzellkarzinom

Nierenzelltumoren umfassen nach heutiger Kenntnis mehr als 15 verschiedene molekulare Entitäten, von denen z. B. das klarzellige Nierenzellkarzinom (ccRCC) eine der häufigsten ist. Aktuell werden Ergebnisse aus Phase-III-Studien zu neuen Kombinationstherapien aus Immuntherapeutika mit Spannung erwartet.

Über Kombinationsmöglichkeiten in der Erstlinie

Nierenzelltumoren umfassen nach heutiger Kenntnis mehr als 15 verschiedene molekulare Entitäten, von denen z. B. das klarzellige Nierenzellkarzinom (ccRCC) eine der häufigsten ist. In den vergangenen Jahren drängten mehr und mehr Therapieoptionen auf den Markt. Aktuell werden zudem die Ergebnisse aus Phase-III-Studien zu neuen Kombinationstherapien aus Immuntherapeutika mit Spannung erwartet.

Das ccRCC ist in seiner Entstehung sehr stark mit dem von-Hippel-Lindau-Faktor (VHL) assoziiert. Dieses Gen steuert über das VHL-Protein die Aktivität des Hypoxie-induzierten HIF-1α, welches unter anderem Gene aktiviert, die mit der Angiogenese oder dem mTOR-Signalweg im Zusammenhang stehen. Darüber hinaus sind zwei weitere Gene beim Nierenzellkarzinom beschrieben worden, welche zusätzlich ganz wesentlichen Einfluss auf die Standard-TKI-Therapie nehmen können sowie mit aggressiveren Verläufen und der Metastasierung in Verbindung stehen.

Zum einen ist dies MET, welches ebenfalls unter hypoxischen Bedingungen aktiviert wird. Dieses Genprodukt beeinflusst unter anderem das Cytoskelett, was die Invasionsfähigkeit der Zellen erhöht. Somit ermöglicht es MET den Tumorzellen, sich aus einem Hypoxiegebiet näher an bestehende oder im Rahmen der Angiogenese neu gebildete Blutgefäße heran zu bewegen. Darüber hinaus erhöht die C-MET-Expression die Osteoklastenfunktion, was die Knochenmetastasierung unterstützt.

Zum anderen wird auch die AXL-Tyrosinkinase unter Hypoxie über HIF-1α gesteuert. AXL ist unmittelbar beteiligt an Prozessen, wie der Zellproliferation, der Migration und Metastasierung, fördert aber ebenso die Resistenz der Tumorzellen gegenüber Chemo-, Radio- und zielgerichteten Therapien.

Biomarker und Tumorheterogenität

Weshalb jedoch ist trotz Kenntnis solch wichtiger molekularer Pathogenesefaktoren die Therapie des RCC noch immer so schwierig? Die moderne Molekularbiologie liefert darauf eine erste Antwort: Das RCC zeigt molekular betrachtet eine sehr große Heterogenität, die sich noch dazu ständig verändert. Dabei gilt, dass der Grad der Heterogenität des Tumors vom jeweiligen Tumorstadium unabhängig ist. Das bedeutet, dass bereits frühe RCC an verschiedenen Stellen innerhalb des gleichen Tumorherdes mit Blick auf die Biomarker-Expression vollkommen verschieden sein können.

Erschwert wird das Ganze zusätzlich dadurch, dass sich auch Primärtumor und Metastasen in der Regel deutlich voneinander unterscheiden. Die Mutationslast innerhalb metastatischen Tumorgewebes beim RCC ist dabei meist höher als im Ausgangstumor. Andererseits kann eine höhere Mutationslast auch eine größere Antigenexpression bedeuten, weshalb solche Patienten möglicherweise von einer Immuntherapie profitieren könnten.

Die MET-Mutation bei ccRCC liegt beispielsweise in der Metastase oft in höherer Kopienzahl, und das entsprechende Genprodukt in Überexpression vor, verglichen mit dem Primärtumor. Für den Patienten bedeutet diese Ausgangslage, dass er/sie meist bereits an einem aggressiveren und höhergradigen Tumor leidet und die Überlebenschancen dementsprechend schlechter bewertet werden müssen.

Erstlinie bleibt TKI-Domäne, Zweitlinie mit Cabozantinib und Nivolumab als neue Optionen

Der Therapiealgorithmus beim Nierenzellkarzinom richtet sich primär nach dem Tumorstadium. Bei lokal begrenztem Wachstum bildet noch immer die partielle oder auch die radikale Nephrektomie standardmäßig die Therapie der Wahl. Im fortgeschrittenen Stadium erfolgt in der Regel eine sequenzielle Therapie, die sich am Versagen der vorausgegangenen Therapieregime orientiert.

In der Erstlinie erhalten Patienten standardmäßig weiterhin TKI in Kombination mit anti-VEGF-Medikamenten. Unter dieser Medikation kann es allerdings nach einiger Zeit zu einem Progress kommen, da die Tumorzellen vermittelt über MET und AXL die Signalwege der Zellen umschalten und so die TKI- und VEGF-Inhibition umgehen, also dagegen resistent werden können.

In der Zweitlinientherapie gibt es neben dem Standard-Zweitlinien-TKI (z. B. Axitinib) plus mTOR-Inhibitor (Rapamycin) mit der Immuntherapie (Nivolumab) sowie dem MET-Inhibitor Cabozantinib zwei neue Optionen für die Behandlung. Nach Empfehlung der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) soll z. B. in der Erstlinie beim metastastierten RCC (mRCC) Pazopanib oder Sunitinib als TKI gegeben werden. Doch zukünftig könnten möglicherweise auch die Immuntherapien in der Erstlinie die Optionen beim RCC weiter verbessern, Studien hierzu laufen bereits. In der Zweitlinie, nach TKI- und/oder VEGF-Versagen, werden bereits Nivolumab und Cabozantinib empfohlen.

Zukünftige Therapieoptionen für die Erstlinie des RCC?

Derzeit untersucht zudem die CABOSUN-Studie die Wirksamkeit von Cabozantinib in der Erstlinie im Vergleich zum Therapiestandard Sunitinib. Derzeit sieht es so aus, dass das Cabozantinib unter anderem beim progressionsfreien Überleben (PFS) einen Vorteil gegenüber dem Sunitinib hat.

Daneben überprüft die CheckMate-024-Studie den Einsatz von Nivolumab (anti-PD1-Antikörper) + Ipilimumab (anti-CTLA-4-Antikörper) ebenfalls in der Erstlinientherapie des RCC. Hier zeigte sich, dass für die Patienten der intermediären und der schlechten Risikogruppen mit PD-L1 > 1 % ein Vorteil der Kombinationstherapie gegenüber dem Behandlungsstandard Sunitinib für das PFS besteht (22,8 Monate vs. 5,9 Monate). Der Endpunkt Gesamtüberleben (OS) der Patienten mit PD-L1 > 1 % ist derzeit noch nicht für die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab erreicht, wird aber sehr wahrscheinlich deutlich oberhalb der für das Sunitinib bekannten 19,6 Monate liegen.

Sehr interessant sind überdies die Ergebnisse der Phase-III-Zulassungsstudie IMmotion151, welche Atezolizumab und Bevazizumab gegen Sunitinib in Erstlinie vergleicht. In der PD-L1-positiven Patientengruppe scheint das PFS nach derzeitiger Auswertung für die Kombinationstherapie der Sunitinib-Behandlung überlegen zu sein: 11,2 Monate vs. 7,7 Monate. Zum Gesamtüberleben (OS) lässt die Studie derzeit noch keine Aussagen zu, da der Endpunkt hier für die Kombinationssituation noch nicht erreicht wurde.

Fazit

Sunitinib und Pazopanib gelten (noch) als Standard-Erstlinientherapie beim mRCC. Jedoch ist die Studienlage nach Einführung der Immuntherapie zur Zweitlinienbehandlung des Nierenzellkarzinoms derzeit sehr stark im Umbruch begriffen. Daten zur Erstlinientherapie mit Cabozantinib sowie die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab zeigten zuletzt eine deutliche Überlegenheit und Vorteile für die Patienten im Vergleich zum derzeitigen Therapiestandard Sunitinib, insbesondere bei Patienten mit intermediärem und schlechtem Risikoprofil. Mit den Zulassungen für Cabozantinib und Nivolumab/Ipilimumab zur Erstlinientherapie des RCC wird im Frühjahr 2018 gerechnet.

Ebenso scheint die Kombination aus Atezolizumab und Bevazizumab eine weitere neuartige Therapieoption für PD-L1-positive Patienten in der Erstlinie darzustellen. Daten dieser Phase-III-Studie zu einer abschließenden Beurteilung stehen jedoch noch aus.

Darüber hinaus könnte die Kombination von Checkpoint-Inhibitoren und VEGF-gerichteten Behandlungsansätzen die Effektivität der Behandlung zukünftig weiter steigern. Cave: Nicht jede erdenkliche Kombinationsmöglichkeit ist dabei jedoch umsetzbar!

Quelle:
State-of-the-Art-Symposium: "Das mRCC im Lichte neuer Therapieoptionen" (Veranstalter: Ipsen-Pharma), 33. Deutscher Krebskongress 2018, Berlin, 23.02.2018.