Der heutige Weltumwelttag, eine Veranstaltung der Vereinten Nationen, befasst sich in diesem Jahr mit dem Thema Luftverschmutzung, an deren Folgen ungefähr 7 Millionen Menschen jährlich sterben. Neben den Auswirkungen auf die globale Gesundheit trägt die Luftverschmutzung auch zum Klimawandel bei. Es wird angenommen, dass die Exposition gegenüber Umweltverschmutzung teilweise für die erhöhte Prävalenz und Schwere allergischer Erkrankungen verantwortlich ist. So stehen die Themen Luftverschmutzung und Expositionsprävention auch beim diesjährigen Jahreskongress der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) in Lissabon im Vordergrund.
Fast ein Viertel der Bevölkerung in Industrieländern ist von Allergien betroffen, und diese nehmen in allen Altersgruppen zu. Gegenwärtig leiden mehr als 150 Millionen Europäer an chronischen allergischen Erkrankungen, und es wird prognostiziert, dass bis 2025 die Hälfte der gesamten EU-Bevölkerung betroffen sein wird. Diese Epidemie wirkt sich nach wie vor zunehmend auf die Gesundheitsbudgets weltweit aus, wobei allein die Gesamtausgaben für Asthma in Europa auf 72,2 Mrd EUR pro Jahr geschätzt werden. Die vermeidbaren indirekten Kosten für eine unzureichende Behandlung von Allergien in der EU werden auf 55 bis 151 Mrd Euro pro Jahr geschätzt.
Der erste Anstieg pollenbedingter Allergien auf die Atemwege trat nach der industriellen Revolution auf, die mit einer Verschlechterung der Luftqualität einherging. Einige Schadstoffe wie CO2 fördern das Pflanzenwachstum und erhöhen die Bestäubung. Außerdem trägt CO2 zum Anstieg der globalen Temperatur bei, was sich auch auf allergische Patienten auswirkt. "Je nachdem, wo Sie leben, können höhere Temperaturen zu mehr Pflanzenwachstum führen. Eine Verschiebung der Allergenexposition durch Pollen ist zu erwarten, die Richtung hängt von Ihrem Wohnort ab", sagt Jeroen Buters, Toxikologe an der TUM und ehemaliger Vorsitzender der EAACI-Arbeitsgruppe für Aerobiologie und Umweltverschmutzung.
Um Betroffene in Zukunft besser zu betreuen, kommen immer mehr digitale Hilfsmittel und modernste Technik zum Einsatz.
Das Gebiet der Allergologie wird durch das Aufkommen der mobilen Gesundheitstechnologie beeinflusst, die für AllergologInnen und ihre PatientInnen beispiellose Kommunikationswege bietet und eine echte Revolution in der Epidemiologie, Pflege und Forschung darstellt, da sie den Weg zur personalisierten und präzisen Medizin ebnet .
Patiententagebücher und digitale Fragebögen ermöglichen die Überwachung des Schweregrads der Erkrankung und ihrer Auswirkungen auf die Lebensqualität im Laufe der Zeit, ermöglichen es den Betroffenen, die Erkrankung selbst zu kontrollieren, und liefern den Ärztinnen und Ärzten wertvolle Längsschnittdaten zum Krankheitsverlauf und zu den Auswirkungen der Behandlung. Diese Tools können auch spielerische Informationen für Kinder, Empfehlungen zum Management, Videos und Patientengeschichten enthalten.
Die Möglichkeiten für alle allergischen Erkrankungen sind riesig und nur ein paar Klicks entfernt: von Apps wie dem Mobile Airways Sentinel Network, das eine visuelle Analogskala für Nasen-, Augen- und Asthmasymptome verwendet, um Allergien mit Arbeitsbeeinträchtigungen in Verbindung zu bringen; Pollentagebücher, die verschiedene Jahreszeiten und aerobiologische Partikel vergleichen, um eine mögliche Pollenallergie aufzuspüren oder eine Verschlechterung der Pollenallergiesymptome vorherzusagen; Telemonitoring, integrierte Versorgungswege und klinische Unterstützungssysteme, die als potenzielle Instrumente zur Entscheidungsfindung für die Allergen-Immuntherapie dienen; für diejenigen, die Auswirkung allergischer Erkrankungen auf die Schlafqualität messen, eine Medikamentenerinnerung bereitstellen oder die betroffenen Patienten bei der Auswahl allergenfreier Lebensmittel unterstützen.
Die EAACI hat das Potenzial mobiler Technologien erkannt und leistet einen aktiven Beitrag zu deren Entwicklung, indem sie im Rahmen eines zweijährigen Aktionsplans (2018-2020) eine Task Force für "Gesundheit und Allergien" eingerichtet hat. "Es wird sehr wichtig sein, dieses Gebiet zu regulieren und schnell zwischen guten und schlechten Dienstleistungen zu unterscheiden. Nicht alles, was neu ist, wird automatisch effizient und zuverlässig sein. Die EAACI wird eine Rolle spielen und den öffentlichen Gesundheitssystemen und Allergikern dabei helfen, diesen Prozess zu leiten und zu steuern", sagt Paolo Matricardi, Charité Universitätsmedizin Berlin und Vorsitzender der EAACI mHealth Task Force.
Besonders innovativ sind Pollenmonitore, die hierzulande hauptsächlich im Bundesland Bayern zum Einsatz kommen. Seit der diesjährigen Pollensaison kann jeder Bürger die aktuelle Pollenbelastung standort- und pollenspezifisch online über das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) abrufen. Die Daten werden alle drei Stunden aktualisiert. Diese Vorsorgemaßnahme ist besonders wertvoll für Menschen, die an Heuschnupfen oder Asthma leiden. Aber nur wer weiß, welche Pollen wann und wo fliegen, kann wichtige Vorsorgemaßnahmen ergreifen und seine Medikamente zielgenau einnehmen. Deshalb sollen Allergiker und Asthmatiker künftig mit aktuelleren und genaueren Echtzeitdaten zum Pollenflug in Bayern versorgt werden.
Die Kosten für den Regelbetrieb von 'ePIN' werden auf 600.000 Euro pro Jahr geschätzt. In Anbetracht der durch Pollenallergie entstehenden jährlichen Gesamtkosten im dreistelligen Millionenbereich allein in Bayern, das LGL ermittelte im Jahr 2013 609 Mill EUR, etwa durch medizinische Behandlung oder Arbeitsausfälle, erscheint diese vorbeugende Maßnahme eine äußerst sinnvolle Investition zu sein. Diese Ausgaben sollen nun durch bessere Informationen und Echtzeitdaten zum Pollenflug in Bayern gesenkt werden.
Auch die Forschungseinrichtung der Charité Berlin interessiert sich der für das bayerische Vorzeigeprojekt und hat jüngst zu Forschungszwecken einen bayerischen Pollenmonitor aufgestellt. So sollen auch in der Hauptstadt Pollenwerte gemessen werden und den PatientInnen in Zukunft zur Verfügung stehen. Aktuell wird diese Maßnahme von der Charité selbst finanziert. Ob und wann andere Bundesstaaten nachziehen steht noch in der Schwebe. Wie so oft stehen die Behandlungskosten in keinem Verhältnis zu den Kosten einer sinnvollen Prävention, doch müssen Bund und Länder wohl noch durch eine gute Datenlage aus Bayern überzeugt werden.
Das Projekt "ePIN" ist Teil der bayerischen Klimaanpassungsstrategie und wurde am 13. September 2016 vom Bayerischen Ministerrat beschlossen. Es wird unter Leitung des LGL in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Umwelt (LfU) durchgeführt. Berater und Projektpartner sind das Zentrum für Allergie und Umwelt (ZAUM) der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrums München, das Leibniz Rechenzentrum (LRZ), die Umweltforschungsstation Schneefernerhaus Zugspitze (UFS) sowie weitere nationale und internationale Forschungseinrichtungen.
Quellen:
EAACI White Paper. Selroos O, et al. (2015, September),National and regional asthma programmes in Europe, European Respiratory Review 2015, 24(137):474-483., retrieved from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26324809.
Pressemitteilung: Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, 27. April 2018. Moderne Pollenmessungen sollen Allergikern helfen – Bayerns Gesundheitsministerin Huml startet in Garmisch-Partenkirchen den ersten automatischen Pollenmonitor im Rahmen des neuen elektronischen Polleninformationsnetzwerkes.
Pressemitteilung: Annual Congress 2019 of the European Academy of Allergy and Clinical Immunology. 1. Juni 2019. Policing Pollution. EAACI supports World Environment Day.