HBV: Erhöhtes Krebsrisiko selbst bei niedriger Viruslast

Auch unter einem Cutoff von weniger als 2000 IU/ml HBV-DNA weisen infizierte Patienten ein erhöhtes Risiko dafür auf, ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln. Ursache dafür dürfte die Integration des Hepatitis-B-Virus in das menschliche Genom sein, wie Forscher beim International Liver Congress (ILC) 2019 in Wien erklärten.

Auch unter einem Cutoff von weniger als 2000 IU/ml HBV-DNA weisen infizierte Patienten ein erhöhtes Risiko dafür auf, ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln. Ursache dafür dürfte die Integration des Hepatitis-B-Virus in das menschliche Genom sein, wie Forscher beim International Liver Congress (ILC) 2019 in Wien erklärten.

Mit dem Hepatitis-B-Virus infizierte Patienten sind auch dann nicht zwingend gesund, wenn es zum Verlust des Oberflächenantigens HBsAg kommt. Denn HBV besitzt die Fähigkeit, seine DNA ins Erbgut der menschlichen Leberzelle zu integrieren. Aktuelle Studiendaten zeigen, dass dies nicht nur in der akuten Phase der Erkrankung geschehen kann, sondern auch bei HBeAg-negativer chronischer (also HBsAg-positiver) Hepatitis B mit niedrigem HBV-DNA-Titer. Dies ist insofern von Bedeutung, als diese Patienten aktuell nicht zwingend behandelt werden. Im Rahmen ihrer Präsentation betonte Dr. Romina Salpini von der Universität Rom, dass aktuell die Datenlage zum intrahepatischen HBV-Reservoir in der HBeAg-negativen Phase der Erkrankung spärlich ist. Dies betrifft nicht zuletzt auch die Integration des Virus ins menschliche Genom. Und das ist klinisch bedeutsam, da durch die Virusintegration in die humane DNA das Risiko von Krankheitsprogression und hepatozellulärem Karzinom auch ohne manifeste Hepatitis steigt.

Eine von mehreren Gruppen in Italien und Großbritannien durchgeführte Studie schließt nun diese Evidenzlücke. In die Studie wurden 40 HBeAg-negative Patienten und therapienaive Patienten aufgenommen, die vor Einschluss mindestens zwei Jahre unter Beobachtung gestanden hatten. Die Patienten wurden nach ihrer Viruslast in drei Gruppen stratifiziert: Gruppe 1 mit HBV-DNA <2000 IU/ml (n=8), Gruppe 2 mit HBV-DNA 2000–20 000 IU/ml (n=14) und Gruppe 3 mit HBV-DNA >20 000 IU/ml (n=18).

Auf Basis einer Leberbiopsie wurde bei diesen Patienten das hepatische HBV-Reservoir inklusive cccDNA und pgRNA quantifiziert. Die in das menschliche Genom integrierte Virus-DNA wurde mittels "whole exome sequencing" detektiert. Dabei zeigten sich in allen drei Patientengruppen Fälle von Virusintegration in das Genom ("integration events"). Die Prävalenz genomischer Virusintegration in für die Genreplikation relevanten Regionen lag über die gesamte Studienpopulation bei 35,4%. Dabei waren Patienten mit ausgeprägter Virämie (Gruppe 3) mit einer Prävalenz von "integration events" von 55,6% am stärksten betroffen. Doch auch in den beiden Gruppen mit geringerer Viruslast kam es nicht selten zu "integration events", nämlich zu 25% in Gruppe 1 und zu 14,3% in Gruppe 2. Dies ist nicht nur für die Virusreplikation relevant. Von den identifizierten 17 verschiedenen "integration events" betrafen 11 die Region, in der das für die Transkription und Regulation von HBV verantwortliche HBx-Protein kodiert wird. Drei betrafen die HBs-Antigen/Polymerase(pol)-Encoding-Region und drei die HBV-Core-Encoding-Region. "11 von 17 HBV-'integration events' traten in Introns auf, die für das RNA-Splicing und die Produktion von mRNA bedeutsam sind", sagte Salpini, "bei sechs Individuen fand die HBV-Integration jedoch in menschlichen Genen statt, die die Zellproliferation regulieren, und manche dieser Gene sind auch an der Hepatokarzinogenese beteiligt oder für den Lipidstoffwechsel oder die Metabolisierung von Medikamenten wichtig. Auch die antivirale und inflammatorische Aktivität der Zelle wird von betroffenen Genen beeinflusst." Salpini: "Diese Daten zeigen, wie komplex die HBV-Infektion ist. Und sie legen auch nahe, dass selbst Patienten, die nach aktuellen Empfehlungen keine Kandidaten für eine Therapie sein müssen, von Krankheitsprogression und erhöhtem Krebsrisiko betroffen sein können. Damit könnte unsere Studie in Zukunft Implikationen für das Management von Patienten mit chronischer HBV-Infektion haben. Jedenfalls zeigt sie, dass die HBeAg-negative Hepatitis B keinesfalls leicht zu beherrschen ist und sein wird."

Quelle: International Liver Congress (ILC) der European Association for the Study of the Liver (EASL), 11. April 2019, Wien

Literatur:
Gong DY et al.: Role and functional domain of hepatitis B virus X protein in regulating HBV transcription and replication in vitro and in vivo. Viruses 2013; 5: 1261-71
Salpini R et al.: The integration of hepatitis B virus into human genome is a common event in the setting of HBeAg negative disease: implications for the treatment and management of CHB. ILC 2019, GS-17