Neue Wege in der Antikoagulation bei Leberzirrhose: DOACs im Fokus der Therapie

Antikoagulation bei Leberzirrhose: Trotz erhöhtem Thromboserisiko und komplexen hämostatischen Veränderungen bieten moderne Antikoagulanzien wie DOACs neue Chancen für die Therapie.

Häufigkeit und Therapie von venösen Thromboembolien und Vorhofflimmern bei Leberzirrhose

Personen mit chronischer Leberfunktionsstörung haben ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse. So ist die Prävalenz von Vorhofflimmern (AF) bei diesen Personen mit etwa 5 Prozent doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Tiefe Venenthrombosen (DVT), Lungenembolien (PE) und Portalvenenthrombosen (PVT) treten bei Menschen mit Zirrhose ebenfalls häufiger auf.

Verfügbare Antikoagulantien

Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie solch thromboembolischer Erkrankungen ist die medikamentöse Antikoagulation. Seit der Einführung der Heparine in den 1930er Jahren sind zahlreiche neue Optionen hinzugekommen. Neben Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Warfarin und niedermolekularen Heparinen (LMWH, z. B. Enoxaparin) stehen heute direkte Thrombininhibitoren und indirekte Faktor-Xa-Inhibitoren (Fondaparinux) sowie direkte orale Antikoagulantien (DOACs) zur Verfügung.

Zu den DOACs gehören die direkten Thrombininhibitoren (Dabigatran) und die direkten Xa-Inhibitoren (Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban, Betrixaban). Diese neuen Medikamente bieten gegenüber den häufig verwendeten VKAs zahlreiche Vorteile. Ihre vorhersagbare Pharmakokinetik aufgrund fester Dosierungsschemata, der Wegfall regelmäßiger Blutgerinnungskontrollen und die einfache orale Verabreichung machen die DOACs ausgesprochen benutzerfreundlich. Darüber hinaus haben sie eine kürzere Wirkungsdauer, was ein gutes Nebenwirkungsmanagement ermöglicht, und zeigen weniger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Nahrungsmitteln.

Blutungsrisiko und Pharmakokinetik von DOACs bei Lebererkrankungen

Dennoch gibt es Bedenken hinsichtlich der Anwendung von Gerinnungshemmern. Denn häufig werden die komplexen hämostatischen Veränderungen bei chronischer Lebererkrankung falsch interpretiert. Standard-Labortests suggerieren oft fälschlicherweise ein erhöhtes Blutungsrisiko, da sie primär auf eine verlängerte Prothrombinzeit oder Thrombozytopenie hinweisen. Tatsächlich sind diese veränderten Parameter eher ein Marker für die Schwere der Leberzirrhose.

Bei genauerer Betrachtung und genauerer Analyse führt die Summe aller hämostatischen Veränderungen zu einer "rebalancierten Hämostase". Dennoch ist eine erhöhte Blutungsneigung bei Personen mit Lebererkrankungen mit einer Inzidenz von ca. 3–8 Prozent pro Jahr nicht ungewöhnlich. Diese Blutungen sind jedoch meist auf eine portale Hypertension und weniger auf eine homöostatische Dysregulation zurückzuführen. 

Ein weiterer Faktor, der bei der Anwendung von DOACs bei Leberzirrhose zu Vorbehalten führen kann, ist die hepatobiliäre Metabolisierung. Hier stellt sich die Frage, inwieweit der Abbau der Wirkstoffe bei Leberinsuffizienz gewährleistet ist. Studien zu Dabigatran, Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban geben hier weitgehend Entwarnung und zeigen, dass eine Anwendung auch bei eingeschränkter Leberfunktion durchaus möglich ist. Allerdings kam eine Studie auch zu dem Ergebnis, dass die Bioverfügbarkeit von Rivaroxaban bei Leberzirrhose deutlich erhöht sein kann: Eine Einzeldosis von 10 mg Rivaroxaban bei Child-Pugh B führte hier zu einer Verdoppelung der Wirkstoffexposition.

Leberzirrhose: Tipps zur Antikoagulation bei AF, DVT/PE und PVT

Wie die Antikoagulationstherapie bei chronischer Lebererkrankung in der Praxis durchzuführen ist, war ein weiteres wichtiges Thema des Vortrags von Dr. Roberts. Im Einzelnen wurde die Anwendung bei AF, DVT/PE und PVT näher erläutert:

Antikoagulation bei AF

Die Antikoagulation ist ein wesentlicher Bestandteil der AF-Therapie. Studien zeigen, dass DOACs bei der Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolien wirksamer und hinsichtlich des Blutungsrisikos sicherer als Vitamin-K-Antagonisten sind. Darüber hinaus zeigen Menschen mit Leberzirrhose eine höhere Therapietreue unter DOACs als unter VKA.

Die aktuellen Leitlinien der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) von 2024 empfehlen bei Child-Pugh A und B eine Antikoagulationstherapie basierend auf dem CHA2DS2-VASc-Score, wobei DOACs gegenüber VKA bevorzugt werden. Bei Child-Pugh C sollte ein individualisierter Ansatz verfolgt werden. Alternativ kann bei hohem Risiko und Kontraindikation einer Antikoagulation eine Behandlung mittels linksatrialem Vorhofohrverschluss (LAAO) erwogen werden.

Bei der Auswahl des Gerinnungshemmers ist zu beachten, dass DOACs zwar ein geringeres Blutungsrisiko als VKA haben, aber nur wenige Daten zur Anwendung bei Child-Pugh C vorliegen. Auch bei mechanischen Herzklappen oder Mitralstenosen sind DOACs kontraindiziert. Die DOACs Edoxaban (in niedriger Dosierung von 30 mg/d) und Apixaban zeigen aber im Vergleich zu Warfarin in randomisierten Studien ein geringeres Blutungsrisiko. Des Weiteren ist Apixaban das einzige DOAC, das für Child-Pugh B (bei INR <1,5) zugelassen ist. Es muss allerdings zweimal täglich eingenommen werden. Bei Edoxaban in der Dosierung von 30 mg täglich sind das Körpergewicht und die Kreatinin-Clearance zu beachten: Das Gewicht sollte unter 60 kg oder die Kreatinin-Clearance < 50 ml/min liegen.

Antikoagulation bei DVT/PE

Die Datenlage zu DVT/PE bei chronischer Lebererkrankung ist begrenzt und beruht überwiegend auf retrospektiven Untersuchungen, wie die Studie von Lawal OD et al. Diese Arbeit zur Antikoagulation bei venöser Thromboembolie zeigt, dass das Risiko einer Hospitalisierung aufgrund einer schweren Blutung unter DOACs signifikant niedriger ist als unter Warfarin.

Die ISTH 2024 empfiehlt bei Child-Pugh A und B den Einsatz von DOACs oder LMWH, im letzteren Fall gefolgt von VKA. Bei Child-Pugh C sollte LMWH angewandt werden.

Antikoagulation bei PVT

Die PVT ist eines der häufigsten thrombotischen Ereignisse bei Personen mit Leberzirrhose. Studien belegen, dass eine Antikoagulation bei PVT die Gesamtmortalität unabhängig vom Schweregrad der Thrombose senkt.

Leitlinien empfehlen eine antikoagulative Therapie von mindestens sechs Monaten, bei Transplantationsindikation ist diese zu verlängern. Ist eine Lebertransplantation nicht indiziert, sollte die weitere Behandlungsdauer individuell entschieden werden. Bei Child-Pugh A und B wird die Gabe von DOACs oder LMWH mit anschließendem VKA empfohlen. Bei Child-Pugh C wird ein LMWH mit oder ohne VKA vorgeschlagen.

Fazit zur Antikoagulation bei Leberzirrhose

Die Antikoagulation ist ein wesentlicher Bestandteil der Therapie thromboembolischer Erkrankungen. Dies gilt auch für Menschen mit chronischer Leberfunktionsstörung. Vor allem in frühen Stadien ist hier oftmals der Einsatz von DOACs zu bevorzugen, da diese im Vergleich zu VKA mit einem geringeren Blutungsrisiko verbunden sind. Patientenspezifische Aspekte müssen jedoch immer berücksichtigt werden. Hierzu zählen u. a. der Schweregrad der Lebererkrankung, Kontraindikationen und Arzneimittelinteraktionen, Patientenpräferenz hinsichtlich der Einnahmehäufigkeit, Transplantationsstatus, Baseline-INR und Schweregrad der Thrombozytopenie (ab 30.000/µl kann eine Antikoagulation erfolgen). Darüber hinaus sollten bei allen Betroffenen die beeinflussbaren Blutungsrisikofaktoren überprüft und nicht-selektive Betablocker zur Dekompensationsprophylaxe erwogen werden.
 

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