Auf den Spuren der ALL im Säuglings- und Kindesalter

Leukämien zählen zu den häufigsten malignen Erkrankungen bei Säuglingen und Kindern. Welche neuen Erkenntnisse gibt es zu Pathogenese und pränatalem Ursprung? Welche Unterschiede gibt es zu Leukämien im Erwachsenenalter?

Leukämie ist die häufigste Malignität im Kindesalter

Leukämie im Kindesalter macht mit 30% den Großteil der malignen Erkrankungen aus. In 80% der Fälle liegt eine akute lymphatische Leukämie (ALL) und in 20% eine akute myeloische Leukämie (AML) vor. Die ALL kann bereits bei Säuglingen unter 1 Jahr (infant ALL) oder bei Kindern über einem Jahr (childhood ALL) diagnostiziert werden. Trotz mittlerweile guter Überlebensraten von bis nahezu 90% bei rechtzeitiger Behandlung gibt es weiterhin Verbesserungsbedarf in der Therapie der ALL bei Säuglingen und Kindern. Eine frühe Diagnosestellung, eine Reduktion der Toxizität der Behandlungsregime, immunmodulative Therapieansätze sowie die Prävention der ALL seien Roy zufolge hierbei die wesentlichen Elemente. Die Erarbeitung einer globalen Strategie auf diesem Gebiet sei unerlässlich.1

Wesentliche Unterschiede der ALL abhängig vom Lebensalter

Die Überlebensrate bei der ALL unterscheidet sich abhängig vom Erkrankungsalter. Die beste Überlebensrate hat die childhood ALL gefolgt von der infant ALL und der adulten ALL. Anhand bestimmter Merkmale lässt sich die ALL in unterschiedliche Subtypen unterscheiden. So tritt im Säuglingsalter vor allem die Unterform MLLr auf und im Kindesalter HeH und ETV6-RUNX1 auf. Dieser zytogenetische Unterschied könnte zu den verschiedenen Überlebensraten beitragen.1

Frühe mikrobielle Exposition als Schutz vor ALL

Roy führte dem Auditorium wichtige Forschungserkenntnisse von Greaves vor Augen. Neben den erwähnten zytogenetischen Unterschieden könnte ein weiterer Faktor hinsichtlich der Überlebensraten eine wichtige Rolle spielen: 

Die infant ALL tritt bereits im Fötus auf und entwickelt sich in zwei diskreten Schritten:

Wissenschaftlichen Daten zufolge tragen häufige Infektionen wesentlich hierzu bei. Zwar wirkt eine frühere mikrobielle Exposition im Leben schützend, doch bleibt diese aus, so können spätere Infektionen die kritischen Sekundärmutationen auslösen. Beruhend auf dieser Beobachtung könnte die ALL im Kindesalter ein vermeidbarer Krebs sein – vorausgesetzt die Lebensgewohnheiten werden so angepasst, dass eine frühe mikrobielle Exposition ermöglicht wird. Greaves beschrieb dies als paradoxe Folge des Fortschritts in modernen Gesellschaften.1,3

Ist eine Prävention der ALL in der frühen menschlichen Lymphopoese möglich? 

Der Schlüssel zum Verständnis der Leukämieentstehung liegt im frühen menschlichen Leben. Aus diesem Grund untersucht Roy gemeinsam mit ihrem Forschungsteam die Lymphopoese bereits in utero. Die menschliche Lymphopoese beginnt bereits 6 Wochen nach der Empfängnis und ist ein dynamischer, lebenslanger Prozess. Die Forschungsgruppe um Roy hat 2019 ihre Analyse der Entwicklungshierarchie der menschlichen fetalen B-Zellen publiziert. In fetalen Geweben gibt es dieser Analyse zufolge zwei verschiedene CD19+ B-Vorläuferzellen, eine neue CD10-ve PreProB-Vorläuferzelle und CD10+ve ProB-Vorläuferzellen vom Erwachsenentyp. Die PreProB- und ProB-Vorläuferzellen erscheinen bereits früh im ersten Trimester im Bereich der embryonalen Leber. Die PreProB-Vorläuferzellen sind hierbei die frühesten B-Lymphoid-Vorläufer im menschlichen Fötus und könnten eine wichtige Rolle bei der pränatalen B-Vorläufer-Leukämie-Initiierung spielen. Ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Pathomechanismen könnte eines Tages eine Prävention der ALL bereits in utero möglich machen.1,4
 

Referenzen:
  1. Roy, Anindita, MRCPCH FRCPath PhD, Ardehali Hossein PhD, Pathogenesis of pediatric leukemia; https://www.paediatrics.ox.ac.uk/team/anindita-roy
  2. Greaves M. (2018). A causal mechanism for childhood acute lymphoblastic leukaemia. Nat Rev Cancer. 2018 Aug;18(8):471-484. 
  3. O'Byrne S. et al. (2019). Discovery of a CD10-negative B-progenitor in human fetal life identifies unique ontogeny-related developmental programs. Blood. 2019 Sep 26;134(13):1059-1071.