Herzkatheter-Untersuchungen sollten bei wiederbelebten Herzstillstand-Patient:innen mit unklarer Ursache besser nicht direkt nach Eintreffen im Krankenhaus erfolgen. Das ist das Ergebnis der Studie TOMAHAWK-DZHK4, die auf dem ESC-Kongress vorgestellt und im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde.
Etwa 75.000 Menschen pro Jahr erleiden in Deutschland einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb des Krankenhauses. Bei nahezu der Hälfte ist er die Folge eines Herzinfarkts, andere Ursachen sind primäre Herzrhythmusstörungen, Hirnblutungen, Lungenembolien oder Traumata. 15 bis 20 Prozent der Betroffenen können durch Herzdruckmassage und Elektroschocks wiederbelebt werden.
Ein Teil der wiederbelebten Patient:innen hat eindeutige Merkmale für einen Herzinfarkt im EKG, die sogenannten ST-Hebungen. Diese Patient:innen werden sofort nach Eintreffen in der Klinik per Herzkatheter untersucht, wodurch verengte Herzkranzgefäße sichtbar gemacht und geweitet werden können. Bei allen anderen, die ins Krankenhaus kommen, bleibt die Ursache zunächst häufig unklar. Hinzu kommt, dass Patienten selbst keine Auskunft über Symptome vor oder nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand geben können, da sie in den allermeisten Fällen bewusstlos sind.
"Kardiale Ursachen sind für einen Herz-Kreislauf-Stillstand am wahrscheinlichsten, deshalb lag es lange nahe, alle von denen wir nicht wissen, was sie haben, umgehend zu kathetern", sagt Studienleiter Prof. Steffen Desch vom Universitären Herzzentrum Lübeck. Ob das für diese Patientengruppe auch am besten ist, darin waren sich Mediziner:innen bislang nicht einig.
Für eine sofortige Herzkatheter-Untersuchung, auch Koronarangiographie genannt, spricht, dass das Herz weniger Schaden nimmt, wenn verschlossene Gefäße frühzeitig geöffnet werden. Aber natürlich nur dann, wenn auch ein Infarkt vorliegt. Liegt keiner vor, werden die Patient:innen den Risiken einer solchen Untersuchung unnötig ausgesetzt und andere diagnostische Maßnahmen kommen eventuell zu spät.
Die TOMAHAWK-DZHK4 Studie wollte hier mehr Klarheit schaffen. Sie hat deshalb untersucht, ob sich die 30-Tage-Überlebensrate von wiederbelebten Patient:innen mit unklarer Ursache des Herz-Kreislauf-Stillstandes unterscheidet je nachdem, ob sie eine sofortige oder verzögerte bzw. auch keine Koronarangiographie erhalten haben.
Das Ergebnis hat Desch und sein Team überrascht, auch wenn die COACT-Studie von 2019 schon darauf hindeutete: "Wir haben zwischen den beiden Vorgehensweisen kaum Unterschiede gefunden, eher ist es so, dass die frühe Untersuchung nachteilig ist", fasst Desch zusammen.
Die Daten von 530 Patient:innen, die nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt worden waren, haben die Forschenden ausgewertet. Die Patient:innen in der Sofort-Gruppe wurden rund drei Stunden, nachdem sie im Krankenhaus eingetroffen waren, per Koronarangiographie untersucht. Von ihnen waren nach 30 Tagen 143 verstorben. Die andere Gruppe wurde im Mittel zwei Tage intensivmedizinisch betreut, bevor ein Herzkatheter durchgeführt wurde. Wurden zwischenzeitlich andere Ursachen des Kreislaufstillstandes identifiziert, verzichtete das Behandlungsteam auch ganz auf die Koronarangiographie. In dieser verzögerten Gruppe verstarben 122 Personen innerhalb der ersten 30 Tage. Schwere neurologische Schäden waren bei der Sofort-Gruppe sogar etwas häufiger.
Was bedeutet das für die Notfallsituation im Krankenhaus? Prof. Desch empfiehlt seinen Kolleg:innen: "Bei der Mehrheit der Patienten gibt es keinen Grund, gerade auch in angespannten Situationen wie Nachtdiensten überhastete Koronarangiographien durchzuführen. Nehmen Sie sich Zeit und verfolgen Sie den klinischen Verlauf. Sollten sich nach ein bis zwei Tagen keine weiteren Ursachen für den Herz-Kreislauf-Stillstand gefunden haben, kann eine Herzkatheter-Untersuchung Klarheit bringen."
Quelle:
Desch et al: Angiography after Out-of-Hospital Cardiac Arrest without ST-Segment Elevation, New England Journal of Medicine, 29 August 2021.