Nebenwirkungen moderner immunonkologischer Therapeutika

In Deutschland ist das maligne Melanom der am häufigsten vorkommende Tumor bei jungen Frauen (20-30 Jahre). Neben der Prophylaxe durch adäquaten Sonnenschutz und neue Therapeutika spielt das Management von Nebenwirkungen eine wichtige Rolle.

Immuncheckpoint-Inhibitoren bei malignem Melanom

Ipilimumab wurde als erster Immuncheckpoint-Inhibitor zur Therapie des malignen Melanoms zugelassen. Die PD-1-Inhibitoren Nivolumab und Pembrolizumab sowie der LAG-3-Inhibitor Relatlimab kommen bei der Behandlung des malignen Melanoms ebenso zum Einsatz. Hassel betonte bei ihrer Aufzählung der ICIs zur Melanomtherapie, dass der ICI Relatlimab in Deutschland jedoch nicht erhältlich ist.1

irAEs durch Immuncheckpoint-Inhibitoren

Hauptvertreter der immunonkologischen Therapeutika sind die Immuncheckpoint-Inhibitoren. Sie können mit einem breiten Spektrum an autoimmunen Nebenwirkungen einhergehen. Diese werden als "immune-related adverse events" (irAEs) bezeichnet. In einigen Gesichtspunkten ähneln sie klassischen Autoimmunopathien. Die irAEs können unterschiedliche Organsysteme betreffen. Die häufigsten irAE, die bei einer Krebsimmuntherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren auftreten können sind kutan. Die kutanen irAE ahmen verschiedene Hauterkrankungen nach.1,2

Krebstherapie auf Kosten der Eigentoleranz

Hassel zufolge beruhen die irAEs von Immuncheckpoint-Inhibitoren auf dem Wirkmechanismus dieser immunonkologischen Therapeutika. Immuncheckpoints sind Schaltstellen im Immunsystem, die nach einem abgelaufenen Infekt Autoimmunität durch T-Lymphozyten verhindern sollen. Diese Regulationsmoleküle des Immunsystems sind essentiell für die Eigentoleranz. Immuncheckpoints sind T-Zellrezeptoren, die die Aktivität von T-Lymphozyten steuern können. Zu ihnen gehören CTLA-4, PD-1 und LAG-3. Im Rahmen einer Tumortherapie ist es jedoch gewünscht, dass die Tumorzellen erkannt und vernichtet werden. Durch den Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren werden anerge T-Lymphozyten wieder aktiviert – für den Preis der Autoimmunität.1

Autoimmune Genese unterscheidet sich unter den ICIs

Die meisten irAEs besitzen eine autoimmune Genese. Sie werden durch ICI-aktivierte CD8+ zytotoxische T-Zellen vermittelt. Es kann sogar zur Produktion pathogener Antikörper durch aktivierten B-Zellen kommen. Hassel betonte, dass jedoch die wenigsten irAEs zu einer Produktion von autoimmunen Antikörpern führen. Die mit ICI assoziierten irAEs unterscheiden sich je nach Zielstruktur. So führt die Blockade von CTLA-4 hauptsächlich zur Aktivierung von T-Zellen und zur Hemmung von Treg-Zellen. Die Mechanismen, die den durch Anti-PD-1/PD-L1-ICIs ausgelösten irAEs zugrunde liegen sind komplizierter. Ein besseres Verständnis der Mechanismen, die den irAEs der unterschiedlichen ICI zugrunde liegen ist die Grundvoraussetzung für ein besseres Management dieser Nebenwirkungen.1

Fast der gesamte Körper kann von irAEs betroffen sein

Neben der Haut (Steven-Johnson Syndrom, Vitiligo, bullöse Dermatitis) können irAEs auch den Magen-Darm-Trakt (Kolitis), das Pankreas (Pankreatitis), die Lunge (Pneumonitis), die Leber (Hepatitis), die Nieren, das muskukoskelettale System (Myositis, entzündliche Arthritis), das kardiovaskuläre System (Myokarditis, Perikarditis), die Augen (Uveitis, Episkleritis), das Nervensystem (Enzephalitis, aseptische Meningitis, Transverse Myelitis, Myasthenia gravis, Guillain-Barré-Syndrom) sowie die endokrinen Organe (autoimmuner Diabetes, Thyreoiditis, Hypophysitis) betreffen. Hassel betonte in ihrem Vortrag, dass je nach angewandtem ICI unterschiedliche Organsysteme betroffen sein können. Individuelle Faktoren des jeweils mit ICI behandelten Patienten spielen hierbei ebenso eine Rolle.1,2

Säulen des Managements der Nebenwirkungen von irAEs

Zu den Säulen des Managements der Nebenwirkungen von irAEs zählen die Identifizierung von Risikofaktoren für das Auftreten von irAEs, die Ermittlung von Referenzwerten zu Therapiebeginn mit ICIs sowie die Schulung von Arzt und Patient zu den unterschiedlichen irAEs. Neben der Erstellung eines Differentialblutbildes sollten zu Therapiebeginn serologische Tests (Hepatitis A/B/C, HIV, CMV, EBV) sowie die Erhebung bestimmter klinischer Parameter (Elektrolyte, Kreatinin, Glucose, TSH, LDH, AST, ALT, Bilirubin, Harnstoff, CK, freies Thyroxin) erfolgen. So können patientenindividuelle Risikofaktoren ermittelt werden. Im Rahmen des Monitoring sollte der Patient vor jedem neuen ICI-Zyklus untersucht werden. Bei leichten irAEs kann die ICI-Therapie Hassel zufolge fortgesetzt werden. Hier reicht lediglich eine symptomatische Behandlung der irAEs aus. Bei persistierenden leichten bis mittelschweren irAEs kann die ICI zunächst pausiert werden. Hier können auch orale Kortikosteroide (Prednison 1 mg/kg/d) zum Einsatz kommen. Bei schwerer lebensbedrohlicher Symptomatik sollten Kortikosteroide schnell und hochdosiert (intravenös Methylprednisolon 2 mg/kg/d) verabreicht werden. Hassel betonte, dass bei Auftreten von Symptomen während einer ICI-Therapie die Abklärung von Differentialdiagnosen parallel zur Therapie verlaufen sollte. Es gilt die wahrscheinlichste Diagnose (irAE) primär zu behandeln. Bei Nichtansprechen der Kortikosteroide sollte schnell eskaliert werden.2

Quellen:

  1. Lamos C. et al. (2020). Checkpoint-Inhibitoren – Indikation und Verwendung bei Melanompatienten [Checkpoint inhibitors-indications and application in melanoma patients]. Z Rheumatol. 2020 Oct;79(8):818-825. German.
  2. Hassel Jessica, Prof. Dr. med., Nebenwirkungen moderner Tumortherapien, Update: Therapie – Hautkrebs, FOBI 2024, Donnerstag, 11. Juli 2024, 11:54 Uhr.
  3. Okiyama N. et al. (2022). Immune-related adverse events in various organs caused by immune checkpoint inhibitors. Allergol Int. 2022 Apr;71(2):169-178.