NOACs sind inzwischen "Standard of care" in der modernen VTE-Therapie. Dass Rivaroxaban auch bei Hochrisikopatienten wirksam und sicher ist, die Rezidiv-und Komplikationsraten im Alltag denen in klinischen Studien entsprechen, die Krankenhausverweildauer verkürzt und PTS möglicherweise seltener auftreten - darauf deuten Real-World-Evidence (RWE)-Daten hin, die Prof. Dr. Jan Beyer-Westendorf vom Uniklinikum Carl Gustav Carus in Dresden auf einem Satelliten-Symposium auf der GTH in Wien vorstellte.
Prospektive Register und retrospektive Gesundheitsdatenbanken zeigen, dass die Zahl von Hochrisikopatienten unter NOACs (Rivaroxaban) hoch ist: So liegt der Anteil der Lungenembolie-Patienten und der Anteil der Patienten mit einer unprovozierten Thrombose bei 30% in PREFER VTE, bei 65% in XALIA, bei 80% in REMOTEV und bei bis zu 100% (Coleman et al.).
Die Daten bestätigen die Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban im Alltag, Rezidivraten und Komplikationsraten entsprechen den in klinischen Studien ermittelten Raten. Coleman (Thromb Res. 2018) zeigt, dass Rivaroxaban (vs. VKA) auch bei Patienten mit bekannter Thrombophilie wirksam ist. Sowohl die EINSTEIN-Studie als auch XALIA weisen nach, dass VTE-Patienten, die in die Klinik eingewiesen werden, unter NOACs (vs. VKA) eine kürzere Krankenhausverweildauer haben: 5 vs. 8 Tage.
Im EINSTEIN-Follow-up fand sich ein Trend, dass es unter Rivaroxaban zu weniger postthrombotischen Syndromen (PTS) kommt. Allerdings war die Studie underpowert und das Signal nicht-signifikant. Eine Auswertung der U.S. claims database analysis mit 10.463 Rivaroxaban- Patienten und 26.494 Warfarin-Patienten ergab allerdings eine Risikoreduktion von PTS (Endpunkt venöse Ulcera) um 19%.
Real-World Evidence (RWE)-Daten zu NOACs in der Thrombosetherapie sind derzeit allerdings noch überwiegend Rivaroxaban-Daten: "Ich hoffe, dass wir für die anderen NOACs auch zeitnah diese Alltagsdaten sehen", so Beyer-Westendorf.
Prof. Dr. Rupert Bauersachs, Direktor der Klinik für Gefäßmedizin in Darmstadt, stellte dazu ein Ampelschema vor: Patienten, bei denen abgesetzt werden kann, Patienten, die unbedingt länger antikoaguliert werden müssen und Patienten, bei individuell entschieden werden kann.
Nach 3 bis 6 Monaten Antikoagulation (Erhaltungstherapie) stellt sich die Frage des Absetzens. Dass das Rezidivrisiko nach Absetzen hoch ist, zeigen die Daten von Martinez (Thromb Haemost 2016) mit 41.841 VKA-Patienten. Schon nach 30 Tagen kommt es bei Patienten mit unprovozierter VTE zu einem deutlichen Anstieg an Rezidiven, bei den provozierten VTEs fällt er etwas geringer aus.
Absetzen oder fortführen? Mögliche Kriterien sind:
Dauer der Antikoagulation |
kürzer |
länger |
---|---|---|
Risikofaktor | passager | fortbestehend |
Genese | Trigger | unklar |
Rezidiv | nein | ja |
Geschlecht | weiblich | männlich |
Thrombose | distal | proximal |
Thrombusausdehnung | kurzstreckig | ausgedehnt |
D-Dimere | normal | erhöht |
Schwere Thrombophilie | - | + |
Patientenpräferenz | ||
Qualität der Einstellung | gut | Nicht so gut |
Blutungsrisiko | hoch | Nicht so hoch |
Nutzen und Risiken einer verlängerten Erhaltungstherapie mit NOACs war Gegenstand der EINSTEIN Ext-Studie. Nach Absetzen zeigte sich in der Placebogruppe eine Rezidivrate von 7%. Die relative Risikoreduktion mit Rivaroxaban (1x20mg) lag bei 80%, die absolute Risikoreduktion bei 6% mit einer NNT von 15. Bei den Major Bleedings gab es keinen Unterschied zu Placebo.
In AMPLIFY-EXT wurde eine Prophylaxe-Dosis untersucht: 2x2,5 mg Apixaban täglich führten zu einer Risikoreduktion um zwei Drittel (HR: 0,33), die Blutungen waren auf Placebo-Niveau. Dass Rivaroxoban 1x10mg eine zusätzliche Option bei VTE-Patienten für die verlängerte Sekundärprophylaxe darstellt, zeigt EINSTEIN-CHOICE. Für eine Langzeitbehandlung reicht offenbar auch eine Prophylaxedosis.
Offenbar beugt Rivaroxaban plus ASS schweren kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten mit chronischer KHK oder pAVK besser vor und senkt die Gesamtmortalität stärker als eine ASS-Monotherapie. Das ist das Ergebnis der COMPASS-Studie, die Prof. Dr. Christoph Bode, Ärztlicher Direktor der Freiburger Klinik für Kardiologie und Angiologie vorstellte.
Bei stabilen Koronarpatienten und Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit war ASS lange Zeit Standardtherapie. In der ATT Collaboration konnte durch ASS (vs. Kontrolle) eine Verringerung der Ereignisrate auf 6,7 erzielt werden. In der CAPRIE-Studie (ASS vs. Clopidogrel) liegt die Rate bei 5%. Bei CHARISMA (Placebo vs. Clopidogrel) und PEGASUS (Placebo vs. Ticagrelor) konnten die Ereignisraten zwar auf 3% gesenkt werden, doch das ist auf die gute Begleittherapie durch Statine zurückzuführen. In EUCLID wurde Clopidogrel vs. Ticagrelor bei pAVK-Patienten getestet, doch die Ereignisraten konnten nicht signifikant reduziert werden. Eine weitere Verschärfung der Anti-Plättchen-Therapie senkte die Ereignisrate nicht.
In ATLAS ACS 2 wurde deshalb untersucht, ob die zusätzliche Hemmung der Gerinnungskaskade durch Rivaroxaban Vorteile gegenüber der alleinigen Thrombozytenaggregationshemmung bringt. Dazu erhielten Patienten 1 Jahr nach MI zusätzlich zur Plättchenhemmung eine 2,5 mg 2x tägl. Rivaroxaban. Die Gesamtmortalität konnte so um 42% gesenkt werden.
Doch wirkt dieses Prinzip auch bei Patienten mit stabiler KHK? COMPASS wollte diese Frage klären und schloss 27.395 Patienten mit chronischer KHK und pAVK ein. Verglichen wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban, Rivaroxaban plus ASS oder ASS Monotherapie zur Reduktion von Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod. Die Patienten wurden auf 3 Arme randomisiert: Rivaroxaban 2,5 mg 2 x täglich plus ASS 100 mg täglich, Rivaroxaban 5,0 mg 2 x täglich oder auf ASS 100 mg täglich. Die Studie war auf 4 Jahre angelegt, musste aber aufgrund der Überlegenheit der dualen Therapie nach 23 Monaten abgebrochen werden. Rivaroxaban plus ASS führte in der Gesamtanalyse zur Reduktion von kardiovaskulärem Tod (HR 0,82), Schlaganfall (HR: 0,54) und MI (HR: 0,76).
In der Subgruppen-Analyse bei Patienten mit pAVK zeigte sich eine Reduktion von großen Amputationen um 70%. MACE (Major adverse cardiac events) wurden um 28% reduziert, und MALE (Major adverse limb events) um 46% verringert.
Schwere Blutungen waren unter Rivaroxaban plus ASS im Vergleich zur ASS Monotherapie erhöht, es zeigte sich aber kein signifikanter Unterschied bei tödlichen und intrakraniellen Blutungen. Durch die duale Therapie konnte die Gesamtmortalität um 18% reduziert werden.
Quelle:
Satellite Symposium Bayer: "Umfassendes Thrombosemanagement mit NOACs – wo stehen wir?" 22. Februar 2018, GTH Wien.