Psychedelische Therapie und Psychotherapie – Unterschiede und Gemeinsamkeiten und mögliche Probleme für Therapeuten. Auf der Insight 2021 gab Matthew Johnson von der Johns Hopkins Universität spannende Einblicke in seine Arbeit.
Prof. Matthew Johnson ist Professor für Psychedelika an der Johns Hopkins University School of Medicine. Der Experte auf dem Gebiet der Psychedelischen Therapie hat eigenen Angaben zufolge bereits Hunderte Psychedelischer Therapien geleitet und ebenso viele bei jüngeren Kolleg:innen begleitet. Er konnte damit bereits Tabaksüchtigen helfen oder hat Krebspatient:innen behandelt. In seinem Vortrag auf der Insight Conference 2021 beschreibt er die Anwendung der Psychedelischen Therapie, welche Gemeinsamkeiten sie mit der Psychotherapie hat, welche Probleme sich bei der Therapie durch fehlende Normen ergeben könnten und wie sie sich vermeiden ließen.
Die Psychedelische Therapie wurde erstmals in den späten 1950er Jahren in einer wissenschaftlichen Arbeit beschrieben. Dabei wurden nach intensiver Vorbereitung, sprich der Aufklärung und dem Aufbau einer Beziehung zum Therapeuten, Psychedelika in einer hohen Dosis verabreicht, um eine therapeutische Wirkung zu erzielen. Johnson betont, dass es sich dabei nicht um die reine Verabreichung eines Medikamentes handele. Durch Faktoren wie die Verwendung von Augenbinden, ein komfortables Umfeld und dann auch die anschließende Diskussion soll das Vertrauen der Patient:innen in die Therapie gestärkt werden.
Die Psychedelische Therapie bringe dauerhafte Vorteile, egal ob bei gesunden Menschen oder kranken, Menschen mit einer schweren depressiven Störung oder mit Alkoholsucht, weil sie biologische oder physiologische Veränderungen im Körper verursacht - Verhaltensänderungen. "Ich denke, wir sollten mehr darüber nachdenken, wie die Psychotherapie funktioniert und dann über die biologischen Mechanismen, die ich und andere erforschen", sagt der Professor aus Baltimore.
Für Johnson ist die Psychedelische Therapie eine Form der Psychotherapie. Diese ist für Johnson die am meisten emotional aufgeladene Kampfbeziehung zwischen Patient:innen und Fachleuten, die glauben, für psychologische Heilung zuständig zu sein. Darin unterscheide sie sich von anderen hilfreichen Verhaltensweisen wie Gesprächen mit Freunden und Familienmitgliedern, weil es einen Rahmen speziell für die therapeutische Heilung gebe. 2011 hatte Johnson in einer Studie zu Psilocybin entdeckt, dass bei einer hohen Dosis die Person offener für neue Erfahrungen wurde. Eine Eigenschaft der klassischen Psychedelika, die in der psychedelischen Therapie eingesetzt werden.
Ein besonders wichtiger Faktor bei der Arbeit ist für Johnson der Vertrauensvorschuss bei seinen Patient:innen, den er durch eine umfassende Aufklärungsarbeit vor der Therapie erhält. So bereite er sie auch auf die herausfordernden Erfahrungen in der Therapie vor, auf mögliche Bad Trips. Patienten mit militärischer Kampferfahrung hatten die Therapie später als die intensivste beängstigende Erfahrung ihres Lebens empfunden. Bei der psychedelischen Therapie könne man das Gefühl haben, den Verstand zu verlieren, als würden man nie wieder zurückkommen, während man etwa frühere traumatische Erfahrungen erlebe. Bei dieser Therapie begleite der Therapeut die Patientin oder den Patienten auf seinem "Gang durch die Hölle und zurück", er beruhige während der Sitzung und bleibe die ganze Zeit an der Seite. Nach der Sitzung gebe es diese verstärkte Bindung zwischen beiden in Bezug auf die emotionalen Erfahrungen. Vielleicht ändere sich auch der Blickwinkel der Patientin oder des Patienten.
Rauchen etwa sei bei vielen Menschen an ihre Selbstidentität gebunden. Psychedelische Substanzen scheine eine tiefgreifende Wirkung zu haben, wenn es um die Vermittlung persönlicher Einsichten gehe. "Bei den Menschen kann es sich wirklich um eine Verschiebung der Lebensprioritäten handeln", sagt Johnson, "um eine Verschiebung in der Art und Weise wie sie über Dinge denken und welche Bedeutung sie in ihrem Leben haben. Teilnehmer, mit denen ich gearbeitet habe, haben gesagt: 'Ich konnte mich wirklich einfach entscheiden, mit dem Rauchen aufzuhören.' Einer sagte: 'Es ist wirklich so, als würde ich einen Käfer wegschnippen. Ich kann wirklich einfach beschließen, mit dem Rauchen aufzuhören.'"
Dass passiere durch die schwere seelische Arbeit, die die Patient:innen hinter sich hätten. Die Leute würden sich nach einer Sitzung emotional und physisch völlig erschöpft fühlen. Deshalb würde Johnson auch nicht mehrere Sitzungen kurz hintereinander empfehlen. "Die Leute haben das Gefühl, dass sie wirklich in die Tiefen ihres Geistes vorgedrungen sind, dass sie mit den Problemen, die sie beschäftigen, gerungen haben. Ich glaube, das kann zu einer Selbstwirksamkeit führen, bei der die Menschen das Gefühl haben, dass sie wirklich an die psychologischen Wurzeln ihrer Probleme herangekommen sind." Anstatt nur zu beobachten und nur die Symptome zu behandeln, gehe es weit unter die Oberfläche. Genau hier liegen für Johnson aber auch die Fallstricke, da diese Emotionen und die starke Bindung an die behandelnde Person verletzlich machen.
Johnson hat bereits 2008 Richtlinien zur Sicherheit von Psychedelika veröffentlicht, deren Anwendung er bei einer Zulassung entsprechender Therapien in der klinischen Praxis empfehlen würde. Johnson plädiert für entsprechende Vorschriften bei der Verwendung etwa mit Psilocybin und dass die Behandlung nur von geschulten Therapeut:innen durchgeführt wird. Es müsse eine Anleitung für die Psychedelische Therapie und die Forschung mit psychedelischen Substanzen geben.
Aber es gibt für ihn weitere, weniger offensichtliche Fallstricke auf der metaphysischen Ebene. Johnson befürchtet, dass Therapeut:innen in die Rolle von religiösen Priestern oder Gurus gedrängt werden und philosophische Fragen klären sollen, die sich gar nicht empirisch beantworten lassen. Zum Beispiel: Ist die psychedelische Erfahrung ein Blick in die ultimative Wirklichkeit? Ist sie ein Einblick in den Geist Gottes? Erhöht sie irgendwie unsere Wahrnehmung anderer Dimensionen, die möglicherweise existieren? Hier wissen Therapeut:innen nicht mehr als alle anderen, und darum solle es bei der Therapie nicht darum gehen, Interpretationen zu bestätigen oder zu leugnen, sondern einfach darum, den Hintergrund für Sicherheit und psychologische Heilung zu schaffen. Der Mensch soll nicht in eine Richtung gedrängt werden. "Wenn Sie zum Beispiel jemanden zum Glauben an Gott drängen, ist das dann etwas Gutes oder Schlechtes?", fragt Johnson. Man wisse auch nicht, ob wiedererlangte Erinnerungen wirklich wahr seien, etwa bei sexuellem Missbrauch. Hier müsse man sehr vorsichtig sein. Es könne in diesem Bereich schwierig sein, solche Unterscheidungen zu machen.
Johnson macht klar, dass die Versuchung bei der psychedelischen Therapie groß ist, die Macht auf verschiedenste Weise zu missbrauchen. Etwa, indem man sich selbst als die Person hinstellt, die das Wissen über diese metaphysischen Glaubenssysteme hat. "Wir brauchen einfach viel mehr Präzision bei der Verwendung des Wortes Bewusstsein in dieser Forschung, denn es wird sehr viel darüber gesprochen."
English Version: Psychedelic therapy: How it works and where danger hides (esanum.com)
Version française: Thérapies psychédéliques et psychothérapies: éviter les pièges (esanum.fr)