Die Methode heißt "Augmentierte Psychotherapie" und zeigt, wie Depressionen behandelt werden können, wenn Psychotherapie und Psychopharmakologie kombiniert werden. Genau das machen Dr. med. Andrea Jungaberle und ihre KollegInnen in ihrer Friedrichshainer Gemeinschaftspraxis. Wir haben das interdisziplinäre Team besucht und uns über das innovative Verfahren informiert.
Bei der Behandlung von Depressionen stellen pharmakologisch basierte Langzeittherapien oft das Mittel der Wahl dar. Ein neuer Ansatz, um depressiven Menschen zu helfen, ist die Augmentierte Psychotherapie, bei der unter anderem bewusstseinserweiternde Substanzen zum Einsatz kommen. Die so induzierten, veränderten Bewusstseinszustände werden anschließend therapeutisch integriert. "Augmentierte Psychotherapie meint letztendlich Psychotherapie plus. Das heißt, wir ergänzen Psychotherapie durch etwas, was dazukommt, in unserem Fall meistens die Gabe von Ketamin intravenös. Oder auch Techniken, die nicht pharmakologisch das Bewusstsein verändern, wie zum Beispiel die Lucía-Lampe", erläutert Dr. med. Andrea Jungaberle, Mitgründerin der "Praxis für Psychiatrie & Psychotherapie - Augmentierte Psychotherapie" im Berliner Stadtteil Friedrichshain.
Studien aus den USA und die Evidenzlage weisen darauf hin, dass die Ketamin-assistierte Psychotherapie etwa bei der Behandlung schwerer Depressionen, behandlungsresistenter Depressionen, Substabzgebrauchs- oder Angststörungen oder sogar Burnouts therapeutische Erfolge erzielen könnte, so die Medizinerin. In ihrer Praxis werden so allerdings vorwiegend Depressionen behandelt. Der gesundheitliche Zustand der PatientInnen wird zuvor genau überprüft, zum Beispiel auf Vorerkrankungen. "Da werden wir sehr vorsichtig. Bei Patienten, die vor kurzem einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten haben, würden wir sehr genau gucken, ob die Patienten geeignet sind." Dr. med Sebastian Gaus, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ergänzt: "Kontraindikationen aus psychiatrischer Sicht wären zum Beispiel psychotische Erkrankungen oder auch eine bipolare Erkrankung mit häufigen manischen Phasen oder auch eine aktive Substanzgebrauchsstörung."
Können Kontraindikationen ausgeschlossen werden, erfolgt eine genaue Vorbereitung in therapeutischen Sitzungen. Bereits im Vorfeld der Ketamingaben können mithilfe von Licht oder Atemtechniken veränderte Bewusstseinszustände erreicht werden. Schließlich wird Ketamin in einem kontrollierten Setting unter psychologischer und anästhesiologischer Begleitung verabreicht. Die PatientInnen erleben durch die Gabe von Ketamin intensive Bewusstseinsveränderungen. Neurophysiologisch gesehen, werden Rezeptoren im Gehirn aktiviert, die normalerweise bei depressiven Personen sehr schlecht aktiviert werden können. Dies ermöglicht ein anderes Erleben und Empfinden. In anschließenden psychotherapeutischen Sitzungen werden die unter Ketamin gemachten Erfahrungen integriert.
Von der psychotherapeutisch begleiteten Ketamintherapie verspricht sich das Team vor allem auch für diejenigen Personen Erfolge, bei denen die klassische Langzeitbehandlung mit Antidepressiva keine Verbesserung der gesundheitlichen Lage bewirken. "Wir sehen zunehmend Menschen, die unter einer langfristigen Psychopharmakotherapie, z.B. mit Antidepressiva, keine Verbesserung ihrer Depressionssymptome sehen oder auch unter einer hohen Nebenwirkungslast leiden. Diese Patienten machen ungefähr ein Drittel bis 50 Prozent der Patienten aus, die Antidepressiva einnehmen. Und hier eine neue Therapiealternative zu bieten, ist für uns ein Auftrag", so Gaus.