Das Schädel-Hirn-Trauma ist stets die Folge einer äußeren Gewalteinwirkung, z. B. nach einem Sturz, einem Unfall oder auch nach einer Kindeswohlgefährdung. Insbesondere bei Kleinkindern mit vermeintlich leichtem Schädel-Hirn-Trauma ist es oft schwieriger, die Notwendigkeit für eine Bildgebung sicher zu erheben. Der Glasgow Coma Scale gibt hier einen Anhaltspunkt. Doch sollte er im Notfall kontinuierlich erhoben werden, um auf Veränderungen und Verschlechterungen rasch reagieren zu können. Denn unter anderem danach und auch, wie stabil das Kind schließlich ist, richtet sich die Auswahl des bildgebenden Verfahrens und das weitere Vorgehen in der Notfallsituation.
Das schwere Schädel-Hirn-Trauma (SHT, etwa 1–1,5 % der Fälle) erhält in der Regel anhand seiner Symptomatik mit teils offenen Kopfwunden und Verletzungen des Gehirns, inklusive der damit einhergehenden Funktionsausfälle (Glasgow Coma Scale; GSC < 9) ein Notfall-CT und sofern nötig, eine rasche druckentlastende OP, um Sekundärschäden am Gehirn möglichst frühzeitig abzuwenden.
Das leichte SHT (ca. 95 % der Fälle) ist hingegen oft nicht so eindeutig einzuschätzen. Gerade bei Kleinkindern unter 24 Monaten, die sich noch nicht ausreichend über Sprache mitteilen können, deuten Schläfrigkeit, Inappetenz und Spielunlust nicht selten auf ein leichtes SHT infolge eines Sturzes hin.
Gemäß Leitlinie soll ein Kind, welches einem Pädiater in der Niederlassung vorgestellt wird, bei Vorliegen der folgenden Anzeichen und Symptome ins Krankenhaus zur Überwachung und Behandlung eingewiesen werden:
Die kraniale Computertomographie (cCT) stellt den Goldstandard einer schnellen Bildgebung bei akzidentellen intrakraniellen Verletzungen dar. Jedoch ist aufgrund der derzeitigen Studienlage von einem möglichen Langzeitrisiko für die Entstehung von Malignomen infolge eines cCT auszugehen. Deshalb plädieren Kinderärzte, Kinderradiologen und Kinderchirurgen gemeinsam für die Einhaltung des ALARA-Prinzips ("As low as reasonably achievable") und damit für kindgerechte Untersuchungsprotokolle. Doch Vorsicht: Eine Dosisreduktion ist andererseits auch immer mit einer Zunahme der Unschärfe der Detektion verbunden.
Obligate Indikationen für die Anwendung eines cCT bei einem Kind mit SHT sind beispielsweise:
Fakultativ kann das cCT bei folgenden Umständen und Symptomen eingesetzt werden:
In allen anderen Fällen, in denen beispielsweise nur ein leichtes SHT vorliegt oder aufgrund der Gesamtsituation ausreichend Zeit zur Verfügung steht, empfiehlt es sich, die Kinder initial für 48 Stunden stationär zu beobachten. Zur Überwachung eines möglichen Hämatom- oder Blutungsrisikos stehen neben dem cCT weitere Methoden mit unterschiedlichem Potenzial zur Verfügung.
Die Sonographie ist insbesondere bei Säuglingen die Methode der Wahl, wenn ausreichend Zeit und Erfahrung auf Arztseite vorhanden sind. Intrakranielle Hämatome lassen sich mit der Sonographie ebenso nachweisen wie Knochenbrüche. Dennoch können auf der anderen Seite SHT-Folgen nicht sicher ausgeschlossen werden.
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist möglicherweise sensitiver und spezifischer als das CT zur Beantwortung von Prognose-Fragen beim SHT, doch gibt es dafür noch keinerlei Evidenz. Da Vorbereitung und Durchführung eines MRT zudem sehr zeitaufwändig sind, ist dieses Verfahren für die Akut-Diagnostik des SHT nicht geeignet. Beim stabilen Kind aber kann das MRT eingesetzt werden, z. B. in der Verlaufskontrolle, bei inadäqatem Wachwerden, wenn die Klinik nicht zum CT-Befund passen will, zur Abschätzung möglicher Folgeschäden oder auch beim spinalen Trauma.
Das klassische Röntgen ist bei akzidentellem SHT nicht indiziert, da es bis zu 25 % der Frakturen des Schädels nicht detektiert und intrakranielle Verletzungen auch nicht sicher ausschließen kann. Einzige Ausnahme ist der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung: Hier darf das Röntgen des Schädels aus forensischen Beweggründen durchgeführt werden.
Beim leichten SHT ohne Bewusstlosigkeit ist stets abzuwägen, ob eine sorgfältige Beobachtung unter stationäre Bedingungen über 48 Stunden hinweg gegenüber einem initialen cCT mit Strahlenrisiko eine geeignete Alternative darstellt. Wichtig: Ein indiziertes CT darf dadurch aber nicht verzögert werden.
Beim schweren SHT bleibt indes das cCT das Mittel der Wahl in der akuten Bildgebung. Die Notfallmedizin sollte sich dabei aber stets an das ALARA-Prinzip halten, mit kindgerechten Diagnostik-Protokollen! Studien zeigen ein nicht unerhebliches Malignom-Risiko durch die Strahlenbelastung beim CT (Krebsrisiko eines 1-jährigen Kindes = 1:500; Krebsrisiko eines 10-jährigen Kindes = 1:5.000).
Quelle:
"Schädel-Hirn-Trauma", DGKJ, 14.09. 2018, Leipzig