Gemeinsam Aktiv: Wie ACHSE die Landschaft von seltenen Erkrankungen transformiert

Das Netzwerk ACHSE agiert als unermüdlicher Vermittler zwischen Selbsthilfegruppen, Ärzten und der breiten Gesellschaft, um seltene Erkrankungen sichtbar zu machen.

Interview mit Bianca Paslak-Leptien

esanum: Frau Paslak-Leptien, die ACHSE ist ein Netzwerk von Selbsthilfeorganisationen. Wie funktioniert Ihre Arbeit?

Paslak-Leptien: ACHSE ist der Dachverband von über 140 Patienten- und Selbsthilfeorganisationen. Unsere Hauptaufgabe ist es, diese Organisationen bei ihrer Basis- und strukturellen Arbeit zu unterstützen, beispielsweise durch Workshops und unsere Selbsthilfe-Akademie. Wir empowern die Selbsthilfegruppen und bündeln ihre krankheitsspezifische Expertise, um sie in Wissenschaft, Forschung und Politik einzubringen. Die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und unsere Mitarbeit in Projekten wie der Deutschen Genominitiative oder JARDIN auf EU-Ebene ermöglichen es uns, die Patientenseite effektiv zu vertreten. 

esanum: Was sind Ihre Strategien, um unter den niedergelassenen Ärzten bekannter zu werden? 

Paslak-Leptien: Wir vernetzen uns mit Ärzten durch Veranstaltungen und Fachgesellschaften sowie durch Veröffentlichungen in Fach- und Tagesmedien. Unsere Nationale Konferenz zu Seltenen Erkrankungen (NAKSE) und CME-Weiterbildungspunkte sind Teil unseres Angebots. Das Ziel ist es, Ärzten bewusst zu machen, dass es seltene Erkrankungen gibt und wohin sie sich bei Fragen wenden können. Es ist entscheidend, dass Ärzte verstehen, dass seltene Erkrankungen häufiger vorkommen, als man denkt, etwa ein Kind pro Schulklasse ist betroffen.

esanum: Was bedeutet das Motto des Rare Disease Day "Gemeinsam bunt werden und Farben teilen, selten sind viele"?

Paslak-Leptien: Das Motto zeigt, dass seltene Erkrankungen bei einer großen Zahl von Menschen vorkommen – in Deutschland allein vier Millionen. "Bunt werden" drückt Vielfalt aus und stärkt das Gefühl der Gemeinschaft unter Betroffenen. Es ist ein Zeichen der Solidarität und des Bewusstseins in der Gesellschaft. Die Farben des Tages der seltenen Erkrankungen werden genutzt, um sichtbar zu werden. Auch nicht sichtbare Erkrankungen brauchen Aufmerksamkeit.

esanum: Wie kann mehr Aufklärung helfen?

Paslak-Leptien: Mehr Sichtbarkeit hilft, die Diagnosefindung für seltene Erkrankungen zu erleichtern und schafft Verständnis. Betroffene fühlen sich oft allein gelassen. Aufklärung kann helfen, Solidarität und Verständnis für die Herausforderungen im Alltag zu fördern. Beispielsweise finden viele Betroffene durch Medienberichte endlich Erklärungen für ihre Symptome.

esanum: Sind Sie mit den bisherigen Erfolgen der ACHSE zufrieden?

Paslak-Leptien: Es ist immer Luft nach oben, aber wir haben in den letzten Jahren viel erreicht, zum Beispiel das Bewusstsein für seltene Erkrankungen geschaffen und deren politische Relevanz erhöht. Wir sind stolz darauf, was unser Dachverband mit aufgebaut und vorangetrieben hat. Es gibt unter anderem den Nationalen Aktionsplan und 36 Zentren für Seltene Erkrankungen. Dass Sie uns heute interviewen, zeigt, dass wir Aufmerksamkeit erreicht haben.

esanum: Was sind Ihre zentralen politischen Forderungen?

Paslak-Leptien: Wir fordern beispielsweise die deutschen Zentren für SE noch besser miteinander und mit den Europäischen Referenznetzwerken (ERN) zu vernetzen sowie mit der nicht-spezialisierten Versorgung in den Niederlassungen. Die ambulante Versorgung, die bisher oft unzureichend finanziert ist, muss zudem stärker unterstützt werden. Konkrete Versorgungspfade im ambulanten und stationären Sektor für Seltene Erkrankungen sollen erstellt und veröffentlicht werden, um eine strukturierte und optimale Versorgung zu gewährleisten. Die einheitliche Nutzung von Orpha-Codes und der Alpha-ID-SE soll auch im ambulanten Bereich verpflichtend eingeführt werden. Konkret ausformuliert kann man unsere 20 Forderungen aber in dem Positionspapier „4 Millionen Gründe für eine bessere Gesundheitspolitik!“ nachlesen. 

Rare Disease Day am 28. Februar 2025 

Seit 2008 findet jedes Jahr Ende Februar der weltweite Tag der seltenen Erkrankungen statt. esanum begleitet den Tag und berichtet nicht nur über aktuelle Themen, sondern auch über mögliche Symptomkomplexe, Diagnostik, Therapieansätze und Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Krankheiten. Weitere Beiträge finden Sie im Themenspecial zum Rare Disease Day.