Systemische Mastozytose – selten und aggressiv
Die systemische Mastozytose ist eine seltene Erkrankung mit unbekannter Prävalenz und Inzidenz. Die Pathogenese der Subtypen lässt sich auf die chronische und episodische Freisetzung von Mastzellmediatoren sowie eine übermäßige Ansammlung von Mastzellen im Gewebe zurückführen.
Ätiologie der systemischen Mastozytose: Die aktivierende KIT D816V-Mutation ist meistens schuld
In den meisten Fällen liegt der systemischen Mastozytose die Punktmutation der Tyrosinkinase KIT zugrunde. Diese die KIT aktivierende D816V-Mutation resultiert in einer klonalen Proliferation atypischer Mastzellen. Bei der systemischen Mastozytose handelt es sich um eine seltene, jedoch aggressive Erkrankung: Sie ist durch eine übermäßige Aktivität der Mastzellen gekennzeichnet, die mit der Freisetzung zahlreicher vasoaktiver Zellmediatoren einhergeht. Die am häufigsten freigesetzten Mediatoren sind:
- Histamine
- Zytokine
- Wachstumshormone
- Proteasen
- Tumor-Nekrose-Faktoren
- Phospholipasen
Ein wichtiger diagnostischer Faktor der systemischen Mastozytose ist die Tryptase, da sie fast immer von Mastzellen sezerniert wird.1,2
Hinzukommen verschiedene Trigger…
Nahrungsmittel, Infektionen, Antigene, Allergene, emotionale Reize, Opioide, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAIDs), Hitze, Bewegung, Alkohol, Zytokine, Gifte und Hormone können eine unkontrollierte Mastzelldegranulation triggern. Bei dem IgE-vermittelten Aktivierungsmechanismus bildet das Allergen eine Querverbindung mit dem IgE-Rezeptor, der wiederum die Mastzellen aktiviert und so eine Degranulation auslöst.1,2
Die verschiedenen Subtypen der systemischen Mastozytose unterscheiden sich in ihrer Aggressivität
Die American Academy of Allergy, Asthma & Immunology unterscheidet insgesamt fünf Subtypen der systemischen Mastozytose. Vor Therapiebeginn hilft die Bestimmung der jeweiligen Subgruppe bei der Therapieplanung und Prognose. Die indolente systemische Mastozytose kommt am häufigsten vor und ist die am wenigsten aggressive Form. Neben diesem Subtyp gibt es die smoldering systemische Mastozytose, die aggressive systemische Mastozytose sowie die systemische Mastozytose mit einem assoziierten hämatologischen Neoplasma. Mit zunehmender Reihenfolge der zuletzt genannten Subgruppen steigt auch ihre Aggressivität. Bei der indolenten und der smoldering systemischen Mastozytose besteht ein geringes Risiko der Progression zu einer schwereren Form der Erkrankung. Die unterschiedlichen Subtypen weisen eine ganz bestimmte Altersverteilung auf.1,2
Die indolente systemische Mastozytose ruft eine Vielzahl von Symptomen hervor. Zu diesen zählen:
- Neuropsychiatrische Symptome wie z.B. Depression, Fatigue, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen
- Osteoporose, Osteopenie sowie Schmerzen im Bereich der Knochen und Gelenke
- GIT-Symptome wie z.B. Nausea, Emesis, Diarrhoe und abdominelle Schmerzen
-
Urtikaria, Histaminunverträglichkeit, Mastzellaktivierungssyndrom
- Atemnot und Stridor
Patienten mit einer smoldering systemischen Mastozytose werden mit einer Hepato- und Splenomegalie mit/ohne Lymphadenopathie symptomatisch.1,2
Unterteilung nach Organinvasivität und Überleben
Die WHO-Klassifikation der systemischen Mastozytose hingegen unterteilt diese anhand ihres Progressionsverhaltens in zwei Gruppen ein (non advanced SM / non-AdvSM vs. advanced SM / AdvSM). Bei der nicht fortgeschrittenen SM liegt eine geringere Organinvasivität vor. Das Überleben der Patienten wird durch die nicht fortgeschrittenen SM nur minimal beeinflusst. Im Gegensatz ist die fortgeschrittene SM mit ihren Unterformen organinvasiv. Sie umfasst die aggressive SM, die SM mit assoziierter hämatologischer Neoplasie sowie die Mastzell-Leukämie. Auch das Überleben der betroffenen Patienten wird erheblich beeinflusst. So beträgt das mediane Überleben der Patienten weniger als 4 Jahre.3
Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die systemische Mastozytose
Zur Diagnosestellung einer systemischen Mastozytose sind ein Haupt- und ein Nebenkriterium oder drei Nebenkriterien erforderlich. Die Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die systemische Mastozytose umfassen
- als Hauptkriterium das Vorhandensein multifokaler Cluster abnormaler Mastzellen (mehr als 15% der Mastzellen in Clustern) im Knochenmark oder in extrakutanen Geweben und
- als Minor-Kriterien ein erhöhter Serum-Tryptase-Spiegel (über 20 ng/ml), ≥ 25% atypischer Mastzellen, das Vorhandensein einer KITD 816V-Mutation sowie die abnorme Expression von Mastzellen CD25.1,2
Fazit für die Praxis: Bei Therapie der systemischen Mastozytose auch auslösende Faktoren vermeiden
Die Behandlung der systemischen Mastozytose zielt in erster Linie darauf ab, die auslösenden Faktoren zu meiden. Ist dies nicht möglich, so können verschiedene Medikamente zum Einsatz kommen. Die meisten Behandlungsmöglichkeiten waren bisher supportiv, aber in jüngster Zeit sind auch zielgerichtete Therapien hinzugekommen. Bei aggressiveren Formen der systemischen Mastozytose kommen neben Interferon auch Immunmodulatoren oder Chemotherapeutika zum Einsatz. Für Mastozytose-Patienten ist es zudem empfehlenswert, immer zwei Epinephrin-Injektoren bei sich zu tragen.1-4
Der Tyrosinkinasehemmer Avapritinib, der zuerst für die Therapie von gastrointestinalen Stromatumoren eingesetzt wurde, ist mittlerweile auch für die systemische Mastozytose zugelassen. Avapritinib zeigte positive Ergebnisse bei Betroffenen mit aggressiver systemischer Mastozytose, der systemischen Mastozytose mit assoziierter hämotologischer Neoplasie sowie der Mastzelleukämie.5 Voraussetzung für eine Therapie mit Avapritinib: Mindestens eine vorangegangene systemische Therapie mit einem anderen Medikament. Ende letzten Jahres erfolgte die Zulassung von Avapritinib als erste und einzige Behandlung der indolenten systemischen Mastozytose – der häufigsten vorkommenden und am wenigsten aggressiven Form der SM.6-7 Der Typ-1-Kinase-Inhibitor Avapritinib wird bei einer D842V-Mutation im PDGFRA-Gen eingesetzt. Dieses Gen kodiert den Rezeptortyp α des Thrombozyten-Wachstumsfaktors (PDGF). Avapritinib inhibiert spezifisch die mutierte PDGFRA-Kinase und hemmt ebenso die mutierte KIT-Kinase.8
Rare Disease Day
Seit 2008 findet jedes Jahr Ende Februar der weltweite Tag der seltenen Erkrankungen statt. esanum begleitet den Tag und berichtet nicht nur über aktuelle Themen, sondern auch über mögliche Symptomkomplexe, Diagnostik, Therapieansätze und Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Krankheiten. Weitere Beiträge finden Sie im Themenspecial zum Rare Disease Day.
- Gangireddy M. et al. (2023). Systemic Mastocytosis. StatPearls.
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https://www.aaaai.org/conditions-treatments/related-conditions/systemic-mastocytosis
- Reiter et al. Onkopedia-Leitlinie: Mastozytose Stand Januar 2024, abgerufen am 20.02.2024.
- Pardanani A. et al. (2018). Systemic mastocytosis in adults: 2019 update on diagnosis, risk stratification and management. American Journal of Hematology, 2019.
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10431238/
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https://clinicaltrials.gov/study/NCT03731260
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https://mastozytose-info.de/avapritinib-fda/
- https://flexikon.doccheck.com/de/Avapritinib