Laufen oder schlucken?

Beim Sports, Medicine and Health Summit 2021 hieß es in einer Session: SMHS meets DGPPN. Es ging um körperliche Aktivität und Sport in der Behandlung psychischer Erkrankungen

Am besten eine Kombination

Beim Sports, Medicine and Health Summit 2021 hieß es in einer Session: SMHS meets DGPPN. Es ging um körperliche Aktivität und Sport in der Behandlung psychischer Erkrankungen

Prof. Dr. Andreas Ströhle von der Charité referierte über körperliche Aktivität und Sport in der Behandlung von Depressionen und Angsterkrankungen, den beiden häufigsten psychischen Erkrankungen mit einer Lebenszeitprävalenz von ungefähr jeweils 20 Prozent. Es gibt sehr gute Beispiele dafür, dass psychische Erkrankungen durch Bewegung zu beeinflussen sind. Angst, Depression, auch Stress, das Belohnungssystem – all das wird durch körperliche Aktivität beeinflusst.

Gute Evidenz für Sport gegen Angst und Depression

Für die unipolare Depression gibt es einen Evidenzgrad von 1A, und eine Effektstärke zwischen 0,6 und 0,9.

Bei Angsterkrankungen ist das Feld noch etwas inhomogener. Insgesamt gibt es ein sehr gutes Evidenzlevel von 1A, aber bei der Panik Agoraphobie belegen Studien keine klare Überlegenheit gegenüber der Kontrollgruppe. Aber das kenne man aus Pharmakotherapiestudien auch, dass derartige Ergebnisse die Wirksamkeit insgesamt nicht infrage stellen.

Die ersten guten kontrollierten Studien zur Wirksamkeit von Ausdauertraining stammen aus des USA (Blumenthal et al).

Bei  einer Studie zu älteren Patienten mit einer Depression, schnitt das Ausdauertraining mit der Pharmakotherapie vergleichbar ab, wobei das Sertralin etwas schneller wirksam war. Das Besondere an der Arbeit waren aber die Katamnesedaten, bei denen die Zehn-Monatsrückfallraten beschrieben sind. Die Sportgruppe weist mit 8 Prozent die geringsten Rückfallraten auf im Vergleich zur medikamentösen oder zur Kombinationsbehandlung.

Der Referent möchte nicht behaupten, dass Sport besser wirksam ist als eine Pharmakotherapie. Dazu ist die Studie nicht häufig genug repliziert worden. Aber sie gibt einen Hinweis auf langfristige Effekte von Sport in der Behandlung und Prophylaxe von Depressionen.

Ein Problem sind die eher geringen Fallzahlen der Studien zum Sport in der Psychiatrie, Pharma-Studien weisen in der Regel höhere Fallzahlen auf.

Selbst eine zehntägige Ausdauertrainingseinheit, so haben Kollegen in Berlin zeigen können, hat eine deutliche Verbesserung der depressiven Symptomatik erreichet. Das heißt, man kann auch in relativ kurzer Zeit einen antidepressiven Effekt erreichen - und das ist für die Patienten wesentlich.

Einige Beispiele zeigen unterschiedliche Aspekte von Ausdauertraining in der Depressionsbehandlung.

Brasilianische Kollegen haben zeigen können, dass schwer Depressive, die stationär behandelt werden, mit einem zusätzlichen Training die klinische Symptomatik schneller zurückdrängen konnten, als ein Treatment as usual.

Physiologische Parameter spielen bei der Depression auch eine Rolle – Stichwort metabolisches Syndrom. Auch kardiovaskuläre Risikofaktoren lassen sich durch Ausdauertraining beeinflussen, was Patienten mit einer Depression ebenfalls positiv beeinflusst.

Auch Krafttraining hat vergleichbare Effektstärken. Und für Yoga gibt es ebenfalls Hinweise aus Metaanalysen zur antidepressiven Wirksamkeit. Es geht also darum, den Patienten unterschiedliche Arten von körperlichen Aktivitäten und Sport anzubieten, um möglichst viele Patienten zu erreichen.

Ein wichtiger Aspekt aus der Depressionsforschung spielt bei der Anleitung von Interventionen eine Rolle: Die Patienten sind sehr viel weniger leistungsfähig als Kontrollprobanden. Darauf muss man sich bei den Anforderungen einstellen, um sie nicht zu frustrieren. Wichtig ist, den Patienten zu vermitteln, dass das ein typisches Symptom der Depression sein kann.

Angsterkrankungen und Sport

Viele Arbeiten belegen eine anxiolytische Wirkung von Ausdauersport. Die ersten Arbeiten stammen aus den 70er Jahren. Häufig waren das nichtkontrollierte Studien und Fallkasuistiken. In späteren randomisierten, kontrollierten Studien (Andreas Brooks et al) bei Patienten mit Panikstörungen haben Ausdauertraining mit Placebo und mit Clomipramine verglichen. Die Trainingseffekt war etwas schwächer ausgeprägt, aber im Vergleich zu Placebo doch signifikant wirksam. Eine Folgestudie ergab allerdings keine klare Überlegenheit der Ausdauerintervention.

Training als komplementäre Therapie, nicht als Alternative

Für Patienten mit generalisierter Angststörung gibt es Wirksamkeitsnachweise eines Trainings, wobei Ausdauer- und Krafttraining kombiniert wurden.

Im direkten Vergleich von kognitiver Verhaltenstherapie als erste Linie bei Angsterkrankungen mit Ausdauertraining wird deutlich, dass das Training nicht so gut wirksam ist. Darauf muss immer wieder hingewiesen werden, führte der Referent aus: "Wenn wir überlegen, wo Training, Sport in der Behandlung von psychischen Erkrankungen genutzt werden kann, dann eben nicht im Gegensatz zu anderen Therapieformen, sondern als Ergänzung oder in Kombination zu den klassischen, etablierten, wirksamen Therapiestrategien."

In der Kombination von Ausdauertraining und Psychotherapie zeigt sich, dass diese besser wirkt als die Monotherapie. Davon profitieren besonders die Patienten mit einer sozialen Phobie. Auch Patienten mit einer Panikstörung hatten nach Ausdauertraining zusätzlich zu einer Psychotherapie ein signifikant besseres Follow up als die Kontrollgruppe, die ein reines Bewegungsprogramm absolvierte. Ein Hinweis, dass die Wirksamkeit der Psychotherapie durch Ausdauertraining verstärkt werden kann.

Auch schnelle Effekte möglich

Auch nach einzelnen Trainingsinterventionen, z. B. 30 Minuten auf dem Laufband, können akut anxiolytische Effekte gezeigt werden. Trotz vermehrt körperlicher Symptome nach dem Training war die anxiolytische Wirkung gegeben.

Mechanismen der Verhaltensaktivität beim Sport

Zusammenfassung