Die Debatte um Kosteneinsparungen im Gesundheits- und Arzneimittelbereich ist nicht neu. Insbesondere patentfreie Arzneimittel unterliegen einem großen Wettbewerbs- und Preisdruck. Kosten einsparende Instrumente wie Rabattverträge sind im Generikamarkt weit verbreitet. Seit kurzem werden Rabattverträge auch für Medizinalcannabis-Produkte eingesetzt. Diese bringen allerdings in der Cannabinoidtherapie besondere Herausforderungen mit sich.
Medizinisches Cannabis ist ein pflanzliches Arzneimittel und kann bei einer Vielzahl von Indikationen Symptome lindern, Krankheitsverläufe verbessern und damit einen großen Teil zur Lebensqualität von Patient:innen beitragen. Ein häufiger Einsatz von Cannabis- Arzneimitteln erfolgt beispielsweise in der Schmerztherapie. Die Behandlung von chronischen Schmerzen erfordert einen möglichst gleichmäßigen Wirkspiegel des eingesetzten Präparates. Hierfür ist die sorgfältige Einstellung der Patient:innen auf die individuelle Therapie von entscheidender Bedeutung. Schon bei der initialen Kostenerstattung durch die GKV sind Patient:innen aber besonderen Hürden ausgesetzt, die bei der Standardtherapie, welche bei chronischen Schmerzen oft durch Opiate stattfindet, in der Regel nicht auftreten. Sind diese Hürden überwunden und die Patient:innen profitieren endlich von einem Therapieerfolg, gefährden Einsparungen ihre Versorgungssicherheit.
Rabattverträge (§130a SGB V) sind ein viel genutztes Instrument im Bereich der Fertigarzneimittel, um Ausgaben im Arzneimittelbereich zu senken. Im Bereich der Rezepturarzneimittel sind Rabattverträge unüblich. Krankenkassen nutzen verschiedene Modelle bei Rabattausschreibungen, darunter sehr häufig Ein-Partner-Modelle mit Exklusivverträgen. Hierbei besteht zum Einen das Risiko, dass die Patient:innen nicht das Präparat bekommen, auf welches sie gut eingestellt sind. Zum Anderen bergen Exklusivverträge das Risiko, dass das bezuschlagte pharmazeutische Unternehmen nicht (rechtzeitig) lieferfähig ist. Diese bekannten Risiken von Rabattverträgen können im Wesentlichen auch für Cannabinoid-Arzneimittel zutreffen, insbesondere die Gefahr von Lieferengpässen.
Patentfreie Arzneimittel, speziell Generika, unterliegen einem enormen Wettbewerbs- und Preisdruck. Cannabinoidarzneimittel sind von diesem Druck prinzipiell nicht ausgeschlossen, dabei handelt es sich bei Ihnen nicht um Generika. Der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC), stellt in einem Positionspapier die Besonderheiten der Cannabinoidtherapie bei der Umsetzung von Rabattverträgen vor.
Cannabispflanzen umfassen mehr als 400 verschiedene Inhaltsstoffe, darunter Terpene und mehr als 100 verschiedene Cannabinoide, zu denen auch die bekanntesten Wirkstoffe THC und CBD zählen. Letztere zwei Cannabinoide werden bisher alleinig zur Beurteilung des Wirkstoffgehalts herangezogen.
Die Therapieumstellung auf eine andere Cannabisblüte oder ein anderes Cannabisextrakt mit dem gleichen THC- und CBD-Gehalt kann allerdings bei den Patient:innen zu unterschiedlichen Wirkungen führen, da der Gehalt an weiteren Phytocannabinoiden hierbei eine Rolle spielt (Aviram et al. 2021). Ebenso konnte präklinisch bewiesen werden, dass auch durch Terpene, die sich in ihrer Zusammensetzung je nach Kultivar stark unterscheiden, die Wirkung der Cannabinoide beeinflusst werden kann (LaVigne et al. 2021). Medizinisches Cannabis erfüllt daher nicht die Definition eines Generikums.
Cannabispflanzen sind ein Naturprodukt und ihre Inhaltsstoffe unterliegen den natürlichen Schwankungen ihrer jeweiligen Spezifikationen. Die genaue Zusammensetzung von Cannabisextrakten ist zudem abhängig vom Verarbeitungsprozess, d.h. Zeitpunkt der Ernte, Lagerbedingungen, Extraktionsmittel und -verfahren. Für eine Beurteilung der Wirkstoffgleichheit gibt es nur wenige deklarierte Parameter: Gleichheit der Arzneidroge, Extraktionsmittel (Art und Konzentration), Extraktionsverfahren, Extraktausbeute (Droge/Extrakt-Verhältnis). Selbst bei Übereinstimmen dieser Parameter kann es sich nicht um wirkstoffidentische Präparate handeln, wenn unterschiedliche Kultivare vorliegen.
Bei Einsparungen in der Cannabinoidbranche durch Rabattverträge sind die Unterschiede zwischen Anwendungsformen unbedingt zu beachten. Im Gegensatz zu Cannabinoid-Arzneimitteln, die auf der direkten Verwendung der Cannabispflanze beruhen (getrocknete Blüten/Cannabisextrakte), stellt sich eine Substitution von Monosubstanzen als eher unkritisch dar. Eine Therapie mit Monosubstanzen (z. B. Dronabinol/THC, CBD) basiert auf dem gezielten Einsatz einzelner Wirkstoffe – diese Wirkstoffe sind unabhängig von Hersteller oder Herstellungsverfahren identisch. Durch eine Substitution ist eine unterschiedliche Wirkung bei den Patient:innen somit nicht zu erwarten.
Der Preis für medizinische Cannabinoid-Arzneimittel ist durch die Hilfstaxe klar geregelt. Rabattverträge erhöhen lediglich das Risiko für Lieferengpässe. Um eine sichere Therapie und Versorgung der Patient:innen mit Cannabisblüten und -extrakten sicherzustellen, sollten diese Arzneimittel von Rabattvertragsausschreibungen ausgeschlossen werden.
Beitrag in Kooperation mit dem Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V.