Ein junger Mann, 30 Jahre alt, leidet seit etwa 2 Wochen unter juckenden Plaques. Er ist HIV-positiv und anamnestisch zeigen sich wiederholte Infektionen mit Syphilis, Chlamydien oder Gonorrhoe.
Die Plaques befinden sich überwiegend im Bereich der Extremitäten und heben sich dunkel verkrustend vom ansonsten unauffälligen Hautbild ab. Differentialdiagnostisch sollte hier ebenso z.B. an Psoriasis, Pyodermie, schwer verlaufende Akne inversa sowie ganz aktuell an Affenpocken gedacht werden.
Die Syphilis-Diagnostik ist positiv. Der Erregerabstrich der Plaques bringt zudem eine nicht alltägliche Infektion mit Trichophyton mentagrophytes ans Licht. Dieser auch als "Thailandpilz" bekannte Erreger ist primär zoophil und in den Tropen beheimatet. Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sind bei engem Körperkontakt beschrieben worden.
Die Syphilis wird nach Standardtherapie mit Benzathin-Penicillin behandelt. Die topische Therapie der Dermatophytose erfolgt mit Ciclopirox. Systemisch wurde dem Patienten initial bereits vom Hausarzt Itraconazol verordnet. Diese Therapie muss aufgrund der starken inhibitorischen Wirkung von Itraconazol auf das CYP3A4-System umgestellt werden, da sonst Wechselwirkungen mit der antiviralen HIV-Therapie zu fürchten sind. Stattdessen erhält der Patient für die weitere Behandlung Terbinafin.
Im zweiten Fall stellt sich ein 34-jähriger MSM mit einer seit etwa 5 Wochen bestehenden ulzerierenden Läsion an der Unterlippe vor. Der Patient ist zudem psychisch auffällig und leidet unter starker psychosozialer Belastung.
In der weiteren Befragung ergibt sich eine Risikosituation vor rund 8 Wochen und eine Krankheitsgeschichte mit Allgemeinsymptomen wie Fieber und Nachtschweiß. Die fraglichen Läsionen erstrecken sich im Bereich der Unterlippe, der Nase sowie eine einzelne ovale Hautulzeration im Bereich des oberen Abdomens rechtsseitig. Auf Nachfrage zeigt der Patient ein Foto vom Beginn der Erkrankung. Diese imponierte damals als weißliche Ulzeration der Mundschleimhaut im Bereich der Unterlippe. Er gibt zusätzlich an, dass er seitdem sehr stark auf dieser Stelle herum gekaut habe und dies eventuell zu dieser aktuell bestehenden überschießenden Ulzeration geführt haben könnte.
Differentialdiagnostisch müssen neben einer möglichen Syphilis in diesem Fall ebenso Plattenepithelkarzinom, Phlegmone, Affenpocken oder Pemphigus vulgaris mitgedacht werden.
In der Serologie zeigen sich negative Befunde für HIV sowie für Hepatis B und C. Die Syphilis-Diagnostik ist indes positiv, sodass eine Frühsyphilis im Primärstadium diagnostiziert werden kann.
Die Therapie ist weniger spektakulär als die Befundsituation bei Erstvorstellung. Topisch erhält der Patient Umschläge mit einem Hydrogel. Operativ muss jedoch der ulzerierende Teil des Primäraffektes an der Unterlippe unterstützend saniert werden (=Débridement). Systemisch erfolgt leitlinienkonform die Gabe von Benzathin-Penicillin. Unter der Behandlung kommt es nach etwa 2 Monaten zu einem Titerabfall in der Syphilis-Serologie, der HIV-Test ist weiterhin negativ.
Unabhängig vom HIV-Serostatus kann eine Syphilis-Symptomatik untypisch erscheinen, was eine Infektion lange Zeit verschleiert. Daher ist es ratsam, gerade bei nicht eindeutigen oder eher ungewöhnlichen Befunden mit entsprechender Risikosituation auch an die Syphilis zu denken.
Darüber hinaus gilt, dass eine Syphilis parallel sowohl mit einer HIV-Infektion als auch mit einer Tinea corporis vorkommen kann und sich Symptomkomplexe dabei möglicherweise überlagern. Im Falle einer begleitenden HIV-Infektion sind zudem untypische Verläufe sehr wahrscheinlich.
Quelle:
Stüssel P und Chan W. Session 08 „Was tun, wenn? – Diaklinik aktueller Fälle. STI-Kongress 2022, Berlin