Typ-1-Diabetes heilen: Wann ist es so weit?

Immer raffiniertere Technologien mit automatischer Insulindosierung wecken Hoffnung auf Fortschritte, die einer "funktionellen Heilung" des Typ-1-Diabetes näherkommen. Doch wie realistisch ist eine solche?

Was heißt „funktionelle Heilung“ von Typ-1-Diabetes (T1DM)?

Die Forschung zu Typ-1-Diabetes (T1DM) läuft derzeit auf Hochtouren – sowohl in der Optimierung bestehender als auch in der Entwicklung völlig neuer Therapieansätze. Zu den aktuellen Optionen und Perspektiven gehören:

1. Diabetes-Technologien

Ausgefeilte AID (automatische Insulin-Dosierungs)-Systeme kommen der natürlichen Insulinsekretion bereits sehr nahe. Sie kombinieren die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) mit einer Insulinpumpe, gesteuert von einem Algorithmus via Smartphone oder Computer. Was diesen Systemen bislang allerdings noch fehlt, ist die Gegenregulation. Doch auch bihormonale „fully closed-loop“-Systeme, die die Physiologie des Pankreas weitgehend nachahmen, sind bereits in Entwicklung.

Zu den neuen Technologien zählen außerdem sogenannte „smart Insulins“ oder auch „glucose-responsive Insulins“ (GRI), die dynamisch auf Glukoseschwankungen in Echtzeit reagieren. Dazu werden die Insulinmoleküle entweder chemisch modifiziert oder in bestimmte Strukturen verpackt, aus denen sie Blutzucker-basiert abgegeben werden. Noch befinden sich diese Ansätze in der Entwicklung, lassen für die Zukunft jedoch hoffen.

2. Pankreas- und Inseltransplantation

Ein großes Potenzial steckt weiterhin in einem biologischen Betazellersatz mittels Transplantation von Spenderorganen. Der Vorteil: Regulation und Gegenregulation lassen sich dadurch gleichermaßen wiederherstellen und sorgen neben einer Normalisierung des Blutzuckers auch für eine dauerhafte Prävention von Hypoglykämien. Im Gegensatz zur hochinvasiven Pankreastransplantation gelingt dies im Falle der Inseltransplantation über eine einfache intraportale Transfusion direkt in die Leber. 

Der Nachteil beider Verfahren: Sie erfordern eine dauerhafte und potente Immunsuppression. Außerdem sind die Eingriffe zumindest in Deutschland wenig etabliert, während europaweit die Zahl der Zentren wächst. 

3. neuartige Zelltherapien

Auch diese Form der Diabetestherapie zielt auf den Ersatz der Betazellen. Als Quellen dienen u. a. Stammzellen, aus denen voll funktionsfähige Inselcluster gewonnen werden. Erste klinische Anwendungen gibt es bereits. So kam es erstmals zu einer Maturierung der Zellen in vivo mit einer Wiederherstellung der Glukosekontrolle.

Um den Immunsystem-assoziierten Problemen zu begegnen, die auch hier bestehen, werden aktuell präklinisch sogenannte „immune evasive cells“ generiert, die vom Immunsystem nicht erkannt werden. Ein anderer Ansatz, der sich bereits in der klinischen Anwendung befindet, setzt auf eine Immunprotektion, indem die Zellen verkapselt werden, um sie vor der körpereigenen Abwehr zu schützen.

Echte Heilung des T1DM?

Die meisten dieser innovativen Ansätze sind noch Zukunftsmusik – wenn auch eine vielversprechende. Doch sowohl Patienten als auch Diabetologen sollten sich bewusst sein: Eine echte Heilung bieten sie nicht. Die komplexe, streng regulierte Funktion des Pankreas kann bestenfalls so präzise wie möglich nachgeahmt werden – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Quelle:
  1. Ludwig, Barbara (Dresden): Heilung des T1DM? Session „Der Mensch mit Diabetes in der Zukunft“, Diabetes Herbsttagung 2024, Hannover, 22.-23.11.2024.
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