Kohortenstudien weisen darauf hin, dass die5-alpha-Reduktasehemmer Dutasterid und Finasterid das Risiko einer Typ-2-Diabetes-Erkrankung erhöhen können.
Die häufig bei benigner Prostatahyperplasie eingesetzten 5-alpha-Reduktasehemmer Dutasterid und Finasterid könnten das Risiko erhöhen, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken. Darauf weisen die Ergebnisse von zwei Kohortenstudien aus Großbritannien und Taiwan.
An einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) leiden fast 50% aller älteren Männer. Zur symptomatischen Behandlung werden häufig Alphablocker wie Tamsulosin eingesetzt, wenn diese nicht ausreichend wirken oder die Prostata sehr stark vergrößert ist auch die 5alpha-Reduktasehemmer Dutasterid und Finasterid.
Der Verdacht, dass Dutasterid und Finasterid das Risiko für einen Typ-2-Diabetes erhöhen könnten, stützt sich auf mehrere theoretische Überlegungen und Befunde. Die 5-alpha-Reduktase verwandelt nicht nur Testosteron in seinen aktiven Metaboliten 5-alpha-Dihydrotestosteron, der bei älteren Männern zu einer Vergrößerung der Prostata führt. Das Enzym wird auch in metabolisch bedeutsamen Geweben wie Leber, Fettgewebe und Skelettmuskel exprimiert und greift hier in den Steroidstoffwechsel ein. Für Durasterid wurde im Unterschied zu Finasterid bereits in experimentellen Studien gezeigt, dass es die Insulinsensitivität erhöht und eine Steatohepatose fördert – über ähnliche Mechanismen wie ein Steroiddiabetes. Tamsulosin hat dagegen einen ganz anderen Wirkmechanismus. Der Alpharezeptoren-Blocker blockiert die Bindungsstelle von Adrenalin/Noradrenalin in der glatten Muskulatur der Prostata und der Harnröhre. Er greift damit nicht in den Stoffwechsel der Steroide ein und gilt hinsichtlich des Glukosestoffwechsels als neutral.
Um die Auswirkungen von Dutasterid oder Finasterid auf das Diabetesrisiko zu klären, hat ein Team um Ruth Andrew von der Universität Edinburgh unter Federführung des Epidemiologen Li Wei zwei Datenbanken aus weit auseinanderliegenden unabhängigen Regionen ausgewertet. Dabei wurden Patienten mit Dutasterid- oder Finasterid-Einnahme mit BPH-Patienten unter Tamsulosin verglichen.
Die UK-Datenbank "UK Clinical Practice Research Datalink“ hat Zugriff auf die Daten von 4,4 Millionen Hausarztpatienten in Großbritannien. Knapp 70.000 Männer in dieser Datenbank wurden wegen einer symptomatischen benignen Prostatahyperplasie mit Dutasterid (n= 8.231), Finasterid (n=30.744) oder dem Alphablocker Tamsulosin (n= 16.270) behandelt.
Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 5,2 Jahren erkrankten 2.100 dieser Männer neu an einem Typ-2-Diabetes. Dabei fiel auf, dass tatsächlich mehr Männer, denen Dutasterid oder Finasterid verordnet wurde, im Verlauf einen Typ-2-Diabetes entwickelten als Männer, die Tamsulosin zur BPH-Behandlung eingenommen hatten. Die Inzidenzen betrugen 76,2 pro 10.000 Personenjahre für Dutasterid, 76,6 pro 10.000 Personenjahre für Finasterid und 60,3 pro 10.000 Personenjahre für Tamsulosin. Dies entspricht einer Hazard Ratio (HR) von 1,32 für Dutasterid im Vergleich zu Tamsulosin, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,08 bis 1,61 statistisch signifikant war. Die HR für Finasterid betrug 1,26 (1,10 bis 1,45). Die Kombination von Dutasterid/Finasterid mit Tamsulosin änderte nichts an der Assoziation, was dagegen spricht, dass Tamsulosin möglicherweise das Risiko für einen Typ-2-Diabetes erniedrigt.
Die Auswertung der "Taiwanese National Health Insurance Research Database", die die Daten aller Einwohner des Inselstaates verwaltet, bestätigte die Ergebnisse. Die adjustierten Hazard-Ratios betrugen 1,34 (1,17-1,54) für Dutasterid und 1,49 (1,38-1,61) für Finasterid, jeweils im Vergleich zu Tamsulosin. Die gleiche Assoziation zeigte sich auch nach einem Propensity Score Matching mit Berücksichtigung von Ausgangsbefunden wie Alter und BMI.
Die Tatsache, dass sich in zwei hinsichtlich Ethnizität sehr unterschiedlich großen Kohorten sehr ähnliche Assoziationen zwischen Dutasterid/Finasterid-Einnahme und einem erhöhten Risiko für einen Typ-2-Diabetes zeigen lassen, spricht für einen kausalen Zusammenhang, schreiben die Autoren.
Das absolute Risiko im Gesamtkollektiv ist zwar relativ gering – nach Schätzung der Autoren könnten von 500 Männern, die über 20 Jahre mit Dutasterid oder Finasterid behandelt werden, 16 zusätzlich an einen Typ-2-Diabetes erkranken. Der Effekt liegt damit in der gleichen Größenordnung wie bei Statinen, für die der Zusammenhang durch randomisierte klinische Studien bereits besser belegt ist. Da es sich bei BPH-Patienten unter Dutasterid oder Finasterid aber häufig um ältere Männer mit einem ohnehin schon erhöhten metabolischen Risiko handelt, sollte möglicherweise ein engmaschigeres Screening unter dieser Medikation erfolgen.
Die langjährige Einnahme von Dutasterid oder Finasterid zur Behandlung einer symptomatischen BPH kann möglicherweise das Risiko für einen Typ-2-Diabetes erhöhen. Damit wird die Liste von Medikamenten, die mit einem erhöhten Diabetesrisiko einhergehen, noch einmal erweitert. Dazu gehören bereits Antihypertensiva (z.B. Betablocker oder Thiazide), Statine, typische und atypische Neuroleptika, antiretrovirale Wirkstoffe (Calcineurin-Inhibitoren) und Kortikosteroide.
Quelle: Li Wei et al; Incidence of type 2 diabetes mellitus in men receiving steroid 5α-reductase inhibitors: population based cohort study; BMJ (2019); 365: 1204; doi: https://doi.org/10.1136/bmj.l1204