Erhöhtes Risiko für Totgeburten bei Frauen mit Diabetes

Frauen mit einem bereits vor der Schwangerschaft bestehenden Diabetes haben auch heute noch ein deutlich erhöhtes Risiko für Totgeburten. Ein schlecht eingestellter Diabetes mit hohem Langzeitblutzucker sowie Übergewicht oder Fettleibigkeit sind dabei die wichtigsten potenziell beeinflussbaren Risikofaktoren.

Langzeitblutzucker und Übergewicht als wichtigste Risikofaktoren

Frauen mit einem bereits vor der Schwangerschaft bestehenden Diabetes haben auch heute noch ein deutlich erhöhtes Risiko für Totgeburten. Ein schlecht eingestellter Diabetes mit hohem Langzeitblutzucker sowie Übergewicht oder Fettleibigkeit sind dabei die wichtigsten potenziell beeinflussbaren Risikofaktoren, wie eine Auswertung der Daten aus zwei schottischen Registern gezeigt hat.

Das Risiko für eine Totgeburt ist bei einem vorbestehenden Diabetes nach bisherigen Daten vier- bis fünfmal höher als bei Schwangeren ohne Diabetes. Während die Inzidenz an Totgeburten in den letzten Jahrzehnten bei anderen Populationen deutlich zurückgegangen ist, ist sie bei Diabetikerinnen in diesem Zeitraum annähernd gleichgeblieben.

Die Arbeitsgruppe von Sharon T. Mackin von der Universität Glasgow hat es sich daher zum Ziel gemacht, neue Daten zur Inzidenz von Totgeburten bei Frauen mit vorbestehendem Diabetes zu generieren, sowie Prädiktoren und möglicherweise beeinflussbare Risikofaktoren zu finden. Dazu werteten sie die Daten des "Scottish Morbidity Record 02" (SMR02) aus, in der alle in Schottland auftretenden Totgeburten erfasst werden, und stellten sie in Bezug zum Diabetes-Register "Scottish Care Information-Diabetes" (SCI-Diabetes). Insgesamt wurden 5.392 Einzelkinder von diabetischen Müttern identifiziert, darunter waren 3.778 Babys von Müttern mit Typ-1-Diabetes und 1.614 Kinder von Müttern mit Typ-2-Diabetes. Als Totgeburt wurde definiert, wenn die Geburt in oder nach der 24. Gestationswoche stattfand und die Kinder nach der Geburt nicht atmeten und keine Lebenszeichen zeigten.

Mehr Totgeburten bei Typ-2-Diabetes

Bei den Frauen mit Typ-1-Diabetes kamen auf 1.000 Geburten 16,1 Totgeburten, bei den Frauen mit Typ-2-Diabetes waren es 22,9 Totgeburten auf 1.000 Geburten. Obwohl der Typ-2-Diabetes im Durchschnitt erst seit 4,4 Jahren bestand (gegenüber 11,2 Jahren beim Typ-1-Diabetes), war das Risiko einer Totgeburt höher. Im Beobachtungszeitraum zwischen 1998 und 2016 veränderte sich die Rate an Totgeburten bei Müttern mit Typ-1-Diabetes kaum, während sie bei Typ-2-Diabetes leicht abnahm.

Langzeitblutzucker als wichtigster Risikofaktor

Als wichtigster und potenziell vermeidbarer Risikofaktor erwies sich bei beiden Diabetesformen der Langzeitblutzucker. Bei Frauen mit Typ-1-Diabetes, die eine Totgeburt erlitten hatten, war der durchschnittliche Blutzuckerspiegel (HbA1c) in allen Stadien der Schwangerschaft signifikant höher als bei Diabetikerinnen mit Lebendgeburten. Anders dagegen beim Typ-2-Diabetes: Hier war vor allem ein erhöhter HbA1c-Wert in der Zeit vor der Schwangerschaft mit einer erhöhten Rate an Totgeburten assoziiert. Bei Frauen mit Typ-2-Diabetes und Kinderwunsch sollte die Blutzuckereinstellung daher möglichst schon vor der Schwangerschaft optimiert werden, schreiben die Autoren.

Mehr Totgeburten bei Typ-2-Diabetes und hohem BMI

Ein weiterer wichtiger Risikofaktor war bei Frauen mit Typ-2-Diabetes ein hohes Körpergewicht. Schon bei den Frauen, die ein lebendes Kind bekamen, war der BMI mit 33,9 kg/m2 deutlich zu hoch – bei Frauen mit einer Totgeburt lag der BMI mit 38,2 kg/m2 noch deutlich höher. Der hohe BMI erwies sich hier als unabhängiger Risikofaktor, auch bei Berücksichtigung von anderen potenziellen Risikofaktoren wie Alter der Mutter, Diabetesdauer, Rauchen, Tabakkonsum oder soziale Deprivation. Interessanterweise waren 81% der Totgeburten bei Frauen mit Typ-2-Diabetes Jungen, bei Frauen mit Typ-1 Diabetes betrugt dieser Anteil nur ein 54,1%.

Frühzeitige Entbindung als Lösungsansatz?

Ein Drittel der Totgeburten trat in dieser Studie zum errechneten Termin auf. Bei Typ-1-Diabetes traten die meisten Totgeburten in der 38. und bei Typ-2-Diabetes in der 39. Gestationswoche auf. Unbeantwortet bleibt in dieser Studie die Frage, ob sich durch eine frühzeitige Entbindung – in der Regel durch Kaiserschnitt – die Rate an Totgeburten verringern lässt. Zwar konnten die AutorInnen errechnen, dass bei Frauen mit Typ-1-Diabetes durch eine routinemäßige Geburtseinleitung in der 37. Gestationswoche 22 Totgeburten möglicherweise verhindert worden wären, bei Typ-2-Diabetes 12. Dagegen abzuwägen sind aber die Risiken einer Kaiserschnittgeburt und eine erhöhte Rate an Atemproblemen bei den Kindern. Möglicherweise fällt bei männlichen Kindern von Frauen mit Typ-2-Diabetes die Entscheidung für eine frühzeitige Geburtseinleitung etwas leichter, so die AutorInnen.

Fazit: Durch eine optimierte Blutzuckereinstellung und eine Reduktionsdiät bei Adipositas lässt sich das erhöhte Risiko einer Totgeburt bei Schwangeren mit vorbestehendem Diabetes möglicherweise reduzieren.

Quelle:
Sharon T. Mackin et al; Factors associated with stillbirth in women with diabetes, Diabetologia (2019); 62(10): 1938-47; DOI:  https://doi.org/10.1007/s00125-019-4943-9
https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00125-019-4943-9