Menschen, die bereits vor der Diagnose eines Typ-2-Diabetes eine Adipositas aufweisen, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, im Verlauf der Stoffwechselerkrankung mikrovaskuläre Komplikationen zu entwickeln. Zu diesem Ergebnis kommt eine Beobachtungsstudie auf Grundlage der im Rahmen der EPIC-Potsdam-Kohorte (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) erhobenen Daten. Makrovaskuläre Komplikationen scheinen dagegen durch das Gewicht kaum beeinflusst zu werden.
Übergewicht und Adipositas gehören zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes. Für etwas Verwirrung hat das sogenannte "Adipositas-Paradoxon" gesorgt. In zwei Metanalysen wurde hier nachgewiesen, dass übergewichtige oder fettleibige Patienten mit Typ-2-Diabetes eine geringere kardiovaskuläre Mortalität aufweisen als ihre normalgewichtigen Leidensgenossen. Ansonsten haben Untersuchungen zu möglichen Zusammenhängen zwischen Body Mass Index (BMI) und Diabetes-Folgeschäden nicht ganz eindeutige und z.T. widersprüchliche Ergebnisse erbracht.
Elli Polimeti und ihre Kollegen vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke haben jetzt untersucht, wie sich der BMI vor der Diabetesdiagnose und die weitere Entwicklung des Körpergewichts auf das Risiko von diabetes-assoziierten Mikro- und Makroangiopathien auswirken. Dazu nutzen sie die Daten der EPIC-Potsdam-Kohorte, die 27.548 Erwachsene aus Deutschland einschloss. Die Erstuntersuchung der Teilnehmer fand zwischen 1994 und 1998 statt und umfasste neben vielen anderen Parametern auch den BMI. Bis 2009 war bei 1.601 Teilnehmern der EPIC-Potsdam-Kohorte ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert worden. Die Analyse wurde auf diejenigen beschränkt, die zum Zeitpunkt der Diabetesdiagnose noch keine Spätkomplikationen aufwiesen (n=1.081).
Im Beobachtungszeitraum von im Mittel 10,8 Jahren traten bei diesen Patienten 85 makrovaskuläre Komplikationen (Schlaganfälle und Herzinfarkte) und 347 mikrovaskuläre Ereignisse wie Nephropathie, Neuropathie und Retinopathie auf.
Ein höherer BMI vor der Diabetesdiagnose war mit einer deutlich höheren Rate an mikrovaskulären Spätkomplikationen assoziiert. Dabei bestand eine klare Dosisabhängigkeit, d. h. je dicker die Patienten waren, umso höher war das Risiko (pro BMI-Anstieg um 5 kg/m2 plus 21%). Am deutlichsten war dieser Zusammenhang für die Nephropathie (pro BMI-Anstieg um 5 kg/m2 +39%), gefolgt von der Neuropathie (pro BMI-Anstieg um 5 kg/m2 +12%). Die Assoziation bestand hier unabhängig von Faktoren wie Dyslipidämie und Hypertonie und auch Geschlecht, Alter und Rauchstatus hatten keinen Einfluss. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang des BMI vor der Diabetesdiagnose mit makrovaskulären Komplikationen konnte dagegen nicht festgestellt werden (HR pro BMI-Anstieg um 5 kg/m2 1,05).
Das Forscherteam untersuchte auch den Einfluss von Gewichtsveränderungen in der Zeit nach der Diabetesdiagnose. Auch hier war ein klarer Zusammenhang mit mikrovaskulären Komplikationen erkennbar: Gelang es den Patienten abzunehmen, reduzierte sich auch das Risiko für Nephropathie und Neuropathie. Bei einer weiteren Gewichtszunahme stieg dagegen auch die Gefahr, solche Komplikationen zu entwickeln. Das Risiko von makrovaskulären Komplikationen wurde durch die Gewichtsentwicklung dagegen nicht beeinflusst.
Fazit: Die Untersuchung unterstreicht noch einmal, wie wichtig der Kampf gegen Übergewicht und Adipositas ist. Insbesondere das Risiko für mikrovaskuläre Diabetes-Folgeerkrankungen könnte durch eine Gewichtsabnahme schon im Vorfeld des Diabetes deutlich reduziert werden.
Quelle:
Elli Polimeti et al; BMI and BMI change following incident type 2 diabetes and risk of microvascular and macrovascular complications: the EPIC-Potsdam study; Diabetologia (2021); 64: 814-825