Entgegen dem weltweiten Trend hat in Australien die Inzidenz des Typ-1-Diabetes bei Kleinkindern in den letzten Jahren abgenommen. Die könnte an der 2007 eingeführten Rotavirus-Impfung liegen, wie eine epidemiologische Studie aus Australien vermuten lässt.
Bisher gibt es noch keine effektive Strategie zur Prävention des Typ-1-Diabetes. Man geht davon aus, dass noch nicht identifizierte Umweltfaktoren bei entsprechender genetischer Exposition die Erkrankung triggern können. Einiges weist darauf hin, dass hierbei Enteroviren eine wichtige Rolle spielen könnten. Mit der Studie von Perret KP et al. aus Melbourne, Australien, liegt jetzt erstmal eine epidemiologische Evidenz für solch einen Zusammenhang vor.
In Australien werden alle Fälle von neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes in einem nationalen Register (National Diabetes Services Scheme) erfasst. Dies gab den Wissenschaftlern die Möglichkeit, in einer Zeitreihenanalyse die Inzidenz des Typ-1-Diabetes vor und nach Einführung der Rotavirus-Impfung zu erfassen. Seit Mai 2007 gehört die Rotavirus-Impfung in Australien zu den Routineimpfungen im Kleinkindsalter (ab der 6. Lebenswoche), die Impfrate liegt seitdem bei etwa 84%.
In der Studienperiode von 2000 bis 2015 traten insgesamt 16.159 neue Fälle von Typ-1-Diabetes bei Kindern zwischen 0 und 14 Jahren auf. Nach 2007 zeigte sich bei den 0–4-jährigen überwiegend geimpften Kindern ein Rückgang der Inzidenz um 14% (p=0,04) mit anhaltendem Trend. Bei den älteren Kindern in den beiden Altersgruppen 5–9 und 10–14, die überwiegend nicht gegen Rotavirus-Infektionen geimpft waren, war dagegen kein signifikanter Rückgang der Inzidenz im Vergleich zum Zeitraum vor Einführung der Impfung zu verzeichnen.
Dies könnte dafür sprechen, dass Rotavirus-Infektionen im Kleinkindesalter zumindest einer der möglichen Umweltfaktoren sind, die die Entstehung eines Typ-1-Diabetes triggern, schreiben die Autoren. Eine mögliche Erklärung könnte ein "molekulares Mimikry" sein, das darauf beruht, dass Peptide des Virus Antigenstrukturen von Betazellen ähneln. Tatsächlich wurde bereits nachgewiesen, dass Rotaviren Peptid-Sequenzen enthalten, die eine hohe Ähnlichkeit mit T-Zell-Epitopen der Insel-Autoantigene GAD und Tyrosin-Phosphatase IA-2 (IA-2) aufweisen. Dies könnte dazu führen, dass fehlgeleitete T-Zellen statt Rotaviren die Inselzellen attackieren.
Einen endgültigen Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen Rückgang der Inzidenz des Typ-1-Diabetes und Rotavirus-Impfungen liefert die epidemiologische Studie aber noch nicht. So wäre es auch denkbar, dass irgendein anderer Faktor, der sich in diesem Zeitraum verändert hat, den Rückgang bewirkt hat. Unklar ist auch, wie lange der beobachtete Rückgang der Diabetes-Inzidenz anhält – möglicherweise verschiebt sich der Erkrankungszeitpunkt nur nach hinten.
In Deutschland gehört die orale Rotaviren-Impfung seit 2013 zu den Standardimpfungen bei Kleinkindern. Empfohlen wird die Impfung ab der 6. Lebenswoche.
Quellen:
1. Perrett KP, Jachno K, Nolan TM, et al.: Association of Rotavirus Vaccination With the Incidence of Type 1 Diabetes in Children. JAMA Pediatr. Published (online) Jan 22, (2019); doi: 10.1001/jamapediatrics.2018.4578.