Körperliche Bewegung ist eine wichtige Komponente beim Management von Menschen mit Typ-1-Diabetes – bringt aber immer auch die Gefahr von Hypoglykämien mit sich. Die European Association for the Study of Diabetes (EASD) und die International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD) haben jetzt ein Positionspapier zum Umgang mit körperlicher Belastung bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und kontinuierlicher Glukosemessung (CMG) herausgegeben.
Die Anpassung der Insulintherapie bei körperlicher Belastung ist für viele Betroffene eine Herausforderung. Die Angst vor Unterzuckerung ist bei Typ-1-Diabetes somit auch eine der stärksten Barrieren bei Integration sportlicher Aktivitäten in den Alltag, schreiben die Autoren um den Sportphysiologen Prof. Dr. Othmar Moser von der Universität Bayreuth. Wird aus Angst vor Hypoglykämien die Insulindosis reduziert oder weggelassen oder mit zu viel Kohlenhydraten gegengesteuert, können auch Hyperglykämien drohen.
CMG-Systeme bieten heute die Möglichkeit, zu jedem Zeitpunkt aktuelle Blutzuckerwerte zu erfassen – wenn auch mit einer leichten Verzögerung. Dies kann den Umgang mit körperlicher Belastung deutlich erleichtern, wenn die sehr detaillierten Empfehlungen eingehalten werden.
Für Erwachsene werden bei körperlicher Belastung folgende Empfehlungen zur Gegensteuerung mit Kohlenhydrataufnahme bei diesen Blutzuckerwerten gegeben:
Mit längeren sportlichen Aktivitäten sollte begonnen werden, wenn die Spiegel des Mahlzeiteninsulins niedrig sind oder 90 Minuten nach der letzten kohlenhydrathaltigen Mahlzeit mit dann reduzierter Bolusinsulingabe. Die Reduktion des Bolusinsulins zu den Mahlzeiten sollte aber nicht zu oft erfolgen, da der positive Effekt der Bewegung auf die glykämische Kontrolle dadurch geschmälert werden könnte.
Bei CMG-Geräten mit entsprechender Funktion sollte vor Beginn der körperlichen Belastung die Grenze für einen Hypoglykämiealarm so hoch wie möglich angesetzt werden (100 %mg/dl). Der Schwellenwert für einen Hyperglykämiealarm kann ebenfalls heraufgesetzt werden (180 mg/dl oder höher), um ständige Alarmmeldungen während des Sports zu vermeiden.
Abhängig von der Sportart sollte der Glukosespiegel während der Belastung zwischen 90 und 180 mg/dl, idealerweise zwischen 126 und 180 mg/dl liegen. Bei hohem Hypoglykämierisiko können auch höhere Werte akzeptiert werden. Zu einem (zumindest zeitweisen) Abbrechen des Trainings und Verzehr von Kohlenhydraten raten die Autoren aus Sicherheitsgründen bei Glukosewerten < 70 mg/dl. Bei 80 mg/dl mit Trendpfeil nach oben kann langsam wieder begonnen werden. Bei Werten < 54 mg/dl sollten die sportlichen Aktivitäten für diesen Tag ganz abgebrochen werden.
In den ersten 90 Minuten nach der körperlichen Aktivität wird bei der Mehrheit der Menschen mit Typ-1-Diabetes ein Zielbereich von 80 bis 180 mg/dl angestrebt. Liegen die Werte darunter, sollten 10 bis 15 g Kohlenhydrate verzehrt werden. Bei Patienten mit erhöhtem Hypoglykämierisiko wird geraten, den Schwellenwert für den Hypoglykämiealarm noch oben zu lassen (90–100 mg/dl). Dies gilt auch für die Nacht, wenn das Training am späten Nachmittag oder Abend erfolgt ist.
In mehreren übersichtlichen Tabellen zeigt das Positionspapier die Sensor-Glukoseziele und das genaue Vorgehen bei verschiedenen Risikokonstellationen. Ein Extrakapitel ist auch dem Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes gewidmet.
Quelle: Othmar Moser et al.: Glucose management for exercise using continuous glucose monitoring (CGM) and intermittently scanned CGM (isCGM) systems in type 1 diabetes: position statement of the European Association for the Study of Diabetes (EASD) and of the International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD) endorsed by JDRF and supported by the American Diabetes Association (ADA). Diabetologia (2020). DOI: https://dx.doi.org/10.1007/s00125-020-05263-9