Hypoglykämien sind eine häufige Komplikation der intensivierten Insulintherapie, die vor allem bei ausbleibenden Warnsymptomen zu schwerwiegenden Folgen führen können. In einer Studie konnte jetzt gezeigt werden, dass speziell trainierte Hunde in der Lage sind, Über- und Unterzuckerungen bei ihren Besitzern zu erkennen und ggf. Alarm zu schlagen. Die Zuverlässigkeit schwankt aber von Tier zu Tier erheblich.
Etwa ein Viertel der Typ-1-Diabetiker entwickeln bei Unterzuckerung keine frühen Warnsymptome mehr. Damit sind sie unter einer Insulintherapie besonders gefährdet – ihr Risiko für besonders schwere Hypoglykämien mit ernsten neurologischen und kardiovaskulären Folgen ist um den Faktor sechs bis acht erhöht. Hinzu kommt die Angst vor solchen Unterzuckerungen, die dazu führen kann, dass Patienten die Insulindosis reduzieren, was wiederum das Risiko für Hyperglykämien mit den daraus resultierenden negativen Folgen erhöht.
Die in Milton Keynes ansässige Stiftung "Medical Detection Dogs" hat sich unter anderem darauf spezialisiert, sogenannte "Diabeteswarnhunde" auszubilden, die darauf trainiert sind, Hypo- und Hyperglykämien ihrer an Typ-1-Diabetes erkrankten Besitzer am spezifischen Geruch zu erkennen und entsprechend Alarm zu schlagen. Im Einzelfall funktioniert das gut, offen ist aber die Frage, ob sich die Patienten wirklich darauf verlassen können.
Die Veterinärin Nicola Rooney von der Universität Bristol und Mitarbeiter wollten dies jetzt in einer Studie näher untersuchen. Dabei kamen 27 von der Stiftung Medical Detection Dogs ausgebildete Diabeteswarnhunde zum Einsatz. Um sich für die Teilnahme zu qualifizieren, mussten die Tiere in der Lage sein, über einen Zeitraum von drei Monaten 75 Prozent der Hypoglykämien zu erkennen und weniger als 15 Prozent Fehlalarme zu produzieren.
Anschließend wurden die Patienten gebeten, über 6 bis 12 Wochen immer dann ihren Blutzucker zu bestimmen, wenn ihre Hunde anschlugen. Selbstverständlich sollten die Patienten nebenbei auch ihre normalen Messungen durchführen. Insgesamt konnten so mehr als 4.000 Hypo- und Hyperglykämie-Ereignisse ausgewertet werden (zwischen drei und 411 bei den einzelnen Patienten.
Die hypoglykämischen Episoden wurden mit einer Sensitivität von 83 Prozent (66 bis 94 Prozent) erkannt, bei den hyperglykämischen Episoden lag die Sensitivität bei 67 Prozent (17 bis 91 Prozent). Hin und wieder gab es auch einen Fehlalarm bei normalen Blutzuckerwerten. Der positive prädiktive Wert – d.h. der Anteil der Warnmeldungen, bei denen der Blutzucker tatsächlich außerhalb des Zielbereichs lag – war im Mittel bei 81 Prozent.
Wie bei lebendigen Lebewesen zu erwarten, waren nicht alle Studien-Hunde gleich gut im Erschnüffeln der Glukoseabweichungen. Vier der 27 Hunde schlugen tatsächlich grundsätzlich nur bei Blutzuckerentgleisungen an – sie erreichten damit einen positiven Vorhersagewert von 100 Prozent.
Ansonsten konnten die Forscher einige Faktoren ausmachen, die die Zuverlässigkeit der Hunde beeinflussten. So waren die Diabeteswarnhunde unmittelbar nach Abschluss des vorangegangenen Trainings besser in der Lage, Hypoglykämien zu erschnüffeln als Hyperglykämien. Lag das Training schon länger zurück, reagierten die Tiere besser auf Hyperglykämien, die Reaktion auf Hypoglykämien ließ etwas nach. Auch die Bereitschaft der Besitzer, die Hunde zu belohnen und das Vertrauen in die Fähigkeit der vierbeinigen Begleiter spielte eine Rolle. Nicht zuletzt gab es auch Charakterunterschiede: So kamen einige Hunde ihrer Aufgabe zuverlässig und offensichtlich mit Freude und Motivation nach, andere wiederum schienen auch gerne mal ein neues Verhalten auszuprobieren und reagierten zwischendurch nicht auf die antrainierten Alarmsituationen.
Natürlich habe auch diese Studie einige Schwächen, schreiben die Autoren. Einige Hypo- und Hyperglykämien seien vielleicht gar nicht erfasstworden, weil keine kontinuierliche Glukosemessung erfolgte. Auch lasse sich nicht ganz ausschließen, dass die Patienten von einigen Fehlalarmen ihrer Hunde nicht berichteten, um ihre Lieblinge in einem besseren Licht dastehen zu lassen.
Auch wenn die Diabeteswarnhunde in dieser Studie zum Teil erstaunliche Ergebnisse beim Erkennen von Hypo- und Hyperglykämien erzielten, werden sie immer nur ein Teil des Diabetes-Managements darstellen. Die Zuverlässigkeit variiert stark von Tier zu Tier und reicht nicht aus, um auf regelmäßige Blutzucker-Eigenkotrollen zu verzichten. Trotzdem können sie für den einzelnen Patienten eine wertvolle Bereicherung sein, die zu mehr Lebensqualität beitragen kann.
Quelle: Nicola J. Rooney et al; How effective are trained dogs at alerting their owners to changes in blood glycaemic levels?: Variations in performance of glycaemia alert dogs; PLOS One (2019) DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0210092