Brustkrebs: wird nach primärer Chemotherapie zu viel bestrahlt?

Eine Registerstudie mit prospektivem 5-Jahres-Follow-up offenbart ein geringes Rezidivrisiko bei weniger ausgedehnter Bestrahlung nach neoadjuvanter Chemotherapie für ausgewählte Brustkrebspatientinnen.

Überleben oder Lebensqualität - es geht auch beides

"Wir denken, dass diese Studie ein guter Schritt in Richtung Deeskalation ist, die zu gleichen Überlebenschancen, aber besserer Lebensqualität führen sollte" ...so Erstautorin Dr. Sabine de Wild von der Universitätsklinik Maastricht.3 Der Schlüssel liege darin, die Patienten nach Rezidivrisiko einzuteilen. Dies erfolgte anhand der Leitlinien der Studie: In der Niedrigrisikogruppe wurde nach Mastektomie auf eine Strahlentherapie verzichtet. Die mittlere Risikogruppe erhielt nur eine lokale Strahlentherapie der Brust oder der Brustwand. Bei der Hochrisikogruppe erfolgte keine Deeskalation, hier wurde die übliche lokoregionale Strahlentherapie mit Bestrahlung der Brust oder der Brustwand sowie der regionalen Lymphknoten durchgeführt.

Bei den 838 nachbeobachteten Patienten lag das 5-Jahres-Risiko für ein lokoregionales Rezidiv insgesamt bei 2,2% – genauer bei 2,1% in der Niedrigrisiko-, 2,2% in der mittleren und 2,3% in der Hochrisikogruppe. Bei Anwendung der Studienrichtlinien betrug die lokoregionale Rezidivrate 2,3% in der Niedrigrisikogruppe, 1% in der Gruppe mit mittlerem Risiko und 1,4% in der Hochrisikogruppe.

Ansprechen der Lymphknoten bei Chemotherapie berücksichtigen

Die Deeskalation ist sicher, wenn das Ansprechen der Lymphknoten auf die neoadjuvante Chemotherapie bei Indikationsstellung berücksichtigt würde. Jede vierte Patientin erhielt mehr Strahlentherapie als in den Studienleitlinien empfohlen. "Bemerkenswerterweise schien dies die lokoregionale Rezidivrate, das rezidivfreie Intervall und das Gesamtüberleben nicht in statistisch signifikanter oder klinisch relevanter Weise zu beeinflussen", so das Forschungsteam.3

Noch laufende und zukünftige Studien sollen näher beleuchten, wie die Therapie anhand von Tumorcharakteristika weiter individualisiert werden könnte und ob Zurückhaltung bei der Strahlentherapie beispielsweise auch dann zu vergleichbaren Ergebnissen führt, wenn keine axilläre Lymphknotendissektion vorausgegangen ist. "Die Ergebnisse dieser Studie könnten dazu führen, dass in Zukunft häufiger auf eine lokoregionale Strahlentherapie verzichtet wird, was zu einer geringeren Morbidität und einer besseren Lebensqualität [...] führen könnte", schließt das Autorenteam.
 

Quellen:
  1. Wild, S. R. de et al. De-escalation of radiotherapy after primary chemotherapy in cT1–2N1 breast cancer (RAPCHEM; BOOG 2010–03): 5-year follow-up results of a Dutch, prospective, registry study. The Lancet Oncology 23, 1201–1210 (2022).
  2. archynewsy. Low risk of recurrence with less extensive radiation after neoadjuvant chemotherapy. Archynewsy https://www.archynewsy.com/low-risk-of-recurrence-with-less-extensive-radiation-after-neoadjuvant-chemotherapy/ (2022).
  3. Time to pull back on postsurgery radiation in breast cancer? https://www.mdedge.com/hematology-oncology/article/257441/breast-cancer/time-pull-back-postsurgery-radiation-breast-cancer.

    letzter Zugriff auf Websites: 14.09.22