Das Krankheitsbild Endometriose bekommt, auch durch Kampagnen in den sozialen Medien, immer mehr Aufmerksamkeit. Zahlen zur Prävalenz schwanken zwischen 2% und 30%. Doch wodurch kommt diese große Spanne zustande? Die Ausprägung der Endometriose weist selbst ein sehr weites Spektrum von Normvariante bis hin zur organschädlichen Erkrankung auf. Eine sichere Diagnose gelingt fast nur durch eine Laparoskopie. Wenn man die richtigen Fragen stellt und einen sorgfältigen klinischen und sonographischen Befund erhebt, kann man in geeigneten Fällen aber auch mit einer Therapie beginnen, ohne die Diagnose bewiesen zu haben. Gelegentlich gibt es auch Fälle, bei denen das wahre Ausmaß der Erkrankung auch im Rahmen einer Laparoskopie nicht erkannt wird, so Prof. Sillem, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Außerdem sind Prävalenzraten die Häufigkeiten in speziellen Gruppen; in einem Routine-Krankenhaus wird im Krankengut der Frauenklinik nicht so häufig Endometriose auftreten, wie in einer Schwerpunktklinik mit Endometriosezentrum oder in einem Fertilitätszentrum. Bevölkerungsbasierte Daten – wie es sie z.B. in Skandinavien gibt – verbietet das deutsche Datenschutzgesetz, ergänzt Prof. Schweppe, ehem. Direktor der Frauenklinik Ammerland und Leiter des Endometriosezentrums Ammerland.
Die Symptome der Endometriose sind vielfältig. Alle unklaren zyklischen und azyklischen oder auch chronischen Bauchbeschwerden sollten Ärztinnen und Ärzte an eine Endometriose denken lassen, erklärt Prof. Schweppe. Prof. Sillem ergänzt:
"Starke Schmerzen während der Regelblutung und deutlich weniger Beschwerden außerhalb der Periode können ein Anzeichen sein. Fehlt dieses Muster, muss daran gedacht werden, dass die Endometriose nicht die einzige Ursache der Beschwerden ist. Wichtig ist, die Beschwerden der Patientinnen immer als Behandlungsauftrag zu verstehen und nicht zu sagen "Sie haben nichts", wenn man keinen pathologischen Befund erheben kann oder "Das ist normal"."
Als Goldstandard zur Diagnosesicherung gilt die histologische Sicherung nach Probelaparoskopie. Prof. Sillem bemerkt allerdings, man solle nicht laparoskopieren, nur um die Diagnose zu sichern, denn es solle auch immer eine therapeutische Absicht verfolgt werden. Eine gute Indikation sei die kombinierte Hysteroskopie, Laparoskopie, Chromopertubation und Endometriosesanierung bei unerfülltem Kinderwunsch. Eine Ovarialendometriose sollte operiert werden. Bei Rezidiven und kleinen Befunden kann die Indikation zurückhaltender gestellt werden. In den Augen von Prof. Schweppe ist eine Operation dann durchzuführen, wenn bei unauffälligem Untersuchungsbefund die Einnahme von oralen Kontrazeptiva nicht zur Beschwerdefreiheit führt (auch nicht, wenn das Gestagen gewechselt wird und auch nicht, wenn sie im Langzyklus eingenommen werden). Dann sollte nach ca. 2 Jahren vergeblicher Medikation zur Differentialdiagnostik laparoskopiert werden.
Als therapeutische Optionen gibt es sowohl die operative Entfernung von Endometrioseherden als auch medikamentöse Therapieoptionen. Prof. Sillem zufolge bietet es sich an, die Menstruation in geeigneten Fällen (kein aktueller Kinderwunsch, keine dringende OP-Indikation, keine Kontraindikation) zunächst hormonell zu unterdrücken.
Medikamentöse Therapien gegen Endometriose bestehen aus Gestagen sowie GnRH-Analoga und Kombinationen aus Gestagen/Östrogenen bzw. GnRH-A. und Gestagenen. Jedoch kommt es auch nach operativer oder medikamentöser Therapie in vielen Fällen zu Rezidiven. Betroffene Patientinnen sollten sich an ein Endometriosezentrum wenden, um die Weiterbehandlung individuell zu gestalten, beispielsweise wäre eine Prophylaxe bis zum Kinderwunsch oder bis zur Menopause denkbar.
Bei vielen Endometriosepatientinnen kann es zu Problemen beim Kinderwunsch kommen. Allerdings sollte die Endometriose nicht von vornherein als alleinige Sterilitätsursache angenommen werden. Denn eine medikamentöse Therapie verbessere die nachfolgende Fruchtbarkeit nicht, und auch Operationen alleine richten für den Kinderwunsch wenig aus, hält Prof. Sillem fest. Wiederholte Operationen an den Ovarien sollten vermieden werden, da sich diese nachteilig auf die Ovarialreserve auswirken. Eine Einbindung von Kinderwunschexperten und -expertinnen ist sinnvoll, um Patientinnen zu begleiten. Kommt es dann zu einer assistierten Reproduktion, erklärt Prof. Schweppe, weisen neue Daten in die Richtung, dass bei diesem Prozess eigentlich keine Besonderheiten mehr beachtet werden müssen, maximal ein verlängertes Stimulationsprotokoll.
Bezüglich der Entwicklung der Therapieoptionen ist festzuhalten, dass GnRH-Antagonisten wie Elagolix oder Relugolix in Studien die Symptome zu lindern scheinen. Daher stellt sich die Frage, ob diese Präparate Hoffnungsträger für die zukünftige Behandlung sein können. Dies verneint Prof. Schweppe jedoch. Da man die Antagonisten oral einnehmen kann, möge die Akzeptanz vielleicht besser als bei parenteraler Gabe sein, allerdings führe dieser Einnahmeweg zu einer schlechteren Compliance.
Außerdem sei eine Dosierung der Antagonisten so möglich, dass sich eine Add-back-Medikation, die bei Analoga zwingend ist, erübrige. Die Effektivität sei äquivalent zu der alten Analoga. Auch Prof. Sillem hält fest:
"Es ist immer positiv, wenn erwiesenermaßen wirksame Substanzen die Auswahl erweitern. Das Prinzip der erwähnten Medikamente ist aber dasselbe wie bei den bereits bekannten: die Unterdrückung des Menstruationszyklus und der damit assoziierten Beschwerden. Insofern erwarte ich hier noch keinen Paradigmenwechsel."
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