Beratung zu nichthormoneller Kontrazeption zunehmend gefragt
Mehr und mehr Menschen im reproduktionsfähigen Alter erwägen eine nichthormonelle Verhütungsmethode. Ein Überblick über wichtige Chancen und Grenzen der gängigsten Optionen.
Möglichkeiten der nichthormonellen Kontrazeption im Kurzüberblick
In unten stehender Tabelle finden Sie die Gebrauchssicherheit (typische Anwendung mit Anwendungsfehlern) im Vergleich zu anderen nichthormonellen Methoden laut WHO.2 Unter den nichthormonellen Optionen gibt es sehr effektive Methoden (weniger als 1 von 100 Frauen wird innerhalb der ersten 12 Monate der Anwendung schwanger), mit mittlerer Effektivität, aber auch solche mit sehr geringer Effektivität (> 20 Frauen innerhalb der ersten 12 Monate).
Methode
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Barrieremethoden
- Kondom für Männer (13)
- Diaphragma (12-18)
- Portiokappe (ohne vs. nach vaginaler Entbindung) (14-29)
- Frauenkondom (21)
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- Coitus interruptus (nicht empfohlen) (20)
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Intrauterinpessare (IUP)
- Kupferspirale (IUP mit ≥300mm2), Kupferoberfläche (0,06-1)
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Operative Verfahren
- Sterilisation Mann (0,15)
- Sterilisation Frau (0,5)
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NFP (von allen zur Verfügung stehenden NFP-Methoden sollen nur solche mit ausreichender Datenlage empfohlen werden)
- symptothermale Methode (1,8-2,3)
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mod. nach
1,2
Barrieremethoden
Die Gebrauchssicherheit ist nicht sehr hoch, je nach Methode unterschiedlich und teilweise stark von der richtigen Anwendung und der Compliance abhängig.
- Kondom für Männer: Aufklärung über korrekte Anwendung und Lagerung sowie über Vorgehen bei Versagen der Methode (Notfallkontrazeption) sollte zur Aufklärung gehören. Beschichtung mit Nonoxynol-9 sollte vermieden werden, da dies bei häufiger Anwendung das Vaginalepithel schädigen und mit einem erhöhten Risiko für Harnwegsinfekte oder sexuell übertragbare Infektionen einhergehen kann
- Kondom für Frauen: Zusammen mit dem Kondom für Männer die einzige Methode, die vor sexuell übertragbaren Erkrankungen schützen kann
- Diaphragma, Portiokappe und Frauenkondom:
Die Portiokappe schützt weniger sicher vor Schwangerschaften als das Diaphragma. Beide schützen nicht vor sexuell übertragbaren Erkrankungen.1
Intrauterinpessare (IUP, Hormonfreie Kupfer freisetzende Pessare)
Pro
- eine der sichersten Verhütungsmethoden, unabhängig von korrekter Anwendung
- Kupfer-IUP sind auch zur Notfallkontrazeption geeignet (bis zu 5 Tage nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr)
- Risiko für Infektionen und Expulsionen (gleichzeitige Anwendung von Menstruationstassen kann problematisch sein, lt. Fallberichten kann der Sog das IUP herausziehen oder die Fäden mit gefasst werden)
Kontra
- Dysmenorrhö kann durch IUP verstärkt werden (hier wäre eine Hormonspirale besser)
- bei Eintritt einer Schwangerschaft unter liegendem IUP kommt es häufiger zu Extrauteringraviditäten
- Kupferball und Kupferkette (im Myometrium verankert) können bis zu 5 Jahre intrauterin verbleiben, erhöhtes Expulsionsrisiko (bis zu 5 Prozent), Patientenzufriedenheit unter 75 Prozent1
Operative Verfahren
Pro
- Gehören zu den sichersten Verhütungsmethoden
Kontra
- invasiv und irreversibel, Anästhesie erforderlich, operative Risiken (Blutungen, Hämatombildung, Infektionen)
- vergleichsweise hohe Kosten, müssen selbst übernommen werden
- minimales Restrisiko für Schwangerschaft nach Vasektomie (erstes Kontrollspermiogramm 8 Wochen nach Eingriff empfohlen)
Sterilisation bzw. Vasektomie sollte nur Paaren mit abgeschlossenem Kinderwunsch angeboten werden, da die Rate an Personen, die den Eingriff im Nachhinein bereuen, hoch ist. Besondere Zurückhaltung ist geboten bei Frauen unter 30 Jahren, die noch kinderlos sind und sich in keiner oder einer stark belasteten Partnerschaft befinden. Mangelnde Aufklärung über alternative Verhütungsverfahren, psychische Erkrankungen und eine zeitliche Nähe des Eingriffs zu einer Schwangerschaft gehen ebenfalls mit einem stark erhöhten Risiko einer, dass die Sterilisation später bereut wird.1
Natürliche Familienplanung (NFP)
Physiologische hormonabhängige Parameter (Basaltemperatur, Zervixschleim, Beurteilung des Muttermunds, Mittelschmerz, Symptome der Brust und Blutungsmuster) werden ausgewertet, um eine Schwangerschaft zu planen oder aber zu vermeiden. Der Zyklus bleibt unbeeinflusst und das Körperverständnis wird gefördert.
Pro
- Bei regelmäßigem Zyklus, guter Adhärenz, verantwortungsbewusster Partnerschaft und regelmäßigem Lebensrhythmus eine geeignete Option. Bei korrektem Erlernen schätzt auch die Fachgesellschaft DGGG NFP-Methoden als anwendbar ein.3
- Eine evidenzbasierte NFP-Methode ist Sensiplan®. Die im Dezember 2023 erschienenen S2k-Leitlinien zur nichthormonellen Empfängnisverhütung attestieren Sensiplan® eine hohe Effektivität4 s. dazu den Exkurs unten
Kontra
- Es gibt viele unterschiedliche NFP-Methoden mit sehr guter bis sehr schlechter Anwendungs- und Gebrauchssicherheit. Nicht zu empfehlen sind bspw. Einzeichenmethoden (nur Tage zählen "Kalendermethode"A, oder nur Zervixschleim beobachten, Billings-Methode) und solche Zyklus-Apps, die ausschließlich anhand Daten vergangener Zyklen eine Prognose für den jetzigen Zyklus abgeben, da selbst bei regelmäßigem Zyklus leichte Schwankungen physiologisch sind
- Die Zuverlässigkeit von NFP-Methoden steht und fällt mit der Motivation, der Qualität der Informationsvermittlung sowie dem Sexualverhalten an fruchtbaren Tagen3
- zur sicheren Anwendung sollte eine Schulung bzw. Beratung vorausgehen, hierfür gibt es ein Netzwerk zertifizierter Berater4
- Besondere Umstände sind unbedingt zu beachten, etwa die Zeit nach einer Geburt, die Stillzeit, die Perimenopause, ein polyzystisches Ovarsyndrom sowie die Anwendung von Medikamenten, die den Zyklus beeinflussen3
- Für wen eine Schwangerschaft absolut inakzeptabel wäre oder wenn aufgrund der Einnahme teratogener Medikamente eine sichere Kontrazeption zwingend ist, sind NFP-Methoden nicht die richtige Wahl
- Aufgrund methodischer Schwächen sind viele Apps und Messsysteme, die auf anderen Parametern basieren, derzeit als experimentell zu werten und nicht zur Kontrazeption zugelassen/ empfohlen, wie periphere Temperaturmessgeräte (Devices für Handgelenk oder Finger, entspricht nicht der Basaltemperatur), Hormontests im Urin oder Speichel, u.v.m. (in einer Studie hat sich z.B. das relativ bekannte Messsystem "Persona" als nicht ausreichend zuverlässig erwiesen)4
Exkurs: Nicht alle NFP-Methoden sind gleich geschaffen!
Um eine wichtige, in Studien erprobte Methode zu nennen, die seit über 40 Jahren wissenschaftlich begleitet und weiterentwickelt wird: Die symptothermale Methode Sensiplan® ist eine Mehrzeichenmethode, bei der zwei voneinander unabhängige Parameter sich im Sinne der "doppelten Kontrolle" gegenseitig ergänzen (Basaltemperatur und Zervixschleimbeobachtung als Östrogenmarker). Da es auch andere symptothermale Methoden mit abweichenden Regeln und Sicherheitszeitfenstern gibt, von denen viele wissenschaftlich nicht oder kaum untersucht sind, wurde für die evidenzbasierte Methode Sensiplan® ein Schutzzeichen zur Abgrenzung eingetragen.
Bei 7.866 Zyklen traten nur drei unbeabsichtigte Schwangerschaften auf. Das entspräche in der Theorie einer Methodensicherheit von 0,4 PI (Pearl Index). Damit läge Sensiplan® bei richtigem Gebrauch und strikter Befolgung aller Regeln im Bereich der Pille. In der begleitenden Gebrauchssicherheitsstudie, also in den Untersuchungen zur Sicherheit unter Alltagsbedingungen, lag der Pearl Index bei 1,8.5 "Damit zählt diese Methode zu den sehr sicheren Familienplanungsmethoden", heißt es auch in der aktuellen Leitlinie. "Es ist zu beachten, dass diese Zahlen an Kollektiven erhoben wurden, die die Methode nach einer standardisierten Beratung erlernt haben."5
Sensiplan® wird von der Arbeitsgruppe NFP in einem schon als Standardwerk geltenden Fachbuch für beratende Ärzte umfassend und gut recherchiert dargestellt (Raith-Paula, Elisabeth & Frank-Herrmann, Petra; "Natürliche Familienplanung heute – Modernes Zykluswissen für Beratung und Anwendung", 6. Aufl., 2020 Springer, ISBN: 3662593106). Moderne Apps und Zykluscomputer werden ebenso behandelt wie bspw. NFP nach dem Absetzen hormoneller Kontrazeptiva oder der Umgang mit Sondersituationen, die die Auswertung stören können (Schichtarbeit, Erkrankungen).
Zusätzlich gibt es für Patienten zu dieser Methode ein von den Maltesern herausgegebenes qualitativ hochwertiges Standardwerk, welches Schritt für Schritt das Hintergrundwissen und die Anwendungsempfehlungen laienverständlich vermittelt (Natürlich und sicher: Natürliche Familienplanung mit Sensiplan®. Das Praxisbuch, TRIAS, 21. Edition 2021). Das Erlernte kann sodann in einem zugehörigen Arbeitsheft mit vielen zu bearbeitenden Zyklusbeispielen geübt werden, bevor es an das Führen und Auswerten der eigenen Kurven geht.
Fazit für die Praxis
Hormonelle Methoden werden zunehmend kritischer betrachtet oder abgelehnt, so die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) gegenüber dem Ärzteblatt.3 Die von vielen Patienten ersehnte Kombination von hormonfrei, möglichst sicher und einfach in der Handhabung ist herausfordernd. Eine vollständige Abhandlung aller Risiken und Möglichkeiten wäre an dieser Stelle nicht möglich, aber wir hoffen, dass dieser Beitrag ein Refresher für einige wichtige Punkte sein kann. Um Ärzten eine Unterstützung für eine gute Beratung zu liefern, ist Anfang 2024 eine S2k-Leitlinie zur nicht hormonellen Kontrazeption4 erschienen.
Weitere Informationen zum Thema Verhütung
- Segerer, S. & Böttcher, B. Chancen und Limitationen der nichthormonellen Kontrazeption. Gynäkologie 57, 101–109 (2024).
- World Health Organization; Family Planning, a global handbook for providers, 2018.
- Ärzteblatt, D. Ä. G., Redaktion Deutsches. S2k-Leitlinie zur nicht hormonellen Empfängnisverhütung erschienen. Deutsches Ärzteblatt.
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S2k-Leitlinie Nicht hormonelle Empfängnisverhütung.
- Sicherheit von NFP mit Sensiplan - Sensiplan, die Methode für natürliche Familienplanung. Sensiplan®, ein Angebot der MW Malteser Werke gGmbH.
Disclaimer: Dieser Beitrag dient ausschließlich der Information und ersetzt keine ärztliche Konsultation und Beratung. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr. Haftungsansprüche, auch solche, die sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch Nutzung oder Nichtnutzung der dargestellten Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich ausgeschlossen.
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