Update: Management der akuten Pankreatitis
Eine der häufigsten gastrointestinalen Krankheiten weltweit, die zu einer Hospitalisierung führen, ist die akute Pankreatitis und ihre Häufigkeit nimmt in vielen Ländern zu.<sup>1</sup>
Diagnose: Mindestens "2 aus 3"
Für die Diagnose müssen mindestens 2 von 3 Kriterien erfüllt sein:3,4
- Erhöhung der Serum-Lipase auf mindestens das Dreifache der oberen Norm
- Charakteristische Abdominalschmerzen (akut beginnende, anhaltende Oberbauchschmerzen, oft mit gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken)
- Bestätigung in der Bildgebung (CT oder MRI)
Einige Quellen lassen alternativ auch eine Erhöhung der Amylase auf mindestens das Dreifache der Norm gelten3, aufgrund der unzureichenden Spezifität der Serum-Amylase fordert die deutsche Leitlinie von 2022 jedoch ausschließlich die Bestimmung der Serum-Lipase.
Cave: Leichtgradige Erhöhungen von Amylase oder Lipase sind häufig und reichen nicht aus, um eine zuverlässige Diagnose zu stellen.3
Ätiologie: Nicht nur an alkoholische Genese denken
Vielen Literaturquellen und Erfahrungsberichten zufolge erhalten Patienten mit nicht biliärer Pankreatitis zuweilen zu schnell und manchmal zu Unrecht den Stempel "Alkoholiker". Doch für eine alkoholinduzierte Pankreatitis ist in der Regel ein langjähriger, erheblicher Konsum erforderlich. Es gibt viele mögliche Alternativursachen, die abgeklärt sein sollten, bevor die Erkrankung als alkoholbedingt bezeichnet werden kann (z.B. Genetik, Triglyzeridämie, Malignom).3
Gezielte Flüssigkeitsgabe und Ringer-Laktat zeigen Vorteile gegenüber aggressiver Volumentherapie und normaler Kochsalzlösung
Bei der Infusionstherapie zeichnet sich in jüngsten Updates ein Paradigmenwechsel ab, weg von einer allzu aggressiven Flüssigkeitsgabe mit normaler Kochsalzlösung hin zu einer zielgerichteten, moderateren Hydratation mit Ringer-Laktat-Lösung, welche die Flüssigkeitsbilanz des Patienten, seine kardiovaskulären Reserven und die Fähigkeit, Flüssigkeit zu vertragen, berücksichtigt.1,2 Die Datenlage spricht dafür, dass eine Flüssigkeitszufuhr in den ersten 12–24 Stunden am sinnvollsten ist.3
Parenterale Ernährung möglichst vermeiden
Der klinische Nutzen einer frühzeitigen enteralen Ernährung wird immer evidenter.1
Sehr wenige Patienten benötigen eine totale parenterale Ernährung. Zumeist ist eine enterale Ernährung kostengünstiger, sicherer und ebenso effektiv. Wenn der Patient in der Lage und willens ist zu essen, wird empfohlen, umgehend mit einer fettarmen, festen Nahrung zu beginnen.3
Eine normale, bedarfsadaptierte Ernährung wirkt sich positiv auf die Genesung und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes aus.2
Individualisierte Schmerztherapie
Die derzeitigen internationalen Leitlinien bieten keine klare und einheitliche Empfehlung für die Schmerztherapie.3 Laut deutscher Leitlinie sollten bei starken Schmerzen Opioide eingesetzt werden, auch wenn diese den paralytischen Ileus bei akuter Pankreatitis weiter verstärken. Zu bevorzugen sind Buprenorphin und Pethidin, da die potenzielle Opiat-Nebenwirkung des Sphinkter-Oddi-Spasmus hier geringer ausgeprägt ist.4
Ein multimodaler Schmerzbehandlungsansatz, auf Intensivstationen auch eine Periduralanästhesie (PDA), könnte die Nebenwirkungen von Opiaten verringern.2
Kein prophylaktischer Antibiotikaeinsatz
Antibiotika werden bei der akuten Pankreatitis immer noch häufig und ungezielt angewandt.4 Ein gezielter Einsatz sollte jedoch bevorzugt werden. Marker wie Procalcitonin können dabei helfen, die unnötige Verabreichung von Antibiotika zu minimieren.2 Eine Antibiotikaprophylaxe zur Vermeidung einer Infektion von Nekrosen kann nach derzeitigen Daten nicht empfohlen werden, da sie nicht funktioniert, aber zur Entwicklung multiresistenter Keime beiträgt.3
Minimalinvasive endoskopische Eingriffe am besten
Es wird empfohlen, die Drainage so weit wie möglich hinauszuzögern, da dies mit weniger Eingriffen verbunden ist.2 Bei infizierter Pankreasnekrose sollte nicht frühzeitig eingegriffen, sondern gewartet werden, bis die Ansammlung abgegrenzt und eingekapselt ist und sich das nekrotische Gewebe vom umgebenden lebensfähigen Gewebe demarkiert (in der Regel nach etwa 4 Wochen). Falls aufgrund einer Sepsis trotz gezielter Antibiotika erforderlich, kann mittels perkutaner Drainage überbrückt werden.3
Bei Gallensteinpankreatitis und Cholangitis sollte dringlich eine ERCP (innerhalb von 24 Stunden) durchgeführt werden, bei Patienten ohne Cholangitis ist dies nicht angezeigt.1
Für Patienten mit biliärer Pankreatitis gilt eine Cholezystektomie im Rahmen desselben Krankenhausaufenthaltes inzwischen als Standard, wenngleich bei ausgedehnter oder nekrotisierender Pankreatits oder aufgrund von Komorbiditäten eine Aufschiebung der Cholezystektomie erforderlich sein kann.3
Folgekomplikationen nicht vergessen
Dem Screening sowie der Behandlung von Langzeitfolgen kommt eine wichtige Bedeutung zu, um sekundäre Morbidität zu vermeiden.4 Nach überstandener akuter Pankreatitis sind insbesondere Diabetes, exokrine Insuffizienz und verminderte Lebensqualität bedeutsam.3
- Song, Y. & Lee, S.-H. Recent Treatment Strategies for Acute Pancreatitis. J Clin Med 13, 978 (2024).
- van den Berg, F. F. & Boermeester, M. A. Update on the management of acute pancreatitis. Curr Opin Crit Care 29, 145–151 (2023).
- Trikudanathan, G., Yazici, C., Phillips, A. E. & Forsmark, C. E. Diagnosis and Management of Acute Pancreatitis. Gastroenterology 167, 673–688 (2024).
- G, B. et al. S3-Leitlinie Pankreatitis – Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) – September 2021 – AWMF Registernummer 021-003. Zeitschrift fur Gastroenterologie 60, (2022).
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